Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (EWR-Leerverkaufsverordnungs-Durchführungsgesetz; EWR-LVDG)
Im Bereich der Leerverkäufe und bestimmter Aspekte von Credit Default Swaps soll im EWR ein einheitlicher Regulierungsrahmen geschaffen werden, um eine finanzielle Instabilität der Märkte zu minimieren und somit den Binnenmarkt zu stärken. Der entsprechende Rechtsbestand im Bereich Leerverkäufe besteht aus den Verordnungen (EU) Nr. 236/2012, (EU) Nr. 826/2012, (EU) Nr. 827/2012, (EU) Nr. 918/2012, (EU) Nr. 919/2012 und Verordnung (EU) Nr. 2015/97 (im Weiteren als Leerverkaufsrechtsakte bezeichnet).
Im Zuge der Finanzkrise im September 2008 haben die zuständigen Behörden in mehreren Mitgliedstaaten und die Aufsichtsstellen in Drittländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan ausserordentliche Massnahmen vorgenommen, um den Leerverkauf bestimmter oder sämtlicher Wertpapiere zu beschränken oder zu verbieten. Anlass hierfür waren Bedenken, dass Leerverkäufe in Zeiten beträchtlicher finanzieller Instabilität die Abwärtsspirale der Aktienkurse verstärken könnten, insbesondere bei Finanztiteln, wodurch schliesslich die Lebensfähigkeit der Finanzinstitute bedroht würde und systemische Risiken entstehen könnten. Mangels eines einheitlichen Regulierungsrahmens im EWR bezüglich der Behandlung von Aspekten im Zusammenhang mit Leerverkäufen, fielen diese Massnahmen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Aufgrund dessen wurden in der EU entsprechende Harmonisierungsmassnahmen erlassen. Diese sollen das ordnungsgemässe Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte, sicherstellen, sowie ein hohes Mass an Verbraucher- und Anlegerschutz gewährleisten.
Die Leerverkaufsrechtsakte beruhen im Wesentlichen auf zwei Säulen:
1. Verbotsregelungen für ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln sowie ungedeckten Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel (Art. 12 ff. der Verordnung (EU) Nr. 236/2012); und
2. Transparenzregelungen für Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien, öffentlichen Schuldtiteln und gegebenenfalls CDS (Art. 5 ff. der Verordnung (EU) Nr. 236/2012).
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Leerverkäufe nach der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 können von natürlichen als auch juristische Personen im Inland wie auch in Drittländern durchgeführt werden. Dabei spielt der Ort des jeweiligen Geschäftsabschlusses ebenso wenig eine Rolle wie die Nationalität der Beteiligten oder ihr Sitz. Zudem finden einige Vorschriften der VO (EU) Nr. 236/2012 auf alle Finanzinstrumente Anwendung (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung).
Sowohl von den Verboten als auch den Transparenzanforderungen gibt es Ausnahmen für Tätigkeiten von Market-Makern und Primärhändlern.
Die Leerverkaufsrechtsakte werden in Liechtenstein nach Inkrafttreten der jeweiligen Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses unmittelbar gelten. Der Erlass des vorliegenden Gesetzes dient dazu, die zwingend erforderlichen Bestimmungen für die Durchführung der EWR-Rechtsakte in Liechtenstein zu schaffen. Dies erfordert zudem Abänderungen im Finanzmarktaufsichtsgesetz (FMAG).
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
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Vaduz, 27. Oktober 2015
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps(EWR-Leerverkaufsverordnungs-Durchführungsgesetz; EWR-LVDG) an den Landtag zu unterbreiten.
Der aktuelle Rechtsbestand im Bereich Leerverkäufe umfasst die Verordnungen (EU) Nr. 236/2012, (EU) Nr. 826/2012, (EU) Nr. 827/2012, (EU) Nr. 918/2012, (EU) Nr. 919/2012 und (EU) Nr. 2015/97 (nachfolgend Leerverkaufsrechtsakte). Eine Umsetzung der genannten Verordnungen in nationales Recht ist nicht erforderlich, da diese mit Inkrafttreten der entsprechenden Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses in Liechtenstein unmittelbar anwendbar werden. Die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 bedarf aber durch nationales Recht einer Ergänzung dahingehend, als dass beispielsweise die Bestimmungen betreffend die zuständige Behörde, ihre Befugnisse sowie die Strafbestimmungen zu erlassen sind.
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Die Leerverkaufsrechtsakte gelten seit dem 1. November 2012 bereits in den EU-Mitgliedstaaten. Sie befinden sich derzeit noch im Übernahmeverfahren in das EWR-Abkommen. Die Verzögerungen bei der Übernahme der Leerverkaufsrechtsakte ergaben sich aus der verzögerten Übernahme der Rechtsakte betreffend das Europäische Finanzaufsichtssystem, namentlich der drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA. Bei den Europäischen Aufsichtsbehörden ist im Sinne der Zwei-Pfeiler-Struktur des EWR-Abkommens vorgesehen, die Kompetenz zum Erlass von bindenden Entscheidungen von EBA, ESMA und EIOPA im so genannten EFTA-Pfeiler zu spiegeln und somit der EFTA-Überwachungsbehörde zu übertragen. Da auch die Leerverkaufsrechtsakte auf Kompetenzen der ESMA verweisen, waren diese Zusammenhänge bei der Vorbereitung der Übernahme der Rechtsakte entsprechend zu berücksichtigen.
Die in diesem Bericht und Antrag genannten Verordnungen befinden sich noch im Übernahmeverfahren in das EWR-Abkommen. Es handelt sich daher um eine vorbereitende Schaffung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 236/2012. Dieses Durchführungsgesetz soll jedoch erst in Abstimmung mit dem entsprechenden Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses zur Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 in Kraft treten.
Der Umstand, dass der Landtag mit den notwendigen Gesetzesanpassungen zur Durchführung der genannten Verordnungen bereits vorab befasst wird, ändert nichts an der Notwendigkeit der Zustimmung des Landtags zur staatsvertraglichen Verpflichtung als solcher. Die Vorlage der entsprechenden Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses wird daher zu gegebener Zeit gesondert an den Landtag erfolgen.
Einige Vorgaben zur Zusammenarbeit mit der ESMA treten in Kraft, sobald die entsprechende ESMA Verordnung in das EWR-Abkommen übernommen und die Einbindung der EWR-Staaten damit formal geregelt wird. Bis dahin sind die Vor-
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gaben der ESMA wie die Guidelines und Empfehlungen von der FMA entsprechend umzusetzen, um die Gleichwertigkeit Liechtensteinischen und EU-Rechts sicherzustellen. Die Zusammenarbeit mit der ESMA erfolgt nach der gesetzlichen Massgabe von Art. 5 FMAG.