Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung und die Familienzulagen (Einführung eines minimalen und maximalen Kapitals im Bereich der Verwaltungskosten) aufgeworfenen Fragen
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Anlässlich der ersten Lesung des Bericht und Antrags betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung und die Familienzulagen (Einführung eines minimalen und maximalen Kapitals bei den Verwaltungskosten) am 20. Mai 2011 hat der Landtag die darin enthaltenen Regierungsvorlage begrüsst.
Mit der Vorlage wird einer langjährigen Forderung des Landtages nachgekommen. Es wird der Regierung die notwendige Flexibilität gegeben, den Verwaltungskostenbeitragssatz der AHV-IV-FAK-Anstalten bedarfsgerecht den tatsächlichen Gegebenheiten der Verwaltungskosten anzupassen. In der Lesung wurden einige wenige Fragen aufgeworfen. Soweit diese von der zuständigen Regierungsvertreterin im Zuge der ersten Lesung nicht oder nicht abschliessend beantwortet wurden, nimmt die Regierung nachstehend dazu Stellung.
Zuständiges Ressort
Ressort Soziales
Betroffene Amtsstellen und Institutionen
Ressort Finanzen
AHV-IV-FAK-Anstalten
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Vaduz, 23. August 2011
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung und die Familienzulagen (Einführung eines minimalen und maximalen Kapitals im Bereich der Verwaltungskosten), BuA Nr. 51/2011, aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
Anlässlich der Behandlung der Gesetzesvorlage im Landtag wurde die Anpassung des Verwaltungskostensatzes auf einen neuen maximalen Prozentsatz begrüsst. Gleichzeitig wurde aber der Erwartung Ausdruck verliehen, dass die Regierung und die AHV-IV-FAK-Anstalten gemeinsam über Einsparungspotential bei den Verwaltungskosten nachdenken und ein Kostenbewusstsein entwickeln.
Vorauszuschicken ist, dass das Geschäft der AHV-IV-FAK-Anstalten von stetigem Volumenwachstum geprägt ist. Dies schlägt sich auch auf die Verwaltungskosten
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der AHV-IV-FAK-Anstalten nieder. Nicht nur werden durch den Gesetzgeber den AHV-IV-FAK-Anstalten immer neue Aufgaben übertragen, wie beispielsweise seit 1. Januar 2011 das Beitragsinkasso für die Arbeitslosenversicherungskasse, sondern auch die klassischen Aufgaben verzeichnen ein Wachstum. So nimmt die Anzahl von Stammrenten jährlich um ca. 800, das sind ca. 5 % pro Jahr zu. Betriebswirtschaftlich sind die Verwaltungskosten als Ausgaben zu betrachten, weshalb die Gesamt-Verwaltungskosten an den Gesamt-Ausgaben zu bemessen sind. Bei den Gesamt-Ausgaben ("Versicherungsleistungen", ohne Verwaltungskosten) von über CHF 350 Mio. pro Jahr machten die Verwaltungskosten im Jahre 2010 ca. 4.1 % aus. Werte zwischen 3 % und 4 % sind hier auch künftig zu erwarten und durchaus verantwortbar.
Grundsätzliches Einsparungspotenzial besteht nach Ansicht der AHV-IV-FAK-Anstalten, die auch von der Regierung unterstützt wird, in zwei ganz wesentlichen Punkten:
Optimierung der Abläufe bei den AHV-IV-FAK-Anstalten;
Bekenntnis der Politik zu administrierbaren gesetzlichen Lösungen.
Die AHV-IV-FAK-Anstalten arbeiten seit vielen Jahren an einer Optimierung der Abläufe. Es hat allerdings stets eine Abwägung der Vor- und Nachteile einer Massnahme zu erfolgen. Dies wird am besten anhand eines anschaulichen Beispiels verdeutlicht. Gemäss Art. 102 Alters- und Hinterlassenenversicherungsverordnung (AHVV) hat die AHV "periodisch die erforderlichen Lebenskontrollen" vorzunehmen. Bisher wurden diese Lebenskontrollen jährlich vorgenommen. So wurden im Februar 2011 über 12'000 Abklärungsformulare betreffend AHV und IV (FAK nicht mit eingerechnet) "in alle Welt" versandt. Hier liesse sich durchaus Verwaltungsaufwand einsparen, denn die Verarbeitung des Rücklaufs dieser über 12'000 Abklärungen verursacht entsprechenden Aufwand. Die Lebenskontrollen könnten auch alle fünf Jahre durchgeführt werden, was immer noch als "perio-
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disch" interpretiert werden kann. Gerade im Hinblick darauf, dass Altersrentnerinnen und Rentner nach Rentenantritt heute im Unterschied zu früher durchaus eine Lebenserwartung von weiteren 25 Jahren haben können. Allerdings ginge diese Ersparnis bei der Verwaltungskosten-Rechnung auf Kosten der Qualität bzw. letztlich zu Lasten des AHV-Fonds bzw. IV-Fonds. Eine Ausdehnung des erwähnten Rhythmus auf alle fünf Jahre ist derzeit deshalb nicht vorgesehen. Derartige Beispiele gibt es allerdings viele.
