Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Vermittlerämter sowie die Abänderung weiterer Gesetze
4
5
Das Gesetz über die Vermittlerämter stammt aus dem Jahr 1915 und regelt im Wesentlichen, dass jede Gemeinde einen Vermittleramtskreis bildet, dessen Kernaufgaben in der Durchführung von Vermittlungsverhandlungen in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 8 VAG sowie von Sühneverfahren in Ehrenbeleidigungssachen nach den §§ 31ff VAG bestehen. Des Weiteren sind die Vermittler gemäss Art. 81 Abs. 2 und 4 Rechtssicherungs-Ordnung für die Durchführung von öffentlichen Beurkundungen und amtlichen Unterschriftsbeglaubigungen zuständig. Die Vermittler haben während knapp hundert Jahren sehr viel gute und wichtige Arbeit in den Gemeinden erbracht und einen grossen Beitrag zum Rechtsfrieden für die Gemeinden und das Land geleistet. Es unterliegt der allgemeinen Entwicklung der Zeit, dass das Vermittleramt in der Gesellschaft in jüngster Vergangenheit nicht mehr denselben Stellenwert wie früher hat und das Gesetz über die Vermittlerämter aus mehreren Gründen revisionsbedürftig ist. Während sich die Rekrutierung geeigneter Kandidaten für ein Vermittleramt in der Praxis immer schwieriger gestaltet, wird das Landgericht aufgrund der Komplexität und Vielfalt von zu behandelnder Tat- und Rechtsfragen durch die Tätigkeit der Vermittler zunehmend weniger entlastet. Insoweit verkommt das Vermittleramt immer mehr zu einer Art Durchlaufstelle.
Die Regierung hat in ihrem Vernehmlassungsbericht vom 18. Februar 2014 vorgeschlagen, am Institut der Vermittler festzuhalten und den Stellenwert des Vermittleramtes durch bestimmte Massnahmen zu erhöhen.
So sollten, um den Bestellungsprozess der Vermittleramtskandidaten zu optimieren, anstelle der bisherigen elf künftig nurmehr zwei Vermittlerämter (Ober- und Unterland) in Liechtenstein bestehen. Die Oberaufsicht über die zu Vermittleramtskreisen zusammengefassten Gemeinden sollte den Gemeinden übertragen werden.
Des Weiteren war vorgesehen, dass die bisher von den Vermittlern vorgenommenen Beglaubigungen (Unterschriftsbeglaubigungen) und öffentlichen Beurkundungen künftig von den Gemeinden selbst erledigt werden.
Um die ursprünglich gewollte Entlastung des Landgerichtes durch die Tätigkeit der Vermittler wiederherzustellen, sollten die Vermittler und deren Stellvertreter
6
künftig über eine juristische Ausbildung verfügen. Um allfälligen haftungsrechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Zustellung von Ladungen in das Ausland vorzubeugen, war in Zukunft nurmehr dann eine Pflicht zur Vermittlung vorgesehen, wenn beide Parteien ihren Sitz oder Wohnsitz im Inland haben.
Wie im schweizerischen Schlichtungsverfahren sollten die Parteien bei einem Streitwert von mindestens 100 000 Franken jedoch gemeinsam auf die Durchführung der Vermittlung verzichten können. Der Stellenwert des Vermittleramtes sollte insbesondere dadurch erhöht werden, dass der Vermittler bei einem Streitwert bis zu 2000 Franken auf entsprechenden Antrag des Klägers eine endgültige Entscheidung treffen hätte können. Des Weiteren sollte bis zu einem Streitwert bis zu 5000 Franken die Möglichkeit der Unterbreitung eines Entscheidungsvorschlags bestehen.
Im Sinne des grundrechtlichen Schutzes des Rechts zur Beschwerdeführung wurde die Möglichkeit der Anfechtung der Entscheidungen der Vermittler durch ein Rechtsmittel an den Vorsitzenden des Verwaltungsgerichtshofes angestrebt.
Die Stellungnahmen, welche im Rahmen der Vernehmlassung bei der Regierung eingelangt sind, haben ein mehrheitlich einheitliches Bild dahingehend ergeben, dass das Institut der Vermittlerämter als nicht mehr zeitgemäss erachtet wird. Die vorgeschlagenen Änderungen der Regierung tragen nach Ansicht der Vernehmlassungsteilnehmer nicht zu einer Erhöhung des Stellenwerts des Vermittleramtes bei. So haben sich mehrere Vernehmlassungsteilnehmer begründet für die Abschaffung des Instituts der Vermittlerämter und somit für die vollständige Aufhebung des Vermittleramtsgesetzes ausgesprochen. Sowohl die Gemeinden als auch das Fürstliche Landgericht und der Fürstliche Oberste Gerichtshof - somit die erste und letzte Instanz in Zivil- und Strafsachen [und daher Hauptbetroffene im Bereich der Rechtsprechung] - haben sich begründet gegen die Beibehaltung der Vermittlerämter ausgesprochen. Die Regierung folgt nach eingehender Prüfung dem Anliegen der Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmer und spricht sich somit im gegenständlichen Bericht ebenfalls für die Aufhebung des Instituts der Vermittlerämter aus.
Die Notwendigkeit der Abänderung der weiteren Gesetze ergibt sich aufgrund der vollständigen Aufhebung des Vermittleramtsgesetzes.
7
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene stellen
Landgericht
Gemeinden
Vermittlerämter
8
Vaduz, 1. Juli 2014
RA 2014-909
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Vermittlerämter sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Einleitend wird festgehalten, dass die Vermittler während knapp hundert Jahren sehr gute und wichtige Arbeit in den liechtensteinischen Gemeinden erbracht und auch einen grossen Beitrag zum Rechtsfrieden im Land geleistet haben. Das Vermittleramt wurde ursprünglich geschaffen, um den streitenden Parteien vor Anrufung des Gerichts eine innerhalb der Gemeinde erzielte Einigung unter Vermittlung einer dazu befähigten Person zu ermöglichen. Den Streitparteien sollte der Gerichtsgang erspart werden, was zu einer Entlastung der Gerichte führen sollte. Dass das Vermittleramt in jüngster Vergangenheit allenfalls nicht mehr denselben Stellenwert wie früher hat, ist nicht durch die Vermittler verschuldet, sondern ist vermutlich eine Entwicklung der Zeit.
9
Die Vermittlung ist nach geltender Rechtslage - von Ausnahmen abgesehen - absolute Prozessvoraussetzung und muss grundsätzlich vor Einreichung einer Klage zwingend abgehalten werden, um einen Rechtsstreit beim Landgericht einleiten zu können. Wird die notwendige Vermittlung unterlassen, so hat das Landgericht (und auch jede weitere Instanz) die Klage von sich aus oder auf Antrag des Prozessgegners zurückzuweisen. Des Weiteren sind mit dem Ansuchen um Durchführung einer Vermittlung wichtige Nebenfolgen verbunden wie etwa die Bewirkung der Gerichts- und Streitanhängigkeit oder die verjährungsunterbrechende Wirkung. Im Rahmen einer Vermittlungsverhandlung kann der Vermittler den von den Parteien getroffenen Vergleich oder auch das Anerkenntnis beurkunden und dadurch einen dem richterlichen Vergleich oder dem Richter geäusserten Anerkenntnis gleichgestellten Exekutionstitel schaffen. Aus dem Gesagten haben sich nach Ansicht der Regierung die Wichtigkeit und die Relevanz der Vermittlung und des Vermittleramtes in der Praxis ergeben.