Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Wertpapierprospektgesetzes (WPPG), des Offenlegungsgesetzes (OffG) und des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG)
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Die Richtlinie 2010/73/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, folgt im Wesentlichen den Grundsätzen der "Besseren Rechtssetzung" und ist Teil einer Vereinfachungsinitiative im Rahmen des Aktionsprogramms der Europäischen Kommission zur Verringerung des Verwaltungsaufwandes innerhalb der Europäischen Union. Sie verfolgt das Ziel, die rechtliche Klarheit und Effizienz der Prospektregelungen zu verbessern und Emittenten und Finanzintermediäre verwaltungstechnisch zu entlasten. Besondere Anliegen sind ferner die Verbesserung des Anlegerschutzes und die Gewährleistung ausreichender und angemessener Informationen auch im Hinblick auf die Bedürfnisse von Kleinanlegern sowie die Anpassung der Rechtssetzungsbefugnisse der EU-Kommission an die Vorgaben des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007.
Die Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU betrifft wie die durch sie abgeänderten Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG das Wertpapierprospektgesetz (WPPG) und das Offenlegungsgesetz (OffG). Die Vorlagen versprechen auch in Liechtenstein eine Effizienzsteigerung bei Wertpapieremissionen, weil die Vorschriften verständlicher sind, die Verwaltungslasten für Emittenten und Finanzintermediäre verringert werden, die Beschäftigten der Emittenten Zugang zu einem kompletten Spektrum von Anlagemöglichkeiten erhalten und Kleinanlegern eine effektivere Analyse der Prospekte und Risiken von Wertpapieren im Vorfeld ihrer Anlageentscheidung erleichtert wird. Zusätzlich zur Richtlinienumsetzung erfolgen einzelne Anpassungen im WPPG, die aufgrund praktischer Erfahrungen im Wertpapierrecht generell als vorteilhaft angesehen werden sowie eine geringfügige Anpassung des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG).
Zuständiges Ressort
Ressort Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein
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Vaduz, 24. Januar 2012
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Wertpapierprospektgesetzes (WPPG), des Offenlegungsgesetzes (OffG) und des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG) an den Landtag zu unterbreiten.
Liechtenstein hat die Richtlinie 2003/71/EG (Prospektrichtlinie) betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, mittels Schaffung des Wertpapierprospektgesetzes (WPPG) und die Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, durch Abänderung des Offenlegungsgesetzes (OffG) sowie der Offenlegungsverordnung (OffV), des Gesetzes über die Banken und Wertpapierfirmen (BankG), des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), des Vermögensverwaltungsgesetzes (VVG), des Investmentunternehmensgesetzes (IUG) und des Finanzmarktauf-
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sichtsgesetzes (FMAG) umgesetzt. Allerdings spielen WPPG und OffG in der täglichen Aufsichtspraxis der FMA derzeit nur eine sehr eingeschränkte Rolle. Jährlich gehen durchschnittlich nur ein bis zwei Gesuche auf Billigung eines Prospektes bei der FMA ein, wobei es sich in aller Regel um geschlossene Fonds handelt. Im Hinblick auf die geplante Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) durch das Gesetz über die Verwaltung von alternativen Investmentfonds (AIFMG) ist mit dessen Anwendung ab Sommer 2013 jedoch davon auszugehen, dass sich die Marktrelevanz zumindest für das WPPG signifikant erhöhen wird. Das AIFMG wird das WPPG für alle alternativen Investmentfonds (AIF) in der Weise ergänzen, dass für den öffentlichen Vertrieb eines AIF ein Prospekt nach dem WPPG vorliegen muss, der zusätzlich die geforderten spezifischen Informationen gemäss AIFM-Richtlinie (AIFMG) enthält.
