Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Steuergesetzes
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Der Staatsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Juli 2011 (StGH 2011/13) Art. 33 Abs. 1 SteV als verfassungs- und gesetzwidrig aufgehoben. Die aufgehobene Bestimmung definierte, bei welchen Immaterialgüterrechten ein Abzug im Sinne von Art. 55 SteG vorgenommen werden kann. Der Staatsgerichtshof begründete sein Urteil im Wesentlichen damit, dass Art. 55 SteG keine sachliche Einschränkung der Immaterialgüterrechte vorsehe. Eine solche Einschränkung wäre vom Gesetzgeber selber vorzunehmen gewesen und könne nicht durch die Regierung vorgenommen werden. Die Regierung schlägt nun vor, in Art. 55 SteG festzulegen, dass - gleich wie nach Art. 33 Abs. 1 SteV - nur bei Patenten, Marken, Mustern und Gebrauchsmustern ein Abzug möglich ist. Es soll in einem ersten Schritt generell der ganze Regelungsinhalt von Art. 33 SteV ohne materielle Änderungen in Art. 55 SteG übernommen werden. In einem zweiten Schritt soll mit interessierten Kreisen geklärt werden, inwieweit die Abzugsmöglichkeit auf weitere Immaterialgüterrechte ausgeweitet werden soll. Danach ist verbindlich zu prüfen, ob eine solche Ausweitung EWR-konform ist.
Die Regierung nimmt diese aufgrund des Staatsgerichtshofurteils notwendig gewordene Gesetzesänderung zum Anlass, weitere kleine Gesetzesanpassungen vorzuschlagen:
Bei der Anwendung des neuen Steuergesetzes hat sich gezeigt, dass bei einzelnen Bestimmungen kleinere Änderungen bzw. Präzisierungen vorgenommen oder Verweise angepasst werden sollten.
In Art. 13 Abs. 1 SteG soll festgehalten werden, welcher Wert bei der Widmungssteuerbesteuerung von Unternehmensanteilen ohne Kursnotiz anzusetzen ist; massgebend ist der anteilige Eigenkapitalwert des Unternehmens.
Zudem wurde festgestellt, dass eine Sonderregelung betreffend die Festlegung des Tarifes bei Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen (Art. 18 Abs. 7 SteG) sowie eine Sonderregelung betreffend die Besteuerung von juristischen Personen mit ideeller Zwecksetzung (insbesondere Vereine; Art. 45 Abs. 2 SteG) geschaffen werden sollte. Die Abzüge bei Renten und Kapitalleistung - mit Ausnahme bei Leistungen aus der AHV/IV - sollen vereinheitlicht werden (Art. 16 Abs. 2 Bst. d SteG).
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Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Amtsstelle
Steuerverwaltung
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Vaduz, 31. Oktober 2011
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Steuergesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
Der geltende Art. 55 SteG (Abzug für Einkünfte aus Immaterialgüterrechten) enthält eine begünstigte Besteuerung von Einkünften aus Immaterialgüterrechten (sog. IP-Box-Regelung). Gemäss dieser Regelung gilt als geschäftsmässig begründete Aufwendung auch ein Betrag in Höhe von 80% der Summe der positiven Einkünfte aus Immaterialgüterrechten. Weiters hält diese Bestimmung fest, dass die Regierung das nähere mit Verordnung regelt.
Die Regierung hat gestützt auf Art. 55 SteG in Art. 33 SteV nähere Bestimmungen bezüglich den Abzug für Einkünfte aus Immaterialgüterrechten erlassen. Insbe-
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sondere hat sie in Art. 33 Abs. 1 SteV geregelt, bei welchen Immaterialgüterrechten ein Abzug vorgenommen werden kann (registrierte Patente, Marken, Muster und Gebrauchsmuster) und welche Immaterialgüterrechte vom Abzug ausgeschlossen sind (beispielsweise Urheberrechte, Know-how, Handelsbezeichnungen).
121 Antragssteller haben mit Schriftsatz vom 28. Januar 2011 einen Antrag an den Staatsgerichtshof auf Aufhebung des Art. 33 Abs. 1 SteV wegen Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit gestellt. Die Antragssteller vertraten die Auffassung, dass sich die Regierung mit der Ausgestaltung des Art. 33 Abs. 1 SteV nicht an den vom Gesetz gezogenen Rahmen - nämlich, dass alle Immaterialgüterrechte erfasst sein sollten - gehalten habe.
Der Staatsgerichtshof hob mit seinem Urteil vom 1. Juli 2011 (StGH 2011/13) Art. 33 Abs. 1 SteV als verfassungs- und gesetzwidrig auf.
Er begründet sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
Art. 55 Abs. 1 SteG enthalte keine sachliche Einschränkung der Immaterialgüterrechte. Bei der Umschreibung der von der "Privilegierung" betroffenen Einkünfte handle es sich um zentrale Fragen der Einkommens- bzw. Gewinnbesteuerung, welche vom Gesetzgeber zu regeln seien. Die Delegation der Festlegung der von der Privilegierung betroffenen Einkunftsarten an die Regierung wäre von vornherein unzulässig. Selbst wenn es also die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, der Regierung die Regelung zu delegieren, welche Immaterialgüterrechte von der Abzugsmöglichkeit erfasst werden sollen, wäre die Regelung mit dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuern nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber habe das "Wichtige" oder "Wesentliche" selbst zu regeln. Das "Wichtige" umfasse hinsichtlich Steuern insbesondere den Tatbestand, der die Steuerpflicht auslöse (z.B. Einkommenszufluss, hier Einkünfte aus Immaterialgüterrechten),
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und die Steuerberechnungs- oder Steuerbemessungsgrundlage, die bei einer direkten Steuer wie der Einkommenssteuer sachlich mit dem Steuerobjekt identisch sei, sowie das Steuermass, d.h. den auf die Bemessungsgrundlage bezogenen Massstab für die Steuerbelastung. Der Gesetzgeber selbst habe die Steuerpflicht und die Steuerfreiheit voneinander abzugrenzen. Hinsichtlich der Einführung der IP-Box-Regelung bestehe das Wichtige gerade auch in der Frage, welche Immaterialgüterrechte von der Regelung erfasst werden sollten. Einkünfte aus Immaterialgüterrechten seien grundsätzlich steuerbare Einkünfte. Die Frage, welche Einkünfte aus Immaterialgüterrechten in welchem Umfang belastet werden sollten, sei eine in hohem Mass politische Frage, die vom demokratischen Gesetzgeber zu entscheiden sei.
Nachdem der Staatsgerichtshof Art. 33 Abs. 1 SteV aufgehoben hat, sollen nun auf Gesetzesstufe die näheren Bestimmungen betreffend den Abzug für Einkünfte aus Immaterialgüterrechten geregelt werden.