Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (CRA-Durchführungsgesetz; CRA-DG) und des Gesetzes über die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
4
Ratingagenturen spielen auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärkten eine wichtige Rolle. Ratings dieser Agenturen dienen Anlegern, Kreditnehmern, Emittenten und Regierungen als Grundlage für Anlage- und Finanzentscheidungen. Finanzintermediäre - Banken, Wertpapierfirmen nach dem Bankengesetz oder nach dem Vermögensverwaltungsgesetz, Versicherungen, Rückversicherer, Einrichtungen der betrieblichen Personalvorsorge, Verwalter von Fonds nach dem UCITSG und AIFMG oder zentrale Gegenparteien - stützen sich bei der Berechnung ihrer gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen oder der Berechnung der Risiken ihres Anlagegeschäfts auf solche Ratings. Damit wirken sich Ratings erheblich auf das Funktionieren der Märkte sowie das Vertrauen von Anlegern und Verbrauchern aus.
Um unabhängige, objektive und qualitativ angemessene Ratingaktivitäten im Einklang mit den Grundsätzen der Integrität, Transparenz, Rechenschaftspflicht und guten Unternehmensführung im EWR sicherzustellen, wurde vom Europäischen Gesetzgeber die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen erlassen. Diese Verordnung wurde bereits mehrfach abgeändert, insbesondere durch die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 und die Verordnung (EU) Nr. 462/2013. Auch die Richtlinie 2011/61/EU und die Richtlinie 2014/51/EU sahen Änderungen vor. Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ist aufgrund des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, vom 10. Februar 2012 (Nr. 20/2012), für Liechtenstein verbindlich. Die Abänderungsverordnungen und -richtlinien befinden sich, ebenso wie die von der EU-Kommission erlassene Rechtsakte zur Ergänzung oder Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (Level II Rechtsakte), noch im EWR-Übernahmeverfahren.
Grundsätzlich findet eine EU-Verordnung mit Inkrafttreten des EWR-Übernahmebeschlusses Anwendung, ohne dass es einer nationalen Umsetzung bedarf. Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 beinhaltet jedoch einige Bestimmungen, die zu ihrer Durchführung in einem nationalen Gesetz zu regeln sind. In der Gesetzesvorlage werden insbesondere die für den Vollzug der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zuständige Behörde, die spezifischen Aufgaben der sektoral zuständigen Behörden sowie bestimmte Strafbestimmungen festgelegt. Im Nebenerlass werden Folgeänderungen im Finanzmarktaufsichtsgesetz vorgenommen.
5
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
6
7
Vaduz, 30. August 2016
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (CRA-Durchführungsgesetz; CRA-DG) und des Gesetzes über die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
Der EU-Gesetzgeber hat am 16. September 2009 die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen erlassen, nachdem ein gewisser Sachzusammenhang zwischen der Finanzkrise und der Verwendung von Ratings durch Unternehmen der Finanzbranche festgestellt wurde. Einerseits haben Ratingagenturen die verschlechterte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Aus-druck gebracht und andererseits ist es ihnen nicht gelungen, ihre Ratings recht-zeitig anzupassen, als sich die Krise auf dem Markt schon zugespitzt hatte. Hier sollten Verbesserungen durch Massnahmen in den Bereichen Interessenskonflikte, Ratingqualität, Transparenz und organisatorische sowie aufsichtsrechtliche
8
Anforderungen an Ratingagenturen erfolgen. Ausserdem sollten sich Nutzer von Ratings nicht ausschliesslich auf Ratings verlassen, sondern auch eigene Analysen anstellen. In den EU-Mitgliedstaaten ist die Verordnung seit 7. Oktober 2009 in Kraft.