Die AHV-IV-FAK-Anstalten hinterfragen daher ständig die Abläufe und verbessern diese. Das "Bekenntnis" zum Grundsatz, dass eine 100%-ige Qualität nicht immer mit vernünftigen Aufwand möglich ist, bedeutet eine "Stil-Änderung": gewisse Qualitätseinbussen werden in Kauf genommen werden müssen. Es ist aber eben, wie anschaulich demonstriert, eine Gratwanderung zu beschreiten.
Das zweite Einsparungspotential, nämlich das Bekenntnis zu administrierbaren gesetzlichen Lösungen, sei ebenfalls an einem Beispiel demonstriert. Wie im Geschäftsbericht 2010 auf Seite 50 ausgeführt, war die Kadenz des Gesetzgebers bei der Einführung zusätzlicher (und zum Teil untypischer) Aufgaben für die AHV-IV-FAK-Anstalten in den letzten Jahren recht hoch: Anschlusskontrolle im Bereich der 2. Säule seit 2008, das Betreuungs- und Pflegegeld seit 2010, Umverteilung der CO2-Abgabe seit Mitte 2010, ALV-Beitragsinkasso ab 2011.
Im Geschäftsbericht 2010 wurde die Umverteilung der CO2-Abgabe dargestellt:
"Bei der Umverteilung der CO2-Abgabe an die Arbeitgeber werden die AHV-IV-FAK-Anstalten mittelfristig in der Lage sein, dieses untypische Geschäft technisch so zu optimieren, dass der Verwaltungsaufwand minimiert werden kann. Die Verwunderung der Kundschaft, wenn sie Gutschriften von wenigen Rappen erhalten, wird sich allerdings nicht vermeiden lassen." Zur Erläuterung: die erstmalige Umverteilung Mitte 2010 in einer Grössenordnung von CHF 0.5 Mio. konnte zwar letztlich erfolgreich vollzogen werden, aber der Verwaltungsaufwand im Hinter
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grund stand in keinem Verhältnis und die dafür eingesetzten Ressourcen belasteten in letzter Konsequenz das eigentliche "Kerngeschäft", nämlich die Ausrichtung von Renten, die doch ein Volumen von mehreren CHF 100 Mio. umfassen. Es liegt allen fern, den Nutzen der CO2-Abgabe zu kritisieren oder den Sinn der Umverteilung dieser Abgabe zu hinterfragen. Wenn jedoch derartige Umverteilungs-Mechanismen eingeführt werden, so löst das eben auch Verwaltungsaufwand aus, der auch entsprechend zu veranschlagen ist.
Zum besseren Verständnis ist weiters auch darzulegen, welche Positionen in der Verwaltungskostenrechnung wichtig sind. Bezogen auf die Verwaltungskostenrechnung 2010 sind die entscheidenden Positionen:
Löhne (inkl. Sozialleistungen),
Miete (inkl. Unterhalt und Reinigung),
EDV.
Diese machen zusammen annähernd 90% des Aufwands aus. Bei den übrigen ca. 10 % könnte keine oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand eine finanziell Einsparung erzielt werden. Bei den entscheidenden annähernd 90 % ist die Entwicklung laufend in Beobachtung.
Positiv festzustellen ist, dass der Personalbestand seit 2006 trotz ständig neuer Aufgaben kaum zugenommen hat. Als Ausgangspunkt für eine längerfristige (rückblickende) Betrachtung bietet sich der Bezug des neuen Verwaltungsgebäudes und der Wechsel vom Ehepaar- zum Individualrentensystem im Jahre 1997 an. Zum damaligen Zeitpunkt waren 39 Personen bei den AHV-IV-FAK-Anstalten beschäftigt (36.3 Vollzeitäquivalent-Stellen, 3 Lernende zu 100% mitgerechnet). Die Zahl der Mitarbeitenden entwickelte sich seit 1997 wie folgt: 39 (Ende 1998), 42 (Ende 1999), 47 (Ende 2000), 54 (Ende 2001), 55 (Ende 2002), 59 (Ende 2003), 62 (Ende 2004), 63 (Ende 2005), 66 (Ende 2006), 65 (Ende 2007), 63 (Ende 2008),
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69 (Ende 2009), 66 (Ende 2010; 61.4 Vollzeitäquivalent-Stellen, 3 Lernende wiederum zu 100% mitgerechnet). Diese Zahlen haben eine leichte (insgesamt vernachlässigbare) Verfälschung, indem im Verlauf der Zeit (u.a. aus Kostengründen) Personalressourcen auch ausgelagert wurden (z.B. Reinigung). Insgesamt aber ist in den letzten Jahren eine gewisse Stabilität eingetreten. Vorausschauend muss man allerdings annehmen, dass die Personalressourcen in den kommenden Jahren angesichts des Volumenwachstums eher wieder leicht erhöht werden müssen.
