Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung des investmentunternehmensgesetzes (IUG), die Abänderung des AIFMG, des FMAG und anderer Gesetze
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Im Gesetz über die Verwalter alternativer Investmentfonds ist vorgesehen, dass mit der Übernahme der AIFM-Richtlinie (2011/61/EU) in das EWR-Abkommen das geltende Gesetz über Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien ausser Kraft tritt. Bis dahin bzw. bis ein Jahr nach dem entsprechenden EWR-Übernahmebeschluss sind Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien bzw. Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger nach geltendem Investmentunternehmensgesetz entweder in alternative Investmentfonds (AIF), welche unter dem AIMFG geregelt sind, in OGAW, welche unter dem UCITSG geregelt sind, umzuwandeln oder einer Verwaltung nach Art. 2 Abs. 3 bis 5 AIFMG zu übertragen oder aufzulösen. In jedem Fall würden die bestehenden gesetzlichen Vorteile des geltenden Investmentfondsgesetzes im Hinblick auf Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger verloren gehen.
Zur Absicherung bewährter Regelungen und darauf beruhender Geschäftsmodelle und zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle soll eine eigenständige neue nationale Regulierung für Investmentunternehmen geschaffen werden. Dabei handelt es sich um Organismen für gemeinsame Anlagen, die weder AIF noch OGAW sind und ausschliesslich zu Investitionszwecken des vorhandenen Vermögens / Kapitals von qualifizierten Anlegern dienen.
Im vorgeschlagenen neuen Investmentunternehmensgesetz werden entsprechend einer Analyse bestehender Geschäftsmodelle vier Kategorien von Investmentunternehmen vorgesehen. Die Anforderungen an die Investmentunternehmen und deren Verwaltungsgesellschaften bzw. Verwahrstellen werden in Anlehnung an die bisherige Regulierung für Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger unter Berücksichtigung eines differenzierten Anlegerschutzes ausgestaltet. Dies trägt dem qualifizierten Anlegerkreis Rechnung und gewährleistet, dass die bisherigen Vorteile eines Investmentunternehmens für qualifizierte Anleger in administrativer, aufsichtsrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht zumindest für jene Investmentunternehmen erhalten bleiben, die den neuen Kategorien zuzurechnen sind.
Mit ebenfalls vorgeschlagenen Abänderungen des AIFMG sollen einzelne, in der bisherigen Praxis erkannte Mängel behoben werden. Zudem sollen die Verord-
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nungen (EU) Nr. 345/2013 über Europäische Risikokapitalfonds und Nr. 346/2013 über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum sowie die Richtlinie 2013/14/EU, mit welcher die AIFM-Richtlinie im Hinblick auf einen übermässigen Rückgriff auf Ratings externer Ratingagenturen abgeändert wird, durchgeführt bzw. umgesetzt werden.
In den Nebenvorlagen zur Abänderung des FMAG und weiterer Gesetze werden notwendige Folgeänderungen im Zusammenhang mit der Schaffung des neuen Investmentunternehmensgesetzes vorgenommen. Beim FMAG werden die relevanten Gebühren und Abgaben ergänzt bzw. angepasst.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, FMA
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Vaduz, 1. September 2015
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung des Investmentunternehmensgesetzes (IUG) und die Abänderung des AIFMG, des FMAG und weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Der liechtensteinische Landtag hat in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2012 das Gesetz über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMG; LGBl. 2013 Nr. 49) verabschiedet. Dieses Gesetz dient der Umsetzung der europäischen Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie). Alternative Investmentfonds (AIF) im Sinne dieser Richtlinie (Art. 4 Abs. 1 Bst. a AIFM-Richtlinie) sind alle Organismen für gemeinsame Anlagen einschliesslich ihrer Teilfonds, die von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammeln, um es gemäss einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und keine Genehmigung nach Art. 5 der Richtlinie 2009/65/EG (UCITS-Richtlinie) benötigen. Davon ausgenommen sind ausdrücklich erwähnte Ausnahmen nach Art. 2 Abs. 3 AIFM-Richtlinie. Das AIFMG sollte als Umsetzungsge-
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setz am 22. Juli 2013 in Kraft treten. Gleichzeitig sollte das bestehende Gesetz über Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien (geltendes IUG) ausser Kraft treten.
Aufgrund der Verzögerung des EWR-Übernahmeverfahrens betreffend die AIFM-Richtlinie in das EWR-Abkommen wurde das AIFMG - insbesondere aus kundmachungsrechtlichen Gründen (Art. 76 Abs. 2 Landesverfassung iVm dem Kundmachungsgesetz) - vom Landtag am 24. Mai 2013 in der Weise abgeändert, dass über Koordinationsbestimmungen bis zum Abschluss des EWR-Übernahmeverfahrens sämtliche Umsetzungsbestimmungen betreffend die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit in EWR-Mitgliedstaaten oder Drittstaaten (EWR-Pass) und betreffend die Zusammenarbeit mit der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA aufgehoben bzw. abgeändert wurden (LGBl. 2013 Nr. 242). Die grundlegenden Regelungen der AIFM-Richtlinie blieben jedoch als nationale Regelungen für Verwalter (AIFM) alternativer Investmentfonds (AIF) aufrecht.
