Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2015 / 109
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass / Not­wen­dig­keit der Vor­lage / Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.Gesetz über die betrieb­liche Personalvorsorge
2.Gesetz über die Invalidenversicherung
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend  die Abänderung des Gesetzes über die betriebliche  Personalvorsorge sowie des Gesetzes über die  Invalidenversicherung
 
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Das Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG)1 vom 20. Oktober 1987 ist auf den 1. Januar 1989 in Kraft getreten. Das BPVG sowie die ausführende Verordnung (BPVV)2 regeln die betriebliche Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge und legen eine minimale betriebliche Vorsorge fest. Als obligatorische 2. Säule kommt dem BPVG im Rahmen des Drei-Säulen-Konzepts für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge die Aufgabe zu, zusammen mit den Leistungen der AHV/IV (1. Säule) den Betagten, Hinterlassenen und Invaliden letztlich ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen.
Die Gesetzgebung über die betriebliche Personalvorsorge ist übersichtlich in einem Gesetz und einer Verordnung mit wenigen Bestimmungen reglementiert. Sie ist für die Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungsgesellschaften relativ einfach zu administrieren, bietet den Sozialpartnern (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) grösstmögliche Flexibilität in der Ausgestaltung ihrer betrieblichen Vorsorge und gibt nur die Mindestbestimmungen vor. Die Gesetzgebung hat sich weitestgehend bewährt. Das BPVG wird auch von Schweizer Experten als sehr gute Grundlage für die 2. Säule bezeichnet.
Jedoch zeigt auch die demografische Entwicklung Liechtensteins die Tendenz zu einer alternden Bevölkerung. Hierdurch verändert sich die Alterspyramide; der Anteil an älteren Menschen nimmt im Verhältnis zur Anzahl der jüngeren Bevölkerung zu. Dieser Faktor wirkt sich auch in der 2. Säule aus, auch wenn diese im Vergleich zur 1. Säule weniger stark auf die demografische Entwicklung reagiert. Die 2. Säule wird jedoch massgeblich von der Lebenserwartung beeinflusst. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung reicht das Alterskapital immer weniger für die Finanzierung des dritten (gesundes Rentenalter) und vierten Lebensabschnitts (Phase der Pflegebedürftigkeit). Die verlängerte Rentenbezugsdauer hat entsprechend in der 2. Säule bedeutende Folgen. Ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist die Entwicklung auf den Finanzmärkten und damit der Kapitalerträge (dritter Beitragszahler). Die tiefen Zinssätze sowie die steigende Lebenserwartung werden das finanzielle Gleichgewicht in der 2. Säule beeinträchtigen. Problema-
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tisch ist die Situation, wenn für die Finanzierung der laufenden Renten die auf den Kapitalmärkten erzielten Renditen der aktiven Versicherten verwendet werden müssen.
Während der umlagefinanzierten 1. Säule insbesondere die demografische Entwicklung zu schaffen macht, leidet die 2. Säule unter der anhaltenden ungenügenden Kapitalmarktrendite. Die Verlängerung der Lebenserwartung sowie der Ausfall des dritten Beitragszahlers führen denn auch dazu, dass die liechtensteinischen Vorsorgeeinrichtungen vermehrt den Rentenumwandlungssatz unter Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen flankierenden Massnahmen anpassen.
Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der demografischen Entwicklung, der Praxiserfahrung sowie dem Erfordernis der Gleichwertigkeit der gesetzlichen Bestimmungen über die berufliche Vorsorge in Liechtenstein und der Schweiz ist nunmehr, über 25 Jahre nach dessen Inkrafttreten, eine umfassendere Revision des BPVG angezeigt.
Ziel dieser Vorlage ist in erster Linie, die Leistungen aus der 2. Säule zu sichern und das Leistungsniveau zu erhöhen. Entsprechend sind die Sparguthaben der Versicherten zu erhöhen. Die Erhöhung soll mit den folgenden Massnahmen er-reicht werden:
• Obligatorisch in der betrieblichen Vorsorge versichert ist derzeit nur, wer einen massgebenden Jahreslohn von mindestens CHF 20 880 erreicht. Mit der vorliegenden Revision soll diese Schwelle auf CHF 13 920 gesenkt werden. Von Bedeutung ist diese Massnahme für Personen in Teilzeitbeschäftigungen sowie für Personen mit mehreren Arbeitgebern, die bei jedem ihrer Arbeitgeber dieses die Versicherungspflicht auslösende Einkommen erzielen müssen.
• Der Freibetrag, d.h. jener Teil des Lohnes, welcher gemäss BPVG nicht zu versichern ist, wird abgeschafft. Diese Massnahme erhöht den versicherten Lohn und verbessert insbesondere die betriebliche Vorsorge von in Teilzeit tätigen Arbeitnehmern und von Personen mit mehreren Arbeitgebern.
• Die Altersgutschriften sollen von 6% auf 8% für jeden einzelnen Arbeitnehmer erhöht werden.
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• Der Beginn des Sparprozesses soll vorverlegt werden, so dass die obligatorische Versicherung für das Alter am 1. Januar nach Vollendung des 19. Altersjahres einsetzt (bisher: 1. Januar nach Vollendung des 23. Altersjahres).
Weitere Revisionspunkte umfassen die Spezifizierung der Aufgaben des Stiftungs-rats, die Anforderungen betreffend persönliche Integrität und fachliche Qualifikation der Verantwortlichen der Vorsorgeeinrichtung sowie die Implementierung einer Bindungswirkung von Entscheiden der Liechtensteinischen Invalidenversicherung für die Vorsorgeeinrichtungen.
Die vorgeschlagenen Massnahmen stärken die bewährte Struktur des bestehen-den Drei-Säulen-Systems.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Stellen
Ministerium für Gesellschaft
Finanzmarktaufsicht (FMA)
AHV-IV-FAK-Anstalten
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Vaduz, 29. September 2015
LNR 2015-942
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über die betriebliche Personalvorsorge sowie des Gesetzes über die Invalidenversicherung an den Landtag zu unterbreiten.