Infolge der Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems und der weiteren Reformbestrebungen nach der Finanzkrise wurde die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 mehrfach abgeändert. Zunächst wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 513/2011 das nationale Aufsichtsregime über Ratings und Ratingagenturen durch eine zentralisierte Aufsicht durch die Europäische Wertpapier- und Markt-aufsichtsbehörde (ESMA) ersetzt. In diesem Zusammenhang wurde auch die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA geregelt. In weiterer Folge erfolgte eine Anpassung im Rahmen der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds betreffend Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009. Es wurden auch AIFM zur Verwendung von Ratings der im EWR registrierten Ratingagenturen verpflichtet. Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 wurden Regelungen zur Förderung der Unabhängigkeit von Ratingtätigkeiten sowie zur Verhinderung eines ausschliesslichen und automatischen Rückgriffs auf Ratings von Ratingagenturen zu aufsichtsrechtlichen Zwecken aufgenommen. Es waren Regelungen enthalten zur Vermeidung von Interessenskonflikten im Zusammenhang mit Investitionen in Ratingagenturen, zur Höchstlaufzeit der vertraglichen Beziehungen zu einer Ratingagentur, zur Vergütung von Mitarbeitern in Ratingagenturen und zur Offenlegungspflicht von In-formationen und Methoden, die den Ratings zugrunde liegen. Ausserdem wurden Veröffentlichungspflichten für Emittenten, Originatoren und Sponsoren mit Sitz im EWR in Bezug auf strukturierte Finanzinstrumente eingeführt. Im Übrigen sollte der Wettbewerb von ein paar wenigen Ratingagenturen auf ein breiteres Angebot ausgebaut werden, dabei sollten auch Agenturen mit nur geringem Marktanteil (unter 10%) gefördert werden.
9
Daneben wurde auch die Richtlinie 2013/14/EU zur weiteren Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 erlassen, welche Vorgaben enthielt, mit denen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und die Verwalter alternativer Investment-fonds (AIFM) angehalten werden sollen, im Rahmen des Risikomanagements einen übermässigen Rückgriff auf Ratings von Ratingagenturen zur Bewertung des Ausfallrisikos der gehaltenen Anlagen zu vermeiden. Diese Richtlinie wurde in Liechtenstein bereits im UCITSG und AIFMG umgesetzt. Die entsprechenden Bestimmungen treten mit Übernahme der Richtlinie 2013/14/EU in das EWR-Abkommen in Kraft.
Zur Ergänzung bzw. zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wurden im Weiteren neun delegierte Verordnungen der EU-Kommission (Level II) erlassen. Darunter befand sich unter anderem eine Gebührenverordnung, die die Aufsichts-gebühren der ESMA gegenüber den ihr unterstellten Ratingagenturen festlegt, sowie eine Verordnung im Hinblick auf Verfahrensvorschriften für von der ESMA den Ratingagenturen auferlegten Geldbussen, einschliesslich der Vorschriften über das Recht auf Verteidigung und Fristen. Daneben wurden verschiedenste technische Regulierungsstandards in delegierten Verordnungen der EU-Kommission festgelegt. Ausserdem hat die EU-Kommission Durchführungsbeschlüsse im Hinblick auf die Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Brasiliens, Argentiniens, Mexikos, Singapurs und Hongkongs erlassen. Diese Rechtsakte werden in Liechtenstein ebenso wie die genannten Abänderungsrechtsakte mit Übernahme in das EWR-Abkommen anwendbar.
Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der Fassung der letzten Abänderung inklusiv aller dazu erlassenen Rechtsakte der EU-Kommission schafft erstmals einen einheitlichen Rahmen für gemeinsame Anforderungen für die Zulassung von und Aufsicht über Ratingagenturen im EWR. EWR-weit besteht damit für die Erstel-
10
lung von Kreditratings eine Registrierungspflicht bei der ESMA. Vor der Registrierung müssen die Ratingagenturen ein umfangreiches Prüfungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen. Schliessen sie dieses Verfahren erfolgreich ab, können sie mit der Tätigkeit beginnen, die laufend von der ESMA beaufsichtigt wird. Damit soll eine angemessene Qualität von abgegebenen Ratings im Einklang mit den Grundsätzen der Integrität, Transparenz, Rechenschaftspflicht und guten Unternehmensführung sichergestellt werden.
