Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das WTO-Abkommen vom 27. November 2014 über Handelserleichterungen
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Das neue WTO-Abkommen über Handelserleichterungen (Agreement on Trade Facilitation, ATF) ist ein multilaterales Abkommen über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Erstmals gilt für sämtliche WTO-Mitglieder ein nahezu universeller Mindeststandard bezüglich der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Zudem werden die Entwicklungsland-Mitglieder materiell dieselben Verpflichtungen umsetzen, wie sie auch für Industrieland-Mitglieder gelten (d. h. es gibt weder Ausnahmen noch begrenzte Verpflichtungen). Im Gegenzug erhalten diese Länder substanzielle Flexibilität hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung des Abkommens, gekoppelt mit technischer Unterstützung.
Der Abschluss dieses Abkommens stellt einen wichtigen Meilenstein in den WTO-Verhandlungen der Doha-Runde dar. Das Abkommen wird durch den Abbau von administrativen Handelshemmnissen im Bereich der Zollverwaltung zu einer effizienteren und kostengünstigeren Abwicklung der Zollformalitäten beitragen und den Aufbau von transparenten, wirksamen und international kompatiblen Regeln für den Wirtschaftsverkehr fördern. Beides ist für Liechtenstein und seine stark exportabhängige Volkswirtschaft mit diversifizierten Absatzmärkten von grosser Bedeutung.
Beim ATF handelt es sich um reine Zollvertragsmaterie. Das Abkommen wird über Anhang II zum Zollvertrag mit der Schweiz auf Liechtenstein Anwendung finden. Da Liechtenstein jedoch selbständiges Mitglied der WTO ist, muss das Abkommen auch durch Liechtenstein ratifiziert werden. Aufgrund des Zollvertrags wird die Umsetzung des ATF auch im Hoheitsgebiet Liechtensteins von den schweizerischen Behörden gewährleistet werden.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Bildung und Kultur
Betroffene Amtsstellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 24. März 2015
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das WTO-Abkommen vom 27. November 2014 über Handels-erleichterungen zu unterbreiten.
Liechtenstein hat eine stark exportabhängige Volkswirtschaft mit diversifizierten Absatzmärkten. Die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) stellt für Liechtenstein - zusammen mit seiner Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum, dem Zollvertrag mit der Schweiz und dem Abschluss von Freihandelsabkommen im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) -einen Hauptpfeiler seiner Aussenwirtschaftspolitik dar. Die WTO-Mitgliedschaft ermöglicht die Sicherung eines diskriminierungsfreien Zugangs für liechtensteinische Anbieter zu ausländischen Märkten. Um den diskriminierungsfreien Zugang zu ausländischen Märkten langfristig zu sichern und zu erweitern, sind einerseits der Abbau von Hemmnissen bei der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit und andererseits der Aufbau von transparenten, wirksamen und international kompatiblen Regeln für den Wirtschaftsverkehr anzustreben. Für Liechtenstein
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kann dies am wirkungsvollsten im multilateralen Rahmen der WTO, welche den diskriminierungsfreien Marktzugang in vielen Ländern garantiert, erreicht werden. Die WTO ist das rechtliche und institutionelle Fundament des multilateralen Handelssystems. Mit ihren 160 Mitgliedern ist sie die einzige multilaterale Institution für die Regelung globaler Handelsbeziehungen mit einer nahezu universellen Mitgliedschaft, welche auch die effektive Durchsetzbarkeit der vereinbarten Handelsregeln garantiert. Das WTO-Regelwerk und die WTO als Verhandlungsforum für dessen Weiterentwicklung, namentlich im Bereich des Marktzugangs, sind für Liechtenstein daher unerlässlich. Entsprechend misst Liechtenstein dem weiteren Ausbau und der breiten Abstützung des multilateralen Regelwerkes zur Erweiterung und Sicherung des Marktzuganges im Rahmen der WTO grosse Bedeutung zu. Diese beiden Ziele sind für Liechtenstein im Hinblick auf die Integration und die wirtschaftliche Entwicklung in Partnerländern auch aus entwicklungspolitischer Sicht von Bedeutung.
Das neue WTO-Abkommen über Handelserleichterungen (Agreement on Trade Facilitation, ATF) ist ein multilaterales Abkommen über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr. Das neue Abkommen ist ein wichtiger Schritt im angestrebten Abbau von Hemmnissen in der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit. Erstmals gilt für sämtliche WTO-Mitglieder ein nahezu universeller Mindeststandard bezüglich der Zollverfahren und Grenzformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr, welcher durch den Abbau von administrativen Handelshemmnissen im Bereich der Zollverwaltung zu einer effizienteren und kostengünstigeren Abwicklung der Zollformalitäten beitragen wird. Zudem werden die Entwicklungsland-Mitglieder materiell dieselben Verpflichtungen umsetzen, wie sie auch für Industrieland-Mitglieder gelten (d. h. es gibt weder Ausnahmen noch begrenzte Verpflichtungen). Im Gegenzug erhalten diese Länder substanzielle Flexibilität hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung des Abkommens, gekoppelt mit
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technischer Unterstützung. Das ATF wird zudem insbesondere auch für Entwicklungsland-Mitglieder und die am wenigsten entwickelten Mitgliedsländer (least developed countries, LDCs) von Bedeutung sein. Die Umsetzung des ATF wird deren Integration in die Weltwirtschaft fördern sowie wichtige Reformen im Zollbereich anstossen.