Das abgeänderte AIFMG gilt seit 22. Juli 2013 neben dem geltenden IUG. Es findet noch wenig Anwendung, da es im Vergleich zum geltenden IUG strengere Vorschriften enthält, denen jedoch noch kein Vorteil, namentlich der EWR-Pass, gegenüber steht. Das Inkrafttreten der ursprünglichen Fassung des AIFMG (LGBl. 2013 Nr. 49) und das Ausserkrafttreten des geltenden IUG wurden im Zuge der Abänderung des AIFMG (LGBl. 2013 Nr. 242) an das Inkrafttreten des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der AIFM-Richtlinie geknüpft.
Ein Inkrafttreten des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der AIFM-Richtlinie ist mittlerweile aufgrund einer grundsätzlichen Einigung im Hinblick auf die Übernahme des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS, bestehend aus den Europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken) näher
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gerückt. Die Einigung erfolgte im Rahmen des Treffens des EU-Rates der Finanzminister (ECOFIN) mit den Finanzministern der EFTA-Staaten im Oktober 2014. Sämtliche Übernahmebeschlüsse werden gegenwärtig zur Verabschiedung vorbereitet. Die Fondsindustrie hat sich also auf das Wieder-Inkrafttreten des ursprünglichen AIFMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012 (LGBl. 2013 Nr. 49) und das Ausserkrafttreten des geltenden IUG vorzubereiten.
Damit verbunden ist die Entscheidung, ob bestehende Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien bzw. Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger - soweit keine Auflösung erfolgen soll - entweder als AIF dem AIFMG oder als OGAW dem UCITSG (Gesetz über bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) unterstellt werden sollen. Soweit sich ein bestehendes Investmentunternehmen weder als AIF nach dem AIFMG noch als OGAW nach dem UCITSG qualifiziert, kann es einer Verwaltung nach Art. 2 Abs. 3 bis 5 AIFMG übertragen werden. Bereits bei der Schaffung des AIFMG (LGBl. 2013 Nr. 49) sah die Fondsbranche die "Auffangbestimmungen" in Art. 2 Abs. 3 bis 5 AIFMG als unzureichend an. Alternativ forderte sie zum Schutz bestehender Geschäftsmodelle eine eigenständige Regulierung für Organismen für gemeinsame Anlagen, die weder AIF noch OGAW sind. Dieser Forderung wurde nicht Rechnung getragen, weil zum damaligen Zeitpunkt die Definition eines AIF noch zu unklar war, um festlegen zu können, welche Organismen für gemeinsame Anlagen tatsächlich vom Begriff "AIF" erfasst werden und welche nicht. Die Kriterien, welche gemäss AIFM-Richtlinie für das Vorliegen eines AIF kumulativ vorliegen müssen, wurden erst mit den ESMA-Leitlinien 2013/611 vom 13. August 2013 präzisiert. Unter Zugrundelegung dieser Leitlinien erfüllen verschiedene der bestehenden Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger nicht alle Anforderungen an einen AIF. Insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass in solche Investmentunternehmen nur vorhandenes Kapital eines bestimmten, bereits bestehenden Anlegerkreises (z. B. Einanleger, Familie) investiert wird, findet kein
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gewerbsmässiges Kapitaleinsammeln von einer unbestimmten Anzahl von Anlegern im Sinne der AIFM-Richtlinie statt. Gleichzeitig handelt es sich auch um keine Publikumsfonds im Sinne des UCTISG.
Mit Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger (Art. 23 IUG iVm Art. 28 u. 29 IUV) kann die Fondsbranche für HNWI-Kunden (high-net-worth-individuals) attraktive Geschäftsmodelle zur Vermögensveranlagung anbieten. Dies soll auch in Zukunft möglich sein. Entsprechend der Zielgruppe ist bereits im geltenden Investmentunternehmensgesetz ein differenzierter Kundenschutz vorgesehen, der mit verwaltungs- und aufsichtsrechtlichen Vereinfachungen verbunden ist (z. B. vereinfachte Prospektanforderungen oder Bescheinigungs- statt Bewilligungsverfahren). Diese Vorteile sollen gemäss dieser Vorlage weiterhin gelten. Sie sollen einen weiteren Ausbau der Geschäftsmodelle ermöglichen. Insgesamt gibt es in Liechtenstein gemäss Statistik der FMA (Stand 31. März 2015) 192 Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger mit einem verwalteten Vermögen von über 5 Mrd. CHF. Dieses verwaltete Vermögen stellt ca. 40% des gesamten unter dem geltenden IUG verwalteten Fondsvermögen (Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien rund 13 Mrd. CHF per 31. März 2015) dar. Der Liechtensteinische Fondsverband geht davon aus, dass ca. 25 bis 30% dieser Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger sich dem mit der Gesetzesvorlage neu zu schaffenden IUG unterstellen werden.
