Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches sowie weiterer Gesetze
(Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr)
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Der gegenständliche Bericht und Antrag hat schwerpunktmässig die Umsetzung der EWR-Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in das liechtensteinische Recht zum Gegenstand.
Das Ziel der Richtlinie 2011/7/EU ist es, das Instrumentarium zur Bekämpfung von Zahlungsverzug auszubauen und hierdurch einen "durchgreifenden Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung" zu fördern bzw. zu erreichen.
Neben einer pauschalen Entschädigung für Betreibungskosten und Höchstgrenzen für vertragliche Vereinbarungen über die Zahlungsfrist bei Unternehmern und öffentlichen Stellen ist beispielsweise auch eine zeitliche Beschränkung der zulässigen Dauer von Abnahme- und Überprüfungsverfahren vorgesehen. Weiters wurden die bestehenden Regelungen über grob nachteilige Vertragsklauseln erweitert. Schliesslich wurde auch der Verzugszinssatz gegenüber der Vorgängerrichtlinie 2000/35/EG um einen Prozentpunkt auf 8% erhöht.
Die Umsetzung der gegenständlichen Richtlinie erfolgt schwerpunktmässig im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), dem Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB), dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen (ÖAWG) und dem Gesetz über das Öffentliche Auftragswesen im Bereich der Sektoren (ÖAWSG).
Weiters soll aus aktuellem Anlass die notwendige Anpassung des ABGB genutzt werden, um Fragen betreffend die "Geldschuld" umfassend zu behandeln und diesen Bereich einer notwendigen Modernisierung zuzuführen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Stellen
Amt für Volkswirtschaft, Fachstelle Öffentliches Auftragswesen
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Vaduz, 22. Oktober 2013
RA 2013/865
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches und des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches sowie weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
1 ersetzt die zuvor in Geltung befindliche, namensgleiche Richtlinie 2000/35/EG.
Schon die frühere Zahlungsverzugsrichtlinie 2000/35/EG hatte zum Ziel, den Belastungen, die Unternehmen durch übermässig lange Zahlungsfristen und durch Zahlungsverzögerungen entstehen, durch abschreckende Rechtsfolgen bei Zahlungsverzug entgegenzuwirken. Im Besonderen lag der Fokus der alten Richtlinie
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auf kleinen und mittleren Unternehmen, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Unterlegenheit im Verhältnis zu Grossunternehmen oder auch im Verhältnis zur öffentlichen Hand häufig mit einer sehr nachteiligen Vertragsgestaltung sowie mit Zahlungsverzögerungen konfrontiert waren.
So wie ihre aktuelle Nachfolgerin galt auch die frühere Zahlungsverzugsrichtlinie nur für Geldforderungen im Geschäftsverkehr über die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen.
Sie wurde in Liechtenstein im Jahre 2004 umgesetzt
2, wobei hierfür Abänderungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB)
3, des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches (ADHGB)
4, des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG)
5 sowie die Aufhebung des aus dem Jahre 1921 stammenden Zins- und Wuchergesetzes
6 notwendig waren.
Bereits bei der Umsetzung der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie hatte sich der liechtensteinische Gesetzgeber in weiten Teilen an die in Österreich gewählte Umsetzungsvariante angelehnt, weshalb sich diese Vorgehensweise zumindest schwerpunktmässig auch im Rahmen des gegenständlichen Gesetzgebungsprojekts anbietet.
Konkret wurden bei der Umsetzung der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie im ABGB ein neuer § 1000 mit Regelungen über Zinsen und Zinseszinsen eingefügt und die §§ 1333 bis 1335 ABGB (mit Regelungen über die Verzögerung der Zahlung und deren Folgen) neu gefasst. Die Änderung des damaligen Handelsgesetz-
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buchs beschränkte sich auf einen Verweis auf die geänderten Bestimmungen über die Zinsen im ABGB.
Hauptanliegen der Neufassung der Zahlungsverzugsrichtlinie ist, die Instrumentarien zur Bekämpfung von Zahlungsverzug weiter auszubauen. Erwägungsgrund 12 der Richtlinie spricht von einem "durchgreifenden Wandel hin zu einer Kultur der unverzüglichen Zahlung". Die neue Richtlinie 2011/7/EU enthält Vorgaben, welche tendenziell die Position des schwächeren Geschäftspartners, also meist kleinerer und mittlerer Unternehmen, stärkt und versteht sich daher als Teil des von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom 25. Juni 2008 vorgestellten "Small Business Act"
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Konkret werden gegenüber der Vorgängerrichtlinie die Rechtsfolgen für Zahlungsverzug insbesondere durch folgende Massnahmen verschärft:
Pauschale Entschädigung für Betreibungskosten;
Höchstgrenzen für vertragliche Vereinbarungen über die Zahlungsfrist;
zeitliche Beschränkung der zulässigen Dauer von Abnahme- und Überprüfungsverfahren;
Ausweitung der Regelungen über grob nachteilige Vertragsklauseln;
Erhöhung des Verzugszinssatzes gegenüber der Vorgängerrichtlinie um einen Prozentpunkt;
Weiters soll für unbestrittene Forderungen in der Regel innerhalb von 90 Kalendertagen ein vollstreckbarer Titel erwirkt werden können.
Wie ihre Vorgängerin gilt die neue Zahlungsverzugsrichtlinie nur für vertragliche Verhältnisse zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentli-
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chen Stellen über die entgeltliche Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen. Rechtsverhältnisse zwischen Nichtunternehmern oder zwischen Unternehmern und Verbrauchern fallen demnach nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/7/EU.
Die Richtlinie 2011/7/EU sieht lediglich eine Mindestharmonisierung vor, sodass die Mitgliedstaaten Vorschriften beibehalten oder erlassen können, die für den Gläubiger günstiger sind als die Regelungen der Richtlinie.
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1 | EWR-Rechtssammlung: Anh. XII - 2.01. Im Folgenden wird, wenn nicht ausdrücklich anderweitig bezeichnet, auf die gegenständliche Richtlinie als "die Richtlinie" oder "Zahlungsverzugsrichtlinie" Bezug genommen. |
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2 | Siehe hierzu LGBl. 2004 Nr. 138 bis 140. |
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3 | LGBl. 1967 Nr. 34. |
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4 | LGBl. 1997 Nr. 193. |
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5 | LGBl. 1992 Nr. 121. |
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6 | LGBl. 1921 Nr. 24. |
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7 | Vergleiche hierzu Erwägungsgrund 6 der Richtlinie. |
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