Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Richterdienstgesetzes und des Gerichtsorganisationsgesetzes (Vornahme struktureller Anpassungen bei den ordentlichen Gerichten)
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Die Regierung plant verschiedene Reorganisationsprojekte im Bereich der Justizverwaltung durchzuführen. Ziel davon ist es, durch ein schrittweises Ergreifen von Verbesserungsmassnahmen für die Zukunft ein noch effizienteres, gut funktionierendes und qualitativ hochstehendes Gerichtswesen zu gewährleisten.
Bei Umsetzung ihrer Reformvorhaben hat die Regierung festgestellt, dass - trotz der bereits auf den 1. Januar 2015 hin vorgenommenen Umstrukturierung - noch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Organisationsstruktur des Kriminalgerichts besteht. Konkret soll für den Vorsitzenden dieses Gerichts künftig nurmehr ein Stellvertreter bestellt sein. Die Institution des nebenamtlichen Richters als weiteren, zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden kann abgeschafft werden, da sie im Vergleich zu den anderen Gerichtsstrukturen in Liechtenstein eine systemwidrige Besonderheit darstellt und die Geschäftsfälle des Kriminalgerichts im Rahmen der Geschäftsverteilung des Landgerichts künftig auf die einzelnen Landrichter verteilt werden sollen.
Beim Obergericht hat sich gezeigt, dass sich die ab 1. Januar 2015 vorgesehene gestaffelte Bestellung der nebenamtlichen Richter infolge der auf diesen Zeitpunkt hin vorgenommenen Umstrukturierung nicht sinnvoll umsetzen lässt. Insofern sollen Gerichtssenate, die in der ordentlichen Besetzung nicht mit mehr als einem nebenamtlichen Richter entscheiden, künftig vom Gebot der gestaffelten Richterbestellung ausgenommen sein.
Die Bestellung von zwei Stellvertretern für den Obergerichtspräsidenten hat sich dagegen als sinnvoll erwiesen, weshalb auch für den Landgerichtspräsidenten und den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes eine doppelte Stellvertretung vorgesehen werden soll. Konstellationen, bei welchen sowohl der jeweilige Gerichtspräsident, als auch dessen Stellvertreter an der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben verhindert sind, soll damit begegnet werden, dass diesfalls der dienstälteste Richter des betroffenen Gerichts die Leitung übernehmen soll. Damit lässt sich verhindern, dass ein ordentliches Gericht - wenn auch nur vorübergehend - ohne Führung dasteht.
Im Rahmen dieser Vorlage soll zudem sichergestellt werden, dass die vollamtlichen Richter ihre Anwesenheit im Amt in Zukunft nicht mehr uneingeschränkt
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selbst gestalten können. Entsprechende Regelungen sollen - wie auch in Bezug auf die Ferienplanung der vollamtlichen Richter - vom jeweils zuständigen Gerichtspräsidenten mittels Dienstanweisung vorgegeben werden können.
Darüber hinaus soll die Geschäftsverteilung des Landgerichts aus Effizienzgründen künftig nicht mehr vom Kollegium der Landrichter, sondern vom Landgerichtspräsidium, bestehend aus dem Landgerichtspräsidenten und seinen beiden Stellvertretern, festgelegt werden.
Zu den genannten Zwecken sind das Richterdienstgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz entsprechend anzupassen. Da die geplanten Massnahmen teilweise auf Anregung einzelner Gerichte (Staffelung), teilweise aus Gesprächen zwischen der Richterschaft und dem Richterauswahlgremium hervorgehen und lediglich diese davon betroffen sind, wurde auf die Vornahme eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Stellen
Amt für Personal und Organisation
Oberster Gerichtshof
Obergericht
Landgericht
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Vaduz, 29. September 2015
LNR 2015-1180
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Richterdienstgesetzes und des Gerichtsorganisationsgesetzes (Vornahme struktureller Anpassungen bei den ordentlichen Gerichten) an den Landtag zu unterbreiten.
Im Rahmen eines umfassenden Justizreformpakets arbeitet die Regierung daran, verschiedene Reorganisationsprojekte im Bereich der Justizverwaltung durchzuführen. Die Reformen bezwecken vor allem, neben einer Steigerung der Qualität der Rechtsprechung, die bestehenden Strukturen schrittweise zu verbessern.
Im Rahmen dieses Justizreformpakets ist die Realisierung diverser Einzelprojekte geplant wie beispielsweise:
Neuregelung der Entschädigung der nebenamtlichen Richter und der Ad-hoc-Richter (bereits umgesetzt
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Umstrukturierung beim Kriminal- und beim Obergericht (bereits umgesetzt
2);
Reform der Verfahrenshilfe (abgeschlossenes Vernehmlassungsverfahren
3);
Straffung des Strafverfahrens;
Abänderung des Gerichtsgebührengesetzes.
