Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
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Mit Urteil des Staatsgerichtshofes (StGH) vom 1. Juli 2014 (StGH 2013/50) wurden die Art. 27g, 27h, 27i und 27k FMAG mit Wirkung ab dem 11. Dezember 2015 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch die gegenständliche Vorlage soll das Verfahren zur Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden im Bereich der Wertpapieraufsicht verfassungskonform - unter Berücksichtigung der internationalen Standards - ausgestaltet werden.
Neu soll die richterliche Genehmigung eines Ersuchens um Informationsübermittlung erst nach erfolgter Informationsbeschaffung und nach Anhörung des Informationsinhabers erfolgen. Zudem soll ein dem Verfahren entsprechender Anspruch auf Akteneinsicht des Informationsinhabers in das FMAG aufgenommen werden. Neu soll das Informationsverbot für eine Dauer von 12 Monaten gelten, jedoch nach einzelrichterlicher Genehmigung um höchstens weitere 12 Monate verlängert werden können.
Das Verfahren zur Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden im Bereich der Wertpapieraufsicht wird durch die gegenständliche Vorlage weder erschwert noch zeitlich ausgedehnt. Im Sinne der internationalen Vorgaben ist unerlässlich, dass die Informationsübermittlung - die richterliche Genehmigung vorausgesetzt - im selben zeitlichen Rahmen wie bisher abgewickelt wird. Auch das Informationsverbot, welches für den Ausgang des ausländischen Verfahrens entscheidend sein kann, bleibt grundsätzlich im selben Umfang wie bisher enthalten. Die Anpassungen betreffen ausschliesslich die verfassungskonforme Ausgestaltung des Verfahrens im Inland gemäss den Vorgaben des StGH.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörden
Verwaltungsgerichtshof
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
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Vaduz, 7. Juli 2015
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
Das Kapitel IVa. mit dem Titel "Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden im Bereich der Wertpapieraufsicht" wurde im Jahr 2010 in das Gesetz über die Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz; FMAG) aufgenommen und ist am 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Die entsprechenden Anpassungen im FMAG ermöglichten Liechtenstein, vertreten durch die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Erlangung des Mitgliedsstatus bei der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) und des Beobachterstatus beim Committee of European Securities Regulators (CESR; ersetzt durch die European Securities and Markets Authority; ESMA). Vor allem konnte durch die Gesetzesrevision sichergestellt werden, dass die liechtensteinischen Finanzintermediäre auch weiterhin an den europäischen und internationalen Finanzmärkten partizipieren können und dien-
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te zudem der Konkurrenzfähigkeit und der Reputation des Finanzplatzes Liechtenstein.
Insbesondere für die liechtensteinische Wirtschaft, den Finanzplatz und seine Finanzintermediäre ist es von grösster Wichtigkeit, freien Zugang zu den europäischen und internationalen Finanzmärkten zu haben. Die Finanzmärkte sind zweckmässigerweise durch international anerkannte Standards reguliert. Nach der Finanzkrise hat sich der internationale Druck zur Einhaltung dieser Standards massiv verstärkt. Die Konkurrenzfähigkeit und die Reputation des Finanzplatzes Liechtenstein können demnach nur bei Erfüllung der internationalen Direktiven erhalten bleiben.
Als völkerrechtliche Vorgaben für die grenzüberschreitende Amtshilfe gelten vor allem die Prinzipien der IOSCO und die Regelungen der Europäischen Union im Bereich des Marktmissbrauchs. Dabei verpflichten die international anerkannten "IOSCO-Prinzipien" über die Kooperation zwischen Wertpapieraufsichtsbehörden die Mitgliedstaaten unter anderem, einander unter Wahrung des Vertrauensgrundsatzes möglichst rasch und umfassend Informationen auszutauschen (siehe IOSCO principles regarding cross-border supervisory cooperation, principles 13 ff.). Ein weiteres Schlüsselprinzip ist die Gewährleistung der Vertraulichkeit des Ersuchens (Art. 11 IOSCO MMoU). Über diese IOSCO Qualitätsstandards, welche allgemein anerkannt und regelmässig Voraussetzung für Gleichwertigkeit sind, wurde ein faktischer integrierter Handelsraum mit Marktqualität geschaffen. Die Gewährleistung einer effizienten und umfassenden Amtshilfe ist somit für Liechtenstein und seinen Finanzplatz essentiell.
Die Globalisierung bringt es mit sich, dass grenzüberschreitend agierende Finanzinstitute für ihre internationale Anerkennung einer den internationalen Standards entsprechenden Regulierung bedürfen. Insbesondere im Wertpapierhandel besteht durch den Umstand, dass der Finanzplatz Liechtenstein über keine
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eigene Börse oder andere Wertpapierhandelsplätze verfügt und dennoch am globalen Wertpapierhandel partizipieren will, eine besondere Abhängigkeit liechtensteinischer Finanzintermediäre von den ausländischen Wertpapiermärkten und deren Regulatoren. Die Grundvoraussetzung für die Teilnahme am internationalen Handel ist eine den internationalen Standards entsprechende Amtshilfe.
