Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung zur Abänderung des Wertpapierprospektgesetzes, des Offenlegungsgesetzes und des Vermögensverwaltungsgesetzes (BuA Nr. 2/2012) aufgeworfenen Fragen
1
Vaduz, 27. März 2012
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Wertpapierprospektgesetzes (WPPG) (BuA Nr. 2/2012) aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
Der Landtag begrüsste die Gesetzesvorlage und sprach sich einheitlich für das Eintreten aus. Einerseits gilt es mit der Gesetzesvorlage EWR-Recht umzusetzen: Richtlinie 2010/73/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind. Andererseits dient die Gesetzesvorlage einer Effizienzsteigerung bei Wertpapieremissionen: es werden die Verwaltungslasten für Emittenten und Finanzintermediäre abgebaut, die Vorschriften verständlicher gefasst, der Investorenschutz verbessert und KMUs gefördert. Da insbesondere nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMG) ab dem Jahr 2013 mit einer signifikanten Steigerung der Marktrelevanz dieses Gesetzes zu rechnen ist, dient die Vorlage insgesamt der Förderung des öffentlichen Vertriebs von Investmentfonds in Liechtenstein, welcher an das Vorliegen eines Prospektes gebunden ist.
Zu den einzelnen Artikeln der Gesetzesvorlage wurden folgende Fragen gestellt:
2
Zu Art. 5 Abs. 1 Bst. d
Im Sinne der im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens vom Liechtensteinischen Ban-kenverband am 18. November 2011 abgegebenen schriftlichen Stellungnahme wird von einem Abgeordneten ausgeführt, dass bei diesen Bestimmungen der gleiche Wortlaut wie in der Richtlinie verwendet werden solle. In der Praxis würden Produkte (z.B. Zertifikate) im Rahmen eines Gesamtemissionsvolumens aufgelegt und laufend emittiert. Würden solche Produkte im Rahmen eines Gesamtvolumens gemäss bisherigem Recht mit einer Mindeststückelung oder in einem Mindestwert von 50`000 Euro ausgegeben, wäre eine Ausnahme von der Prospektpflicht ebenfalls gerechtfertigt. Zumindest solle aber für solche Emissionen eine angemessene Übergangsfrist gelten.
Die Regierung verweist hinsichtlich dieses Vorbringens auf die Ausführungen auf Seite 20, letzter Absatz und Seite 21, erster Absatz, BuA Nr. 2/2012. Ergänzend wird klargestellt, dass sich die Stellungnahme des Liechtensteinischen Bankenverbandes auf die Vorschriften in Art. 3 Abs. 2 Bst. c und d der Richtlinie 2003/71/EG (abgeändert durch Richtlinie 2010/73/EU) bezieht, welche in der Gesetzesvorlage in Art. 5 Abs. 1 Bst. d umgesetzt sind. Ein Zusammenzug der beiden Bestimmungen (Bst. c und d) hat bereits im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG stattgefunden und ist geltendes Recht. Neu haben sich nur die Beträge für die Mindeststückelung der Wertpapiere und die minimale Bezahlung pro Anleger jeweils von 50'000 Euro auf 100'000 Euro erhöht. Diese Verdoppelung ist als Reaktion auf das geänderte Investitionsverhalten von Kleinanlegern zu verstehen. Eine Rückfrage beim Liechtensteinischen Bankenverband ergab, dass es zu vermeiden gelte, dass aufgrund der Neuregelung laufende Emissionen allenfalls unter eine Prospektpflicht fallen könnten. Die Regierung vermag dieses Risiko nicht zu erkennen, da sich der Schwellenwert, ab dem sich eine Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts ergibt, erhöht, sodass auch laufende Emissionen bis zum Schwellenwert von noch 50'000 jedenfalls von der Ausnahmeregelung profitieren. Jede andere Auslegung erschiene unlogisch, nachdem neu auch Angebote von Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von 100`000 Euro und mit einer minimalen Bezahlung pro Anleger von 100'000 Euro von der Bestimmung erfasst sind. Die Regierung verweist jedoch darauf, dass die betragsmässige Anpassung auch Abänderungen in Art. 7 Abs. 1 Bst. b und Art. 10 Abs. 3 Offenlegungsgesetz (OffG) nach sich ziehen. Diese Bestimmungen sehen ebenfalls die Erhöhung der Schwellenwerte vor, welche bestimmte Pflichten oder Rechte auslösen. Dabei wurden entsprechende Bestandsschutzklauseln unter Berücksichtigung der Restlaufzeit bestehender Schuldtitel mit einer Mindeststückelung von 50'000 Euro aufgenommen. Damit ist aus Sicht der Regierung den Bedenken des Liechtensteinischen Bankenverbandes betreffend eine entsprechende Übergangsregelung ohne weitere Abänderung der Gesetzesvorlagen Rechnung getragen und eine richtlinienkonforme Umsetzung sichergestellt.
Zu Art. 43 Abs. 1 Einleitungssatz
Ein Abgeordneter bemängelte die Ausführungen der Regierung zu dieser Abänderung auf Seite 32, letzter Absatz, BuA Nr. 2/2012, dahingehend, dass eine Verdoppelung des bisherigen Bussensatzes nicht nur auf den Vergleich mit dem europäischen Durchschnitt, sondern insbesondere auf den Vergleich mit anderen liechtensteinischen Finanzmarktgesetzen abgestellt werden solle. Es gelte diesbezüglich ein möglichst einheitliches Bussensys--
3
tem zu erstellen. Es solle auch abgeklärt werden, ob hinsichtlich der Bussenregelungen eine interne Richtlinie der FMA vorliege.
Die Regierung hält ergänzend zu den Ausführungen auf Seite 31, letzter Absatz, BuA Nr. 2/2012 fest, dass derselbe Bussenrahmen im UCITSG besteht und im derzeit in Vernehmlassung befindlichen AIFMG vorgesehen ist. Es handelt sich jeweils um eine "bis zu" Bestimmung, in deren Rahmen der FMA unter Abwägung aller Umstände ein Ermessenspielraum zukommt. Da das WPPG in engem Zusammenhang mit diesen Gesetzen zu sehen ist, erscheint gerade hier eine Vereinheitlichung sinnvoll. Künftig kann davon ausgegangen werden, dass auch bei weiteren Finanzmarktgesetzen Anpassungen erfolgen werden, da insbesondere die Praxis gezeigt hat, wie wesentlich es ist, dass Sanktionen wirksam, verhältnismässig und auch abschreckend sind. Der vorliegende Bussenrahmen erfüllt all diese Kriterien.
Nach Anfrage bei der FMA teilt die Regierung noch mit, dass die FMA intern derzeit über keine Richtlinien zu Sanktionen verfügt. In einem Anlassfall würden von der FMA jedenfalls alle Umstände im Detail geprüft, um eine angemessene, beschwerderesistente Busse zu erlassen. Es wird jedoch durchaus als sinnvoll angesehen, künftig unter Berücksichtigung der bis dahin verfügten Bussen und einer allenfalls vorliegenden Entscheidungspraxis der Beschwerdekommission eine allgemeine Richtlinie zu Sanktionen innerhalb der FMA zu erstellen.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet die Regierung dem Landtag den
Antrag,
der Hohe Landtag wolle diese Stellungnahme in Briefform zur Kenntnis nehmen und die Gesetzesvorlagen gemäss BuA Nr. 2/2012 nochmals in Behandlung ziehen und verabschieden.
Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung.
Regierung des
Fürstentums Liechtenstein
Dr. Klaus Tschütscher
Regierungschef