Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2011 / 23
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage und Würdigung
2.Schwer­punkt der Vorlage
3.Erläu­te­rungen
4.Ver­nehm­las­sung
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
6.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Interkantonale Vereinbarung über die computergestützte Zusammenarbeit der Kantone bei der Aufklärung von Gewaltdelikten vom 2. April 2009 (ViCLAS-Konkordat)  sowie die Schaffung eines Gesetzes zur  Durchführung der Vereinbarung
 
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Die traditionell engen Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz führen auch zu einer vertieften Zusammenarbeit im Bereich der Polizei. Ein Schwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit bei der Nutzung bestimmter schweizerischer Datenbanken, insbesondere im Bereich der Fahndung (RIPOL) sowie erkennungsdienstlicher Daten (Datenbank für Finger- und Handballenabdrücke AFIS und DNA-Profil-Datenbank CODIS). Diese Zusammenarbeit stützt sich insbesondere auf den Vertrag zwischen Liechtenstein, der Schweiz und Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (Polizeikooperationsvertrag) vom 27. April 1999 und den Vertrag zwischen Liechtenstein und der Schweiz über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile vom 15. Dezember 2005. Seit 2003 nimmt die liechtensteinische Landespolizei an einem Versuchsbetrieb des von der Royal Canadian Mounted Police entwickelten Violent Crime Linkage Analysis System (ViCLAS) teil. ViCLAS ist eine Datenbank, die der Recherche, Auswertung und Analyse von serieller Gewalt- und Sexualkriminalität dient und zentral von der Kantonspolizei Bern betrieben wird. Im Rahmen der Zusammenarbeit von ViCLAS werden schweizweit Fälle im Zusammenhang mit Gewalt- und Sexualkriminalität nach gewissen Kriterien von den zuständigen kantonalen Polizeikorps der Kantonspolizei Bern bzw. einer der fünf Aussenstellen (für Liechtenstein ist dies die Kantonspolizei St. Gallen) gemeldet und von dieser anhand eines Fragebogens erfasst. ViCLAS löst selbst keine Fälle, sondern kann neue Ermittlungsansätze liefern, in dem etwa ein potentieller Zusammenhang zwischen mehreren, auf verschiedene Kantone verteilten, ungeklärten oder zwischen geklärten und ungeklärten Delikten hergestellt werden kann. Bei ViCLAS handelt es sich nicht um eine so genannte Rasterfandung, d.h. die in ViCLAS erfassten Daten werden nicht mit externen Dateien abgeglichen. Die Zuständigkeit für die Ermittlung bleibt bei den jeweiligen kantonalen bzw. liechtensteinischen Behörden.
Da in ViCLAS auch besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes bearbeitet werden und in der Schweiz eine entsprechende Rechtsgrundlage für den interkantonalen Austausch und den Betrieb des Systems fehlten, wurde nach dem erfolgreichen Abschluss des Versuchsbetriebs die Zusammenarbeit im Rahmen von ViCLAS mit der Interkantonalen Vereinbarung vom 2. April 2009 über die computerunterstützte Zusammenarbeit der Kantone bei der
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Aufklärung von Gewaltdelikten (ViCLAS-Konkordat) auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Das Konkordat trat am 1. Mai 2010 in Kraft. Bisher sind die Kantone Appenzell Innerrhoden, Bern, Freiburg, Nidwalden, Obwalden, Solothurn, Thurgau und Uri dem Konkordat beigetreten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat am 3. Dezember 2010 den Beitritt zum Konkordat beschlossen. Da sich die polizeiliche Zusammenarbeit auch in diesem Bereich sowohl aus Sicht der schweizerischen Polizeibehörden als auch aus Sicht der Landespolizei bewährt hat, wurde in das ViCLAS-Konkordat eine entsprechende Bestimmung aufgenommen, wonach Liechtenstein auf der Grundlage seiner eigenen Gesetzgebung beitreten kann (Art. 19).
Für Liechtenstein ergibt sich aus dem Beitritt zum Konkordat eine jährlich Kostenbeteiligung in der Höhe von rund CHF 8'500. Sollten nicht alle Kantone dem Konkordat beitreten, würde sich der Beitrag der Vertragsparteien entsprechend erhöhen. Es entstehen keine weiteren personellen, organisatorischen oder räumlichen Konsequenzen.