Das Projekt zur Neuregelung der Entschädigung der nebenamtlichen Richter und der Ad-hoc-Richter sowie das Projekt zur Vornahme einer Umstrukturierung beim Kriminal- und beim Obergericht wurden bereits umgesetzt. Die entsprechenden Gesetzesänderungen sind per 1. Januar 2015 in Kraft getreten.
Im Vernehmlassungsbericht
4, welcher der Vornahme einer Umstrukturierung beim Kriminalgericht vorausgegangen ist, wurde unter anderem schon vorgeschlagen, die Institution des nebenamtlichen Richters als weiteren, zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden des Kriminalgerichts abzuschaffen. Die Regierung hat davon jedoch noch einmal Abstand genommen, da sie ein Beibehalten an dieser doppelten Stellvertretung beim Kriminalgericht, insbesondere für die Erledigung von Grossverfahren mit überdurchschnittlichem ausserordentlichen Arbeitsaufwand innert angemessener Frist, als sinnvoll erachtet hat.
5 Die Doppelvertretung des Vorsitzenden des Kriminalgerichts stellt jedoch nach wie vor eine systemwidrige Ausnahme von den bei den übrigen liechtensteinischen Kollegialgerichten (Staatsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Oberster Gerichtshof, Obergericht, Jugendgericht) bestehenden Organisationsstrukturen dar und kann daher abgeschafft werden.
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Bereits bisher befinden sich in der Geschäftsverteilung des Landgerichts
6 Regelungen, die den Beisitz beim Kriminalgericht betreffen und welche als Vorbild für die Schaffung einer entsprechenden Vorgabe in Bezug auf die Stellvertretung des Vorsitzenden des Kriminalgerichts dienen könnten. Während vom Gesetz vorgegeben wird, dass das Kriminalgericht unter anderem aus einem Landrichter als Beisitzer besteht,
7 wird diese Funktion in der Geschäftsverteilung des Landgerichts nach dem Zeitpunkt des Anfalls der Rechtssachen auf vier Landrichter aufgeteilt. Eine entsprechende Regelung könnte in Zukunft etwa auch für die Funktion des Landrichters als Stellvertreter des Vorsitzenden des Kriminalgerichts vorgesehen werden. Damit liesse sich gewährleisten, dass verschiedene Landrichter mit den verhältnismässig wenigen kriminalgerichtlichen Fällen befasst sind. Die damit gewonnene Berufserfahrung trägt dazu bei, dass die betroffenen Landrichter zum Kandidatenkreis gehören, wenn es um die Nachbesetzung des Vorsitzes des Kriminalgerichts geht oder wenn die Bestellung eines anderen Kollegialgerichts - wie zum Beispiel der nebenamtlichen Richterstellen beim Obergericht - ansteht.
Beim Obergericht hat sich durch die Verschlankung der Senate im Rahmen der auf den 1. Januar 2015 hin vorgenommenen Umstrukturierung gezeigt, dass sich die bereits am 1. Januar 2013 in Kraft getretene gestaffelte Bestellung der nebenamtlichen Richter
8 auf dieses Gericht nicht sinnvoll anwenden lässt. Mit der nach Gesetz vorgeschriebenen
9 Zulosung von verschiedenen Amtsdauern an diese Richter hat das Obergericht daher bislang noch zugewartet.
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Es besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass ein Gericht wegen Ausfall und/oder Verhinderung sowohl des Präsidenten als auch seines Stellvertreters zumindest für einen gewissen Zeitraum führungslos wird.
10 Aufgrund der Wichtigkeit der von den Gerichtspräsidenten wahrzunehmenden Leitungsfunktionen sowie der von diesen zu erledigenden Justizverwaltungsgeschäfte sollten Vakanzen in den Gerichtspräsidien jedoch möglichst vermieden werden. Die Organisationsstruktur des Obergerichts mit zwei Stellvertretern für den Präsidenten
11 hat sich daher auch für das Landgericht und den Obersten Gerichtshof, wo jeweils lediglich ein stellvertretender Präsident bestellt wird,
12 als wünschenswert erwiesen. In Zukunft würden damit automatisch zwei Personen zum engeren Kandidatenkreis zählen, wenn es um die Nachbesetzung des Amtes als Landgerichtspräsident oder als Präsident des Obersten Gerichtshofes geht. Dies käme dem Richterauswahlgremium zugute, dem die Auswahl von geeigneten Kandidaten für diese Richterämter obliegt.
13 Darüber hinaus ist es erforderlich, eine Stellvertreterregelung für die ordentlichen Gerichte festzulegen, um in Zukunft gänzlich ausschliessen zu können, dass eine der genannten Positionen - auch wenn nur vorübergehend - unbesetzt bleibt.
Der Staat ist der nach Art. 27 Abs. 1 LV bestehenden Pflicht, für ein effizientes Gerichtswesen zu sorgen, unter anderem
14 damit nachgekommen, indem er mit dem Richterdienstgesetz eine klare gesetzliche Grundlage für die Rechte und Pflichten der Richter der ordentlichen Gerichte sowie für deren disziplinarische -
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Verantwortlichkeit geschaffen hat.
