Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2016 / 150
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass für die Vorlage
3.Schwer­punkte des Zweiten Protokolls
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zum Zweiten Protokoll
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit/Rechtliches
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das zweite Protokoll vom 26. März 1999 zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut  bei bewaffneten Konflikten  
 
5
Das Zweite Protokoll vom 26. März 1999 zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten wurde im Rahmen der UNESCO ausgearbeitet. Es trägt den Entwicklungen in den Bereichen des humanitären Völkerrechts, des internationalen Strafrechts und des Rechts zum Schutz von Kulturerbe Rechnung. Das Zweite Protokoll bietet die folgenden grundlegenden Neuerungen gegenüber der Haager Konvention von 1954: Es werden detaillierte Strafbestimmungen für Verstösse gegen Vorschriften zum Schutz von Kulturgut eingeführt. Sämtliche Bestimmungen des Zweiten Protokolls sind auf internationale sowie nicht-internationale bewaffnete Konflikte anwendbar. Ferner enthält das Zweite Protokoll eine Auflistung von präventiven Massnahmen zur Sicherung des Kulturguts, welche die Staaten bereits zu Friedenszeiten treffen müssen. Schliesslich verbessert es den Schutz für die bedeutendsten Kulturgüter der Menschheit. Das zweite Protokoll zählt bisher 69 Vertragsstaaten.
Die liechtensteinische Rechtsordnung genügt mit dem neuen Kulturgütergesetz den Anforderungen des Zweiten Protokolls. Die präventiven Massnahmen sind im neuen Kulturgütergesetz verankert und eine Sanktionierung der Verletzung der Vorschriften zum Schutz von Kulturgut ist durch das Kulturgütergesetz und das Strafrecht vorgesehen.
Der Beitritt zum Zweiten Protokoll hat keine voraussehbaren direkten finanziellen Folgen für Liechtenstein. Der im Zweiten Protokoll vorgesehene und 2009 errichtete Fonds für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten basiert vollständig auf Freiwilligkeit.
Mit dem Beitritt bestärkt Liechtenstein seine Zusammenarbeit und Solidarität mit der internationalen Staatengemeinschaft im Bereich des Kulturgüterschutzes.
6
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Bildung und Kultur
Betroffene Stellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Kultur
7
Vaduz, 25. Oktober 2016
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Zweite Protokoll vom 26. März 1999 zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten zu unterbreiten.
1.1Einleitung
Mit der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 (nachfolgend Konvention)1 ist ein Vertragswerk geschaffen worden, das Schäden und unersetzlichen Verlusten an Kulturgut vorbeugen soll, wie sie während des Zweiten Weltkriegs aufgetreten waren. Die Konvention, welche zum Rahmen der UNESCO gehört, stellt das erste weltweit anerkannte Instrument dar, welches ausschliesslich den Schutz des Kulturguts zum Ziel hat. Kulturgut im Sinne dieser Konvention bedeutet einerseits bewegliches und un-
8
bewegliches Gut, wie z.B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler kirchlicher oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gruppen von Bauten, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, von Archivalien oder von Reproduktionen des umschriebenen Kulturguts.2 Andererseits werden auch Gebäude, welche der Erhaltung oder Ausstellung von beweglichem Kulturgut dienen, und Denkmalzentren unter den Begriff "Kulturgut" subsummiert.3 Für Liechtenstein ist die Konvention am 28. Juli 1960 in Kraft getreten. Sie zählt derzeit 127 Vertragsparteien.
Zusammen mit der Konvention entstand auch das Haager Protokoll zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 (nachfolgend Erstes Protokoll). Das Erste Protokoll regelt den Schutz von Kulturgut vor Ausfuhr aus dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei und die Rückführung von Kulturgut, das widerrechtlich ausgeführt wurde. Das Erste Protokoll ist für Liechtenstein am 28. Juli 1960 in Kraft getreten und zählt derzeit 104 Vertragsparteien.
Seit der Annahme der Konvention im Jahre 1954 hat sich das humanitäre Völkerrecht normativ weiterentwickelt. Am 7. Juni 1977 wurden die zwei Zusatzprotokolle4 (nachfolgend Zusatzprotokoll I/ZP I bzw. Zusatzprotokoll II/ZP II) zu den Genfer Abkommen von 1949 (GA)5 verabschiedet, welche den Schutz der Genfer Abkommen verstärken. Darin sind auch einzelne Bestimmungen zum Schutz des Kulturguts in internationalen bzw. nicht internationalen bewaffneten Konflikten -
9
enthalten. Art. 53 ZP I und Art. 16 ZP II verbieten jegliche feindselige Handlung gegenüber geschütztem Kulturgut bzw. die Verwendung von geschütztem Kulturgut zur Unterstützung eines militärischen Einsatzes. Diese Verbote werden jedoch relativiert, da beide Zusatzprotokolle die Regelungen der Haager Konvention von 1954 vorbehalten. Die beiden Zusatzprotokolle erweitern im Übrigen die Definition von Kulturgut um Kultstätten.
Gemäss Zusatzprotokoll I gelten Zerstörungen von bestimmten Kulturgütern, die zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker gehören und unter einem besonderen Schutz stehen, als schwere Verletzungen des Völkerrechts.6 Sie werden laut Art. 85 Abs. 5 ZP I den Kriegsverbrechen zugeordnet. Gleichzeitig mit den strafrechtlichen Regelungen von Verletzungen von Kulturgut im bewaffneten Konflikt wurden mit der UNESCO-Konvention von 1970 dem illegalen Transfer von Kulturgut Grenzen gesetzt