Zuständige Ressorts
Ressort Äusseres
Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Landespolizei
Landgericht
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Vaduz, 22. März 2011
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Interkantonale Vereinbarung über die computergestützte Zusammenarbeit der Kantone bei der Aufklärung von Gewaltdelikten vom 2. April 2009 (ViCLAS-Konkordat) sowie die Schaffung eines Gesetzes zur Durchführung der Vereinbarung zu unterbreiten.
1.Ausgangslage und Würdigung
Die traditionell engen Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz führen auch zu einer vertieften Zusammenarbeit im Bereich der Polizei. Ein Schwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit bei der Nutzung bestimmter schweizerischer Datenbanken, insbesondere im Bereich der Fahndung (RIPOL) sowie erkennungsdienstlicher Daten (Datenbank für Finger- und Handballenabdrücke AFIS und der DNA-Profil-Datenbank CODIS). Die Zusammenarbeit im Rahmen von CODIS stützt sich auf den seit dem 1. Mai 2006 geltenden Vertrag zwischen Liechtenstein und der Schweiz über die Zusammenarbeit im Rahmen der schweizerischen Informationssysteme für Fingerabdrücke und DNA-Profile vom 15. Dezem-
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ber 2005 (LGBl. 2006 Nr. 75, LR 0.369.101.2). Er ermöglicht Liechtenstein die Teilnahme am entsprechenden schweizerischen System. Im Übrigen stützt sich die Zusammenarbeit insbesondere auf den Vertrag zwischen Liechtenstein, der Schweiz und Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (Polizeikooperationsvertrag) vom 27. April 1999, in Kraft seit 1. Juli 2001 (LGBl. 2001 Nr. 122, LR 0.141.310.11). Die Zusammenarbeit mit den schweizerischen Behörden hat sich bewährt. Die Erfahrung zeigt, dass aufgrund der offenen Grenzen Täter oft beidseits der Grenzen delinquieren und der jeweilige Tatort oft rein zufällig in Liechtenstein oder in der Schweiz liegt.
Wegen der föderalen Polizeistruktur in der Schweiz fehlte lange Zeit ein Gesamtüberblick über Gewaltverbrechen. Aufgrund der Häufung von Fällen vermisster Kinder in den 1980-iger Jahren wurde eine nationale Ermittlungsgruppe mit dem Namen SOKO REBECCA von der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) ins Leben gerufen, die mit der kantonsübergreifenden Ermittlung in solchen Fällen betraut wurde. Als Weiterentwicklung wurde 2003 im Bereich Recherche, Auswertung und Analyse von serieller Gewalt- und Sexualkriminalität das von der Royal Canadian Mounted Police entwickelte Violent Crime Linkage Analysis System ViCLAS in einem Versuchsbetrieb eingeführt und zentral von der Kantonspolizei Bern betrieben. Die Landespolizei wurde als assoziiertes Mitglied des Ostschweizer Polizeikonkordats zur Teilnahme am Versuchsbetrieb eingeladen und machte von dieser Einladung auch Gebrauch. Im Rahmen der Zusammenarbeit von ViCLAS werden schweizweit Fälle im Zusammenhang mit Gewalt- und Sexualkriminalität nach gewissen Kriterien von den zuständigen kantonalen Polizeikorps der Kantonspolizei Bern bzw. einer der fünf Aussenstellen (für Liechtenstein ist dies die Kantonspolizei St. Gallen) gemeldet und von dieser anhand eines Fragebogens erfasst. ViCLAS löst selbst keine Fälle, sondern kann neue Ermittlungsansätze liefern, indem etwa ein potentieller Zusammenhang zwischen mehreren, auf verschiedene Kantone verteilten, ungeklärten oder zwischen ge-
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klärten und ungeklärten Delikten hergestellt werden kann. Bei ViCLAS handelt es sich nicht um eine so genannte Rasterfandung1, d.h. die in ViCLAS erfassten Daten werden nicht mit externen Dateien abgeglichen. Die Zuständigkeit für die Ermittlung bleibt bei den jeweiligen kantonalen bzw. liechtensteinischen Behörden.
ViCLAS hat sich in der Schweiz bereits in der Versuchsphase bewährt, obwohl aufgrund internationaler Erfahrungen Erfolge erst mittelfristig zu erwarten gewesen wären. Der Grund für den letztgenannten Umstand ist darin zu sehen, dass erst ein Grundstock von erfassten Fällen gelegt werden muss, bevor eine erfolgversprechende Recherchearbeit neue Ermittlungsansätze zu generieren verspricht. Bereits ein Jahr nach Aufnahme des Versuchsbetriebs konnte aufgrund eines solchen neuen Ermittlungsansatzes ein Tötungsdelikt geklärt werden.