15 Unter anderem wurde dabei - nach Vorbild von Österreich
16 - vorgesehen, dass die vollamtlichen Richter den Zeitraum und die Dauer ihrer Anwesenheit im Amt in eigener Verantwortung bestimmen können ("Vertrauensarbeitszeit").
17 Ein effizientes und auch dienstleistungsorientiertes Gerichtswesen erfordert jedoch zumindest in einem gewissen Mass auch die persönliche Erreichbarkeit der vollamtlichen Richter bei Gericht. Ebenso wurde ein Bedarf nach näheren Regelungen hinsichtlich der Ferienplanung der vollamtlichen Richter festgestellt.
Darüber hinaus hat sich die Beschlussfassung über die Geschäftsverteilung des Landgerichts durch das Kollegium der Landrichter als schwerfällig und ineffizient herausgestellt. Bei der Bandbreite der vom Landgericht zu erledigenden Geschäfte lässt sich im Plenum nur schwer Konsens über die Zuordnung der Zuständigkeitsbereiche herstellen. Die Beanspruchung sämtlicher vierzehn Landrichter im Rahmen der alljährlichen Festsetzung der Geschäftsverteilung für das Landgericht läuft einem raschen, auf Konsens basierenden Ergebnis zuwider. Insbesondere vor dem Hintergrund der vom Landgericht zu bewältigenden Geschäftslast, wäre ein solches jedoch im Sinne von Planungs- und Rechtssicherheit sowie zum Zweck des ordnungsgemässen und ununterbrochenen Geschäftsganges wünschenswert. Die Geschäftsverteilung ist derzeit letztlich vom Landgerichtspräsidenten alleine zu erstellen. Er hat den Entwurf zu verfassen und bei allfälligen Einwendungen zu verteidigen. Diese Verantwortung und Aufgabe soll nunmehr Niederschlag finden in der gesamten Richterschaft, weshalb nicht mehr der Landgerichtspräsident allein, sondern eine Gruppe von Richtern die Geschäftsverteilung entwirft. Insbesondere beim Obergericht und beim Obersten Ge-
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richtshof hat sich gezeigt, dass es effektiver ist, wenn die Geschäftsverteilung lediglich von einer Gruppe der bei diesen Gerichten tätigen Richter beschlossen wird.
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1 | Bericht und Antrag Nr. 53/2014 und Nr. 93/2014. |
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2 | Bericht und Antrag Nr. 46/2014 und Nr. 70/2014. |
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3 | Ende der Vernehmlassungsfrist am 2. August 2015. |
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4 | Vernehmlassungsbericht vom 29. Oktober 2013 betreffend die Abänderung des Gerichtsorganisationsgesetzes und des Besoldungsgesetzes. |
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5 | Bericht und Antrag Nr. 46/2014, S. 9, S. 11 und S. 22. |
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6 | Siehe hierzu die Geschäftsgruppen- und Verteilungsübersicht des Landgerichts ab 1. März 2015, S. 8 f., im Internet abrufbar unter www.gerichte.li. |
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7 | Art. 7 Abs. 1 Bst. c des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG); LGBl. 2007 Nr. 348. |
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8 | Näheres hierzu insbesondere im Bericht und Antrag Nr. 64/2012 sowie im Bericht und Antrag Nr. 72/2012. |
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9 | Art. 16 Abs. 2 fünfter Satz des Richterdienstgesetzes (RDG); LGBl. 2007 Nr. 347. |
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10 | Da auf Grundlage von Art. 96 Abs. 3 der Landesverfassung (LV; LGBl. 1921 Nr. 15) ein auf Zeit ernannter Richter bis zur Vereidigung seines Nachfolgers im Amt bleibt, kann eine Vakanz im Präsidium wegen gleichzeitigem Austritt sowohl des Präsidenten, als auch seines Stellvertreters grundsätzlich nicht eintreten. Einer Person gegen ihren Willen eine Funktion aufzulasten, kann jedoch auf Dauer nicht zielführend sein. |
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11 | Art. 20 Abs. 1 erster Satz GOG. |
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12 | Art. 13 Abs. 1 erster Satz bzw. Art. 24 Abs. 1 erster Satz GOG. |
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13 | Art. 13 Abs. 1 bzw. Art. 24 Abs. 1 GOG. |
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14 | Das Richterdienstgesetz bildet die Ergänzung zu den organisatorischen und verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen des Gerichtsorganisationsgesetzes. |
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15 | Bericht und Antrag Nr. 54/2007, S. 4. |
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16 | § 60 des österreichischen Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG; BGBl. Nr. 305/1961). |
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17 | Art. 23 RDG. |
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18 | Beim Obergericht von den Senatsvorsitzenden (Art. 21 Abs. 2 GOG) und beim Obersten Gerichtshof von den Senatsvorsitzenden und deren Stellvertretern (Art. 25 Abs. 2 GOG). |
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