Die Richtlinie 2010/73/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (ABl. L 327, 11. Dezember 2010, S. 1 ff.), ändert, wie der Titel schon sagt, die beiden vorgenannten Richtlinien ab. Eine Umsetzung dieser Richtlinie ins liechtensteinische Recht ist gemäss Art. 7 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRA) erforderlich. Die Richtlinie befindet sich derzeit noch im Übernahmeverfahren in das EWR-Abkommen. Der Entwurf des Übernahmebeschlusses wurde bereits an die EU-Kommission übermittelt, mit der Beschlussfassung des Gemeinsamen EWR-Ausschusses kann demnächst gerechnet werden. Um eine zeitgemässe Umsetzung zu gewährleisten, soll mit dem Gesetzgebungsverfahren bereits begonnen werden.
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Nach Art. 31 der Prospektrichtlinie war die Europäische Kommission dazu verpflichtet, die Anwendung der Richtlinie fünf Jahre nach Ihrem Inkrafttreten zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzuschlagen. Ausserdem initiierte die EU-Kommission im Januar 2007 das Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU, um den Umfang der Verwaltungskosten aufgrund der EU-Rechtsvorschriften festzustellen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. An der Tagung vom 8. und 9. März 2007 einigte sich der Europäische Rat darauf, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen bis zum Jahr 2012 um 25 % zu senken, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Union zu stärken.
Einige der in der Richtlinie 2003/71/EG vorgesehenen Pflichten wurden von der Kommission anlässlich der vorgenommenen Überprüfung als für Unternehmen mit übermässigem Aufwand verbunden eingestuft. Diesbezüglich erschien eine Lockerung des Prospektregimes in verschiedenen Bereichen angesagt. Gleichzeitig erschien es in Anbetracht der aktuellen Finanzkrise angemessen, bestimmte Vorschriften der Prospektrichtlinie zu überarbeiten, um die Effizienz zu erhöhen und den Anlegerschutz zu verbessern. Im Hinblick auf diese Zielsetzungen und gemäss den Grundsätzen der "Besseren Rechtssetzung" führte die EU-Kommission im Herbst 2009 eine öffentliche Konsultation durch. Die Richtlinie 2010/73/EU ist das Ergebnis eines ausführlichen und kontinuierlichen Dialogs mit allen wichtigen Interessengruppen, einschliesslich Wertpapierregulierungsbehörden, Marktteilnehmern (Emittenten, Finanzintermediären und Anlegern) und Verbrauchern. Sie berücksichtigt in angemessener Weise die Feststellungen und Analysen aus den Berichten des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Wertpapierausschuss CESR, nunmehr Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA) und der Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME).
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Die Richtlinie 2010/73/EU ist darauf ausgerichtet, die Anwendung der Prospektrichtlinie zu vereinfachen und zu verbessern, ihre Wirksamkeit zu steigern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Union zu erhöhen und dadurch zum Abbau von Verwaltungsaufwand beizutragen sowie den Investorenschutz zu verstärken.
Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Abänderungen:
Lockerung der Angabepflichten für bestimmte Arten von Wertpapieremissionen (kleine Unternehmen, kleine Kreditinstitute, Bezugsrechteemissionen und staatliche Garantiegeber);
Verbesserung von Format und Inhalt der Prospektzusammenfassung (Schlüsselinformationen);
Präzisere Fassung der Ausnahmen von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts bei Verkauf durch Unternehmen über Finanzintermediäre ("retail cascade") sowie bei Belegschaftsaktienprogrammen;
Aufhebung von Angabepflichten, die sich derzeit mit der Transparenzrichtlinie (Offenlegungsgesetz) überschneiden;
Anpassung der Definition des Begriffs "qualifizierte Anleger" an die Definition des Begriffs "professionelle Kunden" in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID);
Anpassung verschiedenster Schwellenwerte;
Konsumentenschutz (harmonisierte Frist für Widerrufsrecht der Investoren).
Die EU-Mitgliedstaaten haben die Richtlinie bis zum 1. Juli 2012 umzusetzen und deren Bestimmungen ab diesem Zeitpunkt nachzukommen.