Die Marktteilnehmer haben nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 für aufsichtsrechtliche Zwecke ausschliesslich auf Kreditratings von einer bei der ESMA registrierten europäischen Ratingagentur bzw. einer von der ESMA zertifizierten Ratingagentur mit Sitz in einem Drittstaat zurückzugreifen. Verwendet werden dürfen auch Ratings, die von einer registrierten Ratingagentur gemäss dem in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorgesehenen Mechanismus übernommen wurden (Endorsement). Gemäss der von der ESMA publizierten Liste sind per 23. Juni 2016 40 Ratingagenturen registriert und vier zertifiziert (letzter up-date 1. Dezember 2015). Die Marktteilnehmer sollen sich aber nicht ausschliesslich und automatisch auf deren Ratings verlassen, sondern im Rahmen des Risikomanagements interne Bonitätsbewertungen vornehmen.
Ein Rating im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ist jedes Bonitätsurteil, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Rating-kategorien (wie beispielsweise die weit verbreiteten Ratingskalen von AAA bis D) abgegeben wird und sich auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument bzw. auf den jeweiligen Emittenten bezieht. Nicht er-fasst sind unter anderem private Ratings (die nur dem Auftraggeber bekanntgegeben werden), Finanzanalysen im Sinne der Marktmissbrauchsverordnung und der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) sowie unternehmens--
11
interne Kreditscorings (Kreditwürdigkeitsbewertungen), wobei sich eine Abgrenzung insbesondere zwischen Ratings und Scorings mangels klarer gesetzlicher Vorgaben als schwierig erweisen kann.
Der Zweck dieser Verordnung ist darüber hinaus auf das Funktionieren der Wertpapier- und Bankenmärkte sowie auf die Stärkung des Vertrauens von Anlegern und Verbrauchern ausgerichtet. Dazu sind umfangreiche Vorschriften zur inneren Organisation einer Ratingagentur enthalten, die potentielle Interessen-konflikte vermeiden oder verringern und eine möglichst hohe Qualität der Ratings sicherstellen sollen. Daneben umfasst sie zahlreiche Darstellungs- und Transparenzvorschriften, die es den Verwendern von Ratings ermöglichen sollen, die Grundlagen und Aussagekraft eines Ratings besser zu verstehen. Die verwendeten Ratingmethoden müssen streng, systematisch und beständig sein und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten (insbesondere Rückvergleiche) beruht.
Die Einhaltung der Vorschriften wird von der ESMA kontrolliert, sie darf jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt von Ratings nehmen. Durch die Konzentration der europaweiten Aufsicht bei der ESMA kommen ihr umfassende Exekutivkompetenzen zu. Sie ist für den Vollzug der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zuständig und führt die praktische Aufsichtstätigkeit, auch die Vor-Ort-Kontrolle und Sanktionierung durch. Die Mitwirkung der nationalen Aufsichtsbehörden wie der FMA konzentriert sich auf die Mitarbeit in der ESMA selbst. Die EWR-EFTA Staaten verfügen über einen Beobachterstatus, haben aber kein Stimmrecht. Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der geänderten Fassung räumt der ESMA allerdings die Möglichkeit ein, unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Aufsichtstätigkeiten an nationale Aufsichtsbehörden zurück zu übertragen, wobei die ESMA jedoch die Verantwortung für alle Massnahmen trägt. Als sektoral zuständige Behörden bleiben die nationalen Aufsichtsbehörden gemäss Art. 25a der Ver-
12
ordnung (EG) 1060/2009 für die Einhaltung einzelner Bestimmungen derselben Verordnung durch die Marktteilnehmer (Versicherungen, Banken, Fondsmanager, etc.) zuständig.