 
1LGBl. 1988 Nr. 12.
 
2LGBl. 2005 Nr. 288.
 
1.1Allgemeines
Die betriebliche Personalvorsorge bildet die 2. Säule des liechtensteinischen Drei-Säulen-Systems und soll zusammen mit der 1. Säule, der staatlichen Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie der Invalidenversicherung (AHV/IV), ein angemessenes Einkommen für die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung im Alter, im Invaliditätsfall sowie im Todesfall für die Hinterlassenen gewährleisten. Wie die 1. so ist auch die 2. Säule grundsätzlich als obligatorische Versicherung ausgestaltet. Als 3. Säule kommt ergänzend die freiwillige, individuelle Vorsorge des Einzelnen hinzu, welche allfällige Vorsorgelücken schliessen soll.
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Die Anfänge der liechtensteinischen betrieblichen Vorsorge gehen zurück ins Jahr 1973, als ins Arbeitsrecht Bestimmungen bezüglich einer sogenannten Personal-fürsorge aufgenommen wurden. Die betriebliche Personalvorsorge war damals im Gegensatz zu heute noch freiwillig und konnte nur bei dementsprechendem Willen des Arbeitgebers erfolgen. 1974 gehörten bereits über 40% aller unselbständig Erwerbstätigen einer betrieblichen Vorsorgeeinrichtung an und bis 1984 lag der Versicherungsgrad bei 60%.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG) im Jahr 1989 wurde die Verpflichtung der Arbeitgeber, für ihre Arbeitnehmer die betriebliche Personalvorsorge zu verwirklichen, eingeführt. Im BPVG sowie in der dazugehörenden Verordnung (BPVV) werden - im Unterschied zur Schweiz, wo die 2. Säule zusammen mit der 1. Säule die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung sicherstellen soll - nur die Minimalvorschriften zur obligatorischen betrieblichen Personalvorsorge für die Risiken Alter, Invalidität und Tod festgelegt. Auch wenn die liechtensteinische Gesetzgebung viel schlanker ausgestaltet ist, lehnt sie sich eng an diejenige der Schweiz an.
Seit seiner Einführung im Jahr 1989 erfuhr das BPVG mehrere Anpassungen, welche unter anderem auch aufgrund des EWR-Beitritts notwendig wurden. Ins Gesetz aufgenommen wurden beispielsweise die Gleichstellung von Mann und Frau, die Frühpensionierung, die Aufteilung der Anwartschaften bei Ehescheidung, Bestimmungen zur Rechnungslegung sowie zur Anlage. Ausserdem wurde die Risikoversicherung für Arbeitslose eingeführt.
Nach über 15-jährigem Bestehen des BPVG wurde im Jahr 2005 eine umfangreiche Teilrevision durchgeführt. Ziele dieser Revision waren in erster Linie die Stärkung der Versicherteninteressen durch Einführung von Informations- und Transparenzvorschriften, die Implementierung von weiteren Rechnungslegungsvor-schriften sowie die Stärkung der paritätischen Verwaltung. Als grosse Neuerung