Die Gesetzesvorlage dient somit dem Interesse des Fondsstandorts Liechtenstein, insbesondere dem Zwecke der Bestandsicherung von in Liechtenstein bewährten Geschäftsmodellen und eröffnet weitere Geschäftsfelder. Durch das eigenständige Gesetz erübrigen sich die "Auffangbestimmungen" in Art. 2 Abs. 3 bis 5 AIFMG, welche aufgehoben werden. Die bisherige Produktbezeichnung Investmentunternehmen, welche sich in Liechtenstein etabliert hat, wird bewusst beibehalten. Gegenüber OGAW nach dem UCITSG und AIF nach dem AIFMG, die
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auf europäischen Vorgaben (UCITS-Richtlinie und AIFM-Richtlinie) basieren, findet im neuen Investmentunternehmensgesetz eine klare Abgrenzung statt. Es handelt sich um vier rein nationale Kategorien von nicht im Widerspruch zu geltendem EWR-Recht stehenden Organismen für gemeinsame Anlagen. Gleichzeitig bleiben von der Treuhandbranche betreute Mandate (family offices) oder die individuelle Portfolioverwaltung, die von Vermögensverwaltern bzw. Wertpapierfirmen als Dienstleistung im Sinne der Vorgaben der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) erbracht werden kann, von der neuen gesetzlichen Regelung, die auf kollektive Anlageverwaltung ohne Vertrieb ausgerichtet ist, unberührt.
Im Hinblick auf die Abänderung des AIFMG werden neben der Aufhebung von Art. 2 Abs. 3 bis 5 AIFMG zusätzliche Anpassungen vorgenommen. Es werden einzelne, festgestellte Mängel behoben und insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Übernahme der AIFM-Richtlinie die Übergangsbestimmungen, die die Überführung von bestehenden Investmentunternehmen für andere Werte oder Immobilien bzw. Investmentunternehmen für qualifizierte Anleger nach dem geltenden IUG in AIF nach dem AIFMG betreffen, unter Berücksichtigung des gleichzeitigen Inkrafttretens des neuen Investmentunternehmensgesetzes und den darin enthaltenen Übergangsbestimmungen angepasst.
In Umsetzung der Richtlinie 2013/14/EU wird die Bestimmung zum Risikomanagement angepasst, indem jeder AIFM Verfahren vorsehen muss, die dazu dienen, dass bei der Bewertung der Bonität von AIF nicht übermässig auf externe Ratings von Ratingagenturen zurückgegriffen werden muss. Vielmehr muss von der FMA überprüft werden können, dass entsprechende Bewertungsverfahren beim Verwalter existieren.
Zur Durchführung der grundsätzlich direkt anwendbaren Verordnungen (EU) Nr. 345/2013 über Europäische Risikokapitalfonds und (EU) Nr. 346/2013 über Euro-
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päische Fonds für soziales Unternehmertum - hierbei handelt es sich um spezielle AIF - werden die Zuständigkeit der FMA festgelegt und Sanktionsbestimmungen für den Fall der Missachtung von Bestimmungen der EU-Verordnungen in das AIFMG aufgenommen. Beide EU-Verordnungen sind auf die Finanzierung von Unternehmen ausgerichtet und unterstützen die Ziele der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Einerseits kann mit Risikokapital den sogenannten "start-ups" der Geschäftseinstieg erleichtert und die Entstehung von neuen innovativen Unternehmen gefördert werden. Andererseits können mit Fonds Sozialunternehmen finanziert und damit ein Beitrag zur Erreichung sozialer Ziele geleistet werden. Eine Harmonisierung der Vorschriften über Qualitätsanforderungen an die Zusammensetzung der Portfolios, die Anlageobjekte und die in Frage kommenden Anleger dient dem Anlegerschutz und einem fairen Wettbewerb zwischen diesen Fonds, die an sich AIF sind, aber bei Erfüllung aller Kriterien als Europäische Risikokapitalfonds (EuVECA) oder Europäische Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) bezeichnet und unter dieser Bezeichnung EWR-weit vertrieben werden können. Als Verwalter solcher Produkte sind in erster Linie die nach Art. 3 Abs. 3 Bst. a AIFM-Richtlinie registrierten AIFM, in Liechtenstein kleine AIFM nach Art. 3 AIFMG, vorgesehen, soweit die in Art. 2 der beiden EU-Verordnungen festgelegten Bedingungen erfüllt sind.
Sowohl die Richtlinie 2013/14/EU als auch die Verordnungen (EU) Nr. 345/2013 und (EU) Nr. 346/2013 sind europäische Finanzmarktrechtsakte, zu deren Umsetzung bzw. Durchführung Liechtenstein als EWR-Vertragsstaat nach Art. 7 EWR-Abkommen verpflichtet ist.