Personalressourcen haben zudem direkte Auswirkung auf den Mietaufwand. Je mehr Personal benötigt wird, desto eher steigt der Raumbedarf. In diesem Zusammenhang ist wiederum die Entwicklung seit 1997 interessant. Beim Einzug in das neue Verwaltungsgebäude arbeiteten 39 Personen bei den AHV-IV-AK-Anstalten. Ende 2000 wurde die IT ausgelagert (damals 2 Personen, heute 3 Personen). In den letzten 4 Jahren (2006 bis 2010) lag der Personalbestand zwischen 63 und 69 Personen. Die Verwaltung unternimmt alle denkbaren Bemühungen, die zur Verfügung stehenden Büroräumlichkeiten zu optimieren. So wurden ungeachtet von Komfort- und Qualitätseinbussen verschiedene Zweier- und Dreier-Büros zu Mehrpersonen-Büros umgestaltet. Hier sind jedoch die meisten Möglichkeiten mittlerweile ausgeschöpft. In Bezug auf den Mietaufwand ist ausserdem zu berücksichtigen, dass die Verwaltungskostenrechnung (Mieter) früher keinen marktgerechten Mietzins an den AHV-Fonds (Eigentümer, Vermieter) entrichtete. Erst in den jüngsten Jahren wurde der Mietzins in zwei Schritten (2007 und 2009) auf eine marktgerechte Höhe angehoben. Das belastet zwar die Verwaltungskostenrechnung, kommt aber dem AHV-Fonds zu Gute. Die Bezahlung eines gerechten Mietzinses ist unabdingbar, damit der AHV-Fonds nicht auf verdeckte Weise mit Verwaltungskosten belastet wird.
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Hingegen besteht eine negative Korrelation zwischen verbesserter IT (EDV) und den Personalressourcen. Diese Wechselwirkung ist bekannt. Manuelle Arbeiten sind relativ teuer. Wenn diese, wo dies sinnvoll und machbar ist, durch IT-Applikationen abgelöst werden können, so entstehen zunächst hohe Initialkosten. Genau in dieser Phase der hohen Initialkosten befinden sich die AHV-IV-FAK-Anstalten aktuell (vgl. dazu die Verwaltungskostenvoranschläge der letzten Jahre, die auch Ausführungen zum damals schon absehbaren Reservenabbau enthalten). Zwar wurde das hinlänglich bekannte IT-Projekt "VISTA" schon im Jahre 2002 begonnen, kommt aber (nach anfänglichen Schwierigkeiten) erst jetzt in die entscheidende Phase der Realisierung. Selbstverständlich löst eine effiziente IT auch in Zukunft (nicht zu unterschätzende) Unterhaltskosten aus, insgesamt aber führt eine sinnvolle Ablösung manueller Arbeiten durch die IT langfristig zu Kostensenkungen. Die unter anderem eben auch aus der verbesserten IT resultierende Effizienzsteigerung der AHV-IV-FAK-Anstalten ist im Übrigen offensichtlich: Ende 1997 waren 7'500 Stammrenten (Altersrenten, Verwitwetenrenten) im Bestand; der Personalbestand war bei 36.3 Vollzeitäquivalent. Ende 2010 waren 17'850 Stammrenten im Bestand; der Personalbestand war bei 61.4 Vollzeitäquivalent. Der Zuwachs beim "Output" (=Stammrenten) liegt also bei 138%, der Zuwachs bei den Personalressourcen für die Bewältigung des Outputs hingegen liegt bei 69%. Diese Zahlenbeispiele sind natürlich eine sehr starke Vereinfachung, legen aber anschaulich die Entwicklung dar. Die IT-Investitionskosten sind aktuell einer der unter engster Beobachtung stehenden Posten. Die Investitionen in den letzten Jahren waren sehr hoch. Sie erreichen (planmässig) 2010, 2011 und 2012 ihre Spitze und sollten dann wieder langsam sinken.