Im Rahmen des Versuchsbetriebs hat die Landespolizei in den vergangenen rund 8 Jahren insgesamt 23 Fälle für die Aufnahme ins ViCLAS gemeldet2; das entspricht knapp drei Fälle pro Jahr. Die Landespolizei rechnet auch zukünftig mit keiner Zunahme der zu meldenden Fälle. Der grösste Anteil der gemeldeten Fälle betrifft verdächtiges Ansprechen von Kindern und Jugendlichen, wenn aufgrund der Gesamtumstände von einem Gewalt- oder Sexualdelikt auszugehen ist (Art. 3 Abs. 2 Bst. d ViCLAS-Konkordat). Es geht hier um Sachverhalte, wo Unbekannte aus vermutlich sexuellen Motiven Kinder ansprechen und versuchen, diese vom Betretungsort wegzulocken. Bis heute führten die von der Landespolizei an ViC-
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LAS übermittelten Informationen jedoch noch zu keinen neuen Ermittlungsansätzen bzw. zum Erkennen von Tatzusammenhängen. Dessen ungeachtet hat sich die Zusammenarbeit sowohl aus schweizerischer wie auch aus liechtensteinischer Sicht bewährt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ferner der Umstand, dass ViCLAS auch von anderen europäischen Staaten verwendet wird, z.B. Österreich und Deutschland. Dies ermöglicht, gegebenenfalls aufgrund der einheitlich erfassten Daten auch international tätige Serientäter zu entdecken. Eine solche Zusammenarbeit ist aber nur über den Weg der klassischen Rechtshilfe möglich, d.h. es findet kein systematischer Austausch von Daten auf internationaler Ebene statt.
Da in ViCLAS auch besonders schützenswerte Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes3 bearbeitet werden und in der Schweiz eine entsprechende Rechtsgrundlage für den interkantonalen Austausch und den Betrieb des Systems fehlten, wurde nach dem erfolgreichen Abschluss des Versuchsbetriebs die Zusammenarbeit im Rahmen von ViCLAS mit der Interkantonalen Vereinbarung vom 2. April 2009 über die computerunterstützte Zusammenarbeit der Kantone bei der Aufklärung von Gewaltdelikten (ViCLAS-Konkordat) auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Das Konkordat trat am 1. Mai 2010 in Kraft. Bisher sind die Kantone Appenzell Innerrhoden, Bern, Freiburg, Nidwalden, Obwalden, Solothurn, Thurgau und Uri dem Konkordat beigetreten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat am 3. Dezember 2010 den Beitritt zum Konkordat beschlossen. Da sich die polizeiliche Zusammenarbeit, wie bereits erwähnt, auch in diesem Bereich sowohl aus Sicht der schweizerischen Polizeibehörden als auch aus Sicht der Landespolizei bewährt hat, wurde in das ViCLAS-Konkordat eine entsprechende Bestimmung aufgenommen, wonach das Fürstentum Liechtenstein auf Grundlage seiner eigenen Gesetzgebung beitreten kann (Art. 19).



 
1Unter einer Rasterfahndung versteht man eine Fahndungsmassnahme, bei der unter Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung ein Datenabgleich von Merkmalen, die auf den Verdächtigen vermutlich zutreffen, mit Massendaten (z.B. Kunden eines Elektrizitätswerkes) erfolgt, um Nichtverdächtige auszuschliessen oder Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlung bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen.
 
22010 = 2 Fälle (Stand November); 2009 = 1 Fall; 2008 = 1 Fall; 2007 = 4 Fälle; 2006 = 1 Fall; 2005 = 7 Fälle; 2004 = 2 Fälle; 2003 = 5 Fälle. Die erhöhten Zahlen in den Jahren 2003 und 2005 sind auf die Nacherfassung relevanter Fälle aus den Vorjahren zurückzuführen.
 
3Vgl. Art. 3 Abs. 1 Bst. e Datenschutzgesetz (DSG), LGBl. 2002 Nr. 55.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2011 / 436
2011 / 435
Landtagssitzungen
19. Mai 2011
Stichwörter
Gewalt­de­likte, Auf­klä­rung der­selden durch com­pu­ter­ge­stützte Zusammenarbeit
Kon­kordat VICLAS
VICLAS-Konkordat