Der Abschluss dieses Abkommens ist ein bedeutender Beitrag zum Ausbau des WTO-Regelwerkes und stellt einen wichtigen Meilenstein in den WTO-Verhandlungen der Doha-Runde dar. Der Ministerbeschluss vom 7. Dezember 2013 über den Abschluss der ATF-Verhandlungen war Teil eines Verhandlungspakets (sog. Bali-Paket), welches es ermöglichte, verschiedene Themen der WTO-Doha-Runde einzeln und ohne gleichzeitigen Abschluss der gesamten Doha-Runde vorzeitig einem Resultat zuzuführen. Gleichzeitig konnten sich die WTO-Mitglieder mit dem ATF erstmals seit der Gründung der WTO im Jahre 1995 auf ein neues multilaterales Abkommen einigen. Dieses Abkommen trägt somit zur Stärkung der WTO und des multilateralen Handelssystems bei und kann eine Grundlage für weitere Fortschritte in den Doha-Verhandlungen bilden. Es wurde am 27. November 2014 vom WTO-Generalrat endgültig angenommen und zur Ratifikation aufgelegt. Das ATF wird gemäss Artikel X Paragraph 3 des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (LGBl. 1997 Nr. 108) in Kraft treten, wenn zwei Drittel der 160 WTO-Mitglieder dem WTO-Generalsekretariat die Annahme des ATF notifiziert haben.
Die erleichterte Abwicklung von Zoll- und Grenzformalitäten im internationalen Handel ist ein wichtiger Schritt für den Abbau von Handelshemmnissen und somit für die weitere Liberalisierung des internationalen Handels. In einem multilateralen Handelssystem, in welchem die Zölle weltweit eine starke Liberalisierung erfahren haben, stellen administrative Handelshemmnisse im Zollbereich einen immer gewichtigeren Anteil der Handelskosten dar. Entsprechend wirken sich
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beschwerliche und zeitintensive Verfahren auf die Transaktionskosten sowie das Volumen der Handelsflüsse aus. Eine Senkung dieser Kosten im internationalen Handel wird den grenzüberschreitenden Handel und dessen Liberalisierung entsprechend weiter fördern. Dies ist insbesondere für mittelgrosse und kleinere Länder sowie für Entwicklungsländer von Bedeutung, welche auf einen geregelten diskriminierungsfreien Marktzugang in möglichst vielen Ländern angewiesen sind.
Mangelnde Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der Abwicklung von Grenzformalitäten und Zollverfahren, unnötige Formalitäten sowie beschwerliche und ineffiziente Verfahren stellen für Wirtschaftsbeteiligte eine grosse Unsicherheit und somit einen wichtigen Kostenfaktor dar. Das ATF wird nicht nur eine Verbesserung der Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Zollbereich bewirken, sondern auch zu schlankeren, effizienteren und handelsfreundlicheren Verfahren im Zollbereich führen. Eine verbesserte Planbarkeit und vereinfachte Grenzformalitäten werden für die Wirtschaftsbeteiligten eine Senkung der Transaktionskosten im internationalen Handel mit sich bringen. Dadurch wird insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen der Markzugang verbessert. Erste Analysen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) gehen davon aus, dass das ATF bei vollständiger Umsetzung sämtlicher Bestimmungen (inkl. jener Bestimmungen, welche zu keinem rechtsverbindlichen Resultat verpflichten, sog. best-endeavour-Bestimmungen) die Transaktionskosten für die Wirtschaftsbeteiligten um insgesamt 12,9 bis 15,1 Prozent senken wird, bei Umsetzung der nur konkret rechtsverbindlichen Verpflichtungen um 11,7 bis 12,6 Prozent. Die grössten Auswirkungen wird das ATF voraussichtlich in Entwicklungsländern und LDCs haben. Genau für diese Länder ist der potentielle Nutzen der oben beschriebenen Optimierungen am grössten, wobei gleichzeitig auch das erforderliche Engagement für die Implementierung des ATF von diesen Ländern
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am grössten ist. Die vorgesehenen Massnahmen des Abkommens bedürfen Restrukturierungen und Verfahrensänderungen, für welche der Einsatz von Seiten der Entwicklungsland-Mitglieder und LDCs nicht zu vernachlässigen ist. Sie werden das Abkommen, im Gegensatz zu den Industrieland-Mitgliedern, jedoch schrittweise und unter Inanspruchnahme von technischer Hilfe und Unterstützung zum Aufbau von Kapazitäten anwenden können, weshalb einzelne Massnahmen in jenen Ländern erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden dürften. Die vollständige Auswirkung des Abkommens wird sich daher nach dessen Inkrafttreten schrittweise entfalten. In welchem Zeitrahmen diese Entwicklung erfolgen wird, ist momentan noch schwierig abzuschätzen. Zahlreiche Länder notifizierten bei der Verabschiedung des ATF jedoch bereits, dass sie sämtliche Verpflichtungen, teilweise mit wenigen Ausnahmen, ab Inkrafttreten umsetzen werden (Notifikation über die Kategorie-A-Verpflichtungen). Das heisst, in diesen Ländern wird das Abkommen wie in den Industrieländern ab Inkrafttreten vollständig beziehungsweise nahezu vollständig umgesetzt werden.
Für die exportorientierte Wirtschaft Liechtensteins stellen beschwerliche Zollverfahren bei der Einfuhr von Gütern in vielen Exportmärkten ein beachtliches Erschwernis im internationalen Handel dar. Die Einschränkung dieser administrativen Handelshemmnisse im Zollbereich und die Einführung handelserleichternder Massnahmen durch das ATF werden sich auf die liechtensteinische Wirtschaft positiv auswirken.