Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Gesundheitsgesetzes aufgeworfenen Fragen
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In der Landtagssitzung vom 20. September 2012 wurde die Abänderung des Gesundheitsgesetzes (GesG), welche eine ersatzlose Aufhebung des Art. 63 GesG vorsieht in 1. Lesung beraten(Bericht und Antrag Nr. 84/2012).
Die Vorlage fand seitens der Votanten grundsätzliche Zustimmung und es gab auch nur wenige Wortmeldungen, in welchen das Vorgehen der Regierung überdies nicht kritisiert wurde.
Die spezifisch auf die Vorlage ausgerichteten Fragen betrafen die möglichen Varianten, durch welche Liechtenstein in der betroffenen Angelegenheit die EWR-Konformität wiederherstellen kann und wie mit dem einzig verbliebenen Dentisten umgegangen werden soll.
Zuständiges Ressort
Ressort Gesundheit
Betroffene Amtsstellen
Amt für Gesundheit
Stabsstelle EWR
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Vaduz, 23. Oktober 2012
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Gesundheitsgesetzes (Bericht und Antrag Nr. 84/2012) aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
Die Bestimmung des Art. 63 GesG, welche einen Dentisten in Liechtenstein nur im Angestelltenverhältnis bei einem zugelassenen Zahnarzt und unter dessen Aufsicht, Anleitung und Verantwortung tätig werden lässt, stellt einen Verstoss gegen die Niederlassungsfreiheit gemäss Art. 31 EWR-Abkommen (EWRA) dar, den es seitens Liechtenstein zu bereinigen gilt, um ein allfälliges Vertragsverletzungsverfahren vor dem EFTA-Gerichtshof zu vermeiden .
Hinsichtlich der Vorgehensweise zur Wiederherstellung der EWR-Konformität bieten sich Liechtenstein zwei Varianten an:
1. Die Aufhebung des Art. 63 GesG und damit verbunden die Abschaffung des Dentistenberufes.
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2. Die Zulassung des Dentisten als selbständig tätigen Gesundheitsberuf. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Wahl dieser Variante der Beruf des Dentisten reglementiert werden müsste, d.h. klare Regelungen geschaffen werden müssten, was ein Dentist in eigener Verantwortung, ohne Aufsicht, Anleitung und Verantwortung eines zugelassenen Zahnarztes verrichten dürfte und was im Unterschied dazu nach wie vor dem Zahnarzt vorbehalten bleibt.
Wie bereits anlässlich der ersten Lesung im Bericht und Antrag Nr. 84/2012 ausgeführt, hat sich die Regierung für Variante 1 entschieden, um die Konformität zum EWRA wiederherzustellen. Es obliegt der nationalen Autonomie jedes EWR-Mitgliedstaates, zu entscheiden, ob ein Beruf im betreffenden Staat existiert oder nicht. Somit steht es Liechtenstein frei, ob es den Dentistenberuf in Zukunft noch geben soll. Aufgrund der Tatsache, dass der besagte Beruf aussterben wird und für die Gewährleistung der öffentlichen Gesundheitsversorgung nicht notwendig ist, hat sich die Regierung dazu entschlossen, die EWR-Konformität durch die ersatzlose Aufhebung von Art. 63 GesG wiederherzustellen. Wie auch seitens der EFTA Surveillance Authority (ESA) kürzlich bestätigt wurde, ist das gewählte Vorgehen der ersatzlosen Aufhebung von Art. 63 GesG ohne Schaffung einer Übergangsregelung mit EWR-Recht konform und eliminiert die bis anhin vorliegende Vertragsverletzung.
Hinsichtlich des Schicksals des durch diese Vorlage betroffenen einzigen liechtensteinischen Dentisten ist festzuhalten, dass hinsichtlich beider aufgezeigter Vorgehensvarianten die Implementierung einer Übergangsbestimmung in die Überlegungen miteinbezogen wurde, eine solche jedoch an rechtlichen bzw. verwaltungsökonomischen Gründen scheiterte. Konkret wurden zwei Szenarien in Betracht gezogen:
1. Die Übergangsbestimmung könnte derart ausgestaltet werden, dass die betroffene Person ihre Tätigkeit als Dentist weiterhin unter den heutigen Be-
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dingungen (unter Aufsicht, Anleitung und Verantwortung eines zugelassenen Zahnarztes) ausüben könnte. Diese Übergangsbestimmung würde jedoch den EWR-rechtswidrigen Zustand erstrecken, weshalb auch die ESA angekündigt hat, in einem solchen Fall trotz Aufhebung von Art. 63 GesG ein Vertragsverletzungsverfahren beim EFTA-Gerichtshof zu initiieren.
2. Die Übergangsbestimmung würde vorsehen, dass der Betroffene seinen Beruf weiterhin ausüben dürfte, und zwar eigenverantwortlich und somit ohne Aufsicht und Anleitung durch einen zugelassenen Zahnarzt. Diese Variante würde jedoch bedingen, dass der Dentistenberuf abschliessend reglementiert wird. Die gesetzliche Reglementierung des Berufs müsste somit für einen einzelnen Fall erfolgen, es würde sich hierbei um eine Anlassfallgesetzgebung handeln, welche klar abzulehnen ist, zumal der Dentistenberuf in absehbarer Zeit aussterben wird.
Eine Übergangsbestimmung ist daher aus EWR-rechtlichen und verwaltungsökonomischen Gründen nicht opportun.
Der Hohe Landtag hat die Abänderung des Gesundheitsgesetzes am 20. September 2012 einer 1. Lesung unterzogen. Dabei wurde die Vorlage durchwegs positiv aufgenommen, nur wenige Wortmeldungen verzeichnet und das Vorgehen der Regierung nicht kritisiert.
Aus den oben dargelegten Gründen schlägt die Regierung vor, die EWR-Konformität durch die ersatzlose Aufhebung des Art. 63 GesG wiederherzustellen und den Dentistenberuf zum Tage des Inkrafttretens als Gesundheitsberuf zu eliminieren.
Nach Ansicht der Regierung stehen dem gewählten Vorgehen keine gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Bestimmungen entgegen. Der Regierung ist bewusst, dass die ersatzlose Aufhebung von Art. 63 GesG dem einzigen im Land
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tätigen Dentisten die Rechtsgrundlage entzieht, jedoch wird die Anlassfallgesetzgebung von der herrschenden Lehre und Judikatur entschieden abgelehnt, da es sich dabei um die Umgiessung einer individuell konkreten Entscheidung in einen generell abstrakten Rechtsakt handelt.