Die Amtshilfebestimmungen des FMAG dienen somit nicht nur dem Schutz des Finanzplatzes Liechtensteins, sondern auch der Erfüllung zentraler Vorgaben des EWR-Abkommens. Die Vertragsparteien des EWR-Abkommens sind verpflichtet, alle geeigneten Massnahmen zur Erfüllung der Pflichten zu treffen, die sich aus dem EWR-Acquis - einschliesslich der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch; MAD) - ergeben. Insbesondere ist das nationale Recht, gemessen am Massstab des geltenden EWR-Acquis, vertragskonform auszugestalten (Loyalitätsprinzip).
Nach den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben dürfen etwa die Voraussetzungen der nationalen Rechtsordnung, die Organisation der Aufsichtsbehörden, ihre Ermittlungsbefugnisse etc. die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen nationalen Behörden nicht behindern (ErwGr. 40 MAD). Gemäss Art. 16 Abs. 1 MAD haben die europäischen Aufsichtsbehörden einander Amtshilfe zu leisten. Insbesondere haben sie im Bedarfsfall möglichst rasch und unbürokratisch Informationen auszutauschen und bei Ermittlungen zusammenzuarbeiten. Umfang und Inhalt der Amtshilfe sind von der ersuchenden Behörde festzulegen. Der Staat der ersuchenden Behörde ist zudem prinzipiell für die Gewährung von Rechtsschutz zuständig. Die ersuchte Behörde kann zwar die Zulässigkeit des Amtshilfeersuchens und die Zuständigkeit der ersuchenden Behörde überprüfen; es obliegt jedoch nicht ihrer Rechtsordnung, die Durchführung von Amtshilfe von anderen Bedingungen abhängig zu machen, als jene, die in der Richtlinie selbst
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grundgelegt sind. Die Ablehnung eines Auskunftsersuchens durch einen EWR-Vertragsstaat ist daher nur unter den in Art. 27f Abs. 1 FMAG (Art. 16 Abs. 2 MAD) abschliessend aufgezählten Gründen zulässig.
Die Europäische Union hat verdeutlicht, dass sie an dem bestehenden Amtshilfesystem festhalten und dieses sogar weiterentwickeln wird. So hat sie die MAD mit einer Nachfolgedirektive, der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung; MAR) aufgehoben. Die MAR übernimmt das bisher auf EU-Ebene praktizierte Amtshilfesystem der MAD unverändert und baut es weiter aus (vgl. Art. 25 MAR). Das heisst, die EU-Vertragsstaaten, und ab Aufnahme der Verordnung in den EWR-Acquis auch die EWR- Vertragsstaaten, haben das bewährte Amtshilfemodell anzuwenden. Damit hat jede ersuchte Behörde weiterhin unverzüglich Amtshilfe zu leisten, ausser es liegt einer der in der Verordnung abschliessend genannten Ausnahmetatbestände vor. Nationale Ausnahmeregelungen zu diesem Amtshilferegime im Bereich Marktmissbrauchsprävention sind nur äusserst eingeschränkt zulässig. Dies gilt vor allem deshalb, weil die MAR ab Juli 2016 in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sein wird. Um die Konkurrenzfähigkeit auf europäischer Ebene zu erhalten, ist ein zeitnaher Nachvollzug dieser Regelungen unerlässlich.
Bis zur eingangs erwähnten Gesetzesrevision erfüllte Liechtenstein die durch IOSCO und CESR (nunmehr ESMA) vorgegebenen Standards im Amtshilfebereich nicht vollumfänglich. IOSCO und CESR kritisierte die im liechtensteinischen Amtshilfeverfahren gewährte Information des Kunden über das Amtshilfeersuchen sowie die fehlende Möglichkeit der FMA Liechtenstein, in allen von IOSCO und CESR (nunmehr ESMA) geforderten Fällen Amtshilfe zu leisten. Durch die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetzesänderung wurden die von IOSCO und CESR kritisierten Punkte unter Wahrung des Kundenschutzes nach liechtensteini-
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schem Verständnis behoben und die liechtensteinische Amtshilfe an die von IOSCO und CESR (nunmehr ESMA) vorgegebenen Standards angepasst. Zentraler Punkt war die zeitliche Verschiebung des Beschwerderechts nach hinten (nachträgliches Beschwerderecht) und die Überprüfung des Amtshilfeersuchens durch eine unabhängige richterliche Instanz. Aufgrund dieser Verfahrensmodalitäten werden die Anforderungen von CESR (ESMA) und IOSCO noch erfüllt und gleichzeitig die verfassungsmässigen Rechte des Betroffenen gewahrt.
Zudem hat der EFTA-Gerichtshof mit Urteil vom 9. Mai 2014 im Fall E-23/13 festgestellt, dass ein mit der MAD konformes Amtshilfeersuchen keine Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich der Verdacht ergibt, beinhalten muss. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser internationalen Vorgabe bereits Folge geleistet (Beschluss VGH 2013/117) und auch die Neugestaltung der Amtshilfebestimmungen hat diesen Anforderungen zu entsprechen.