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wurde 2005 die Schaffung eines Sicherheitsfonds beschlossen. Aufgrund der Kleinheit des liechtensteinischen Vorsorgemarktes wurde ein Anschluss an die schweizerische Stiftung Sicherheitsfonds BVG geprüft und gutgeheissen. Nach entsprechenden Verhandlungen mit der Schweiz wurde am 19. Dezember 2006 die Vereinbarung zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Wahrnehmung der Aufgaben des liechtensteinischen Sicherheitsfonds3 abgeschlossen, welche ab 1. Januar 2007 vorläufig angewendet wurde und am 24. April 2009 formell in Kraft getreten ist. Der Anschluss Liechtensteins an die schweizerische Stiftung Sicherheitsfonds BVG war vor allem aufgrund der bestehenden Gleichwertigkeit der gesetzlichen Bestimmungen und der Systeme der betrieblichen Personalvorsorge möglich.
Im Jahr 2010 hat das Schweizer Parlament die Strukturreform der beruflichen Vorsorge beschlossen und im darauf folgenden Jahr die entsprechenden Umsetzungsverordnungen verabschiedet. Ziel der Reform war es, Transparenz und Governance bei der Führung und Vermögensverwaltung von Vorsorgeeinrichtungen zu stärken. Aufgrund der beizubehaltenden Gleichwertigkeit mit der Schweiz hat Liechtenstein die Strukturreform aufmerksam verfolgt und beabsichtigt, im Rahmen der vorliegenden Revision die notwendigen Änderungen mass-voll nachzuvollziehen.
Die schweizerische Reform der Altersvorsorge (Altersvorsorge 2020) wurde im November 2014 vom Schweizerischen Bundesrat an das Schweizer Parlament überwiesen. Ziel der Reform ist die Sicherung des Leistungsniveaus der Altersvor-sorge. Erreicht werden soll ausserdem die ausreichende Finanzierung von AHV und beruflicher Vorsorge sowie die Ermöglichung eines flexibleren Übergangs in
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den Ruhestand. Die bundesrätlichen Vorschläge zur Altersvorsorge 2020 wurden im Rahmen der vorliegenden Revision des BPVG stellenweise herangezogen.



 
3LGBl. 2007 Nr. 353.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2016 / 236
2016 / 235
Landtagssitzungen
04. Dezember 2015
Stichwörter
Alter­gut­schriften, Erhö­hung der Ver­zin­sung in der betrieb­li­chen Personalvorsorge
BPVG (G über die betrieb­liche Per­so­nal­vor­sorge), Abän­de­rung (Abschaf­fung Freibetrag)
BPVG (G über die betrieb­liche Per­so­nal­vor­sorge), Abän­de­rung (Sen­kung des mass­ge­benden Jahreslohnes)
Frei­be­trag in der betrieb­li­chen Per­so­nal­vor­sorge, Abschaffung
G über die betrieb­liche Per­so­nal­vor­sorge (BOVG), Abän­de­rung (Sen­kung des mass­ge­benden Jahreslohnes)
G über die betrieb­liche Per­so­nal­vor­sorge (BPVG), Abän­de­rung (Abschaf­fung Freibetrag)
Jah­res­lohn in der betrieb­li­chen Per­so­nal­vor­sorge, Senkung
Per­so­nal­vor­sorge betrieb­liche, Sen­kung des mass­ge­benden Jah­res­lohnes und Abschaf­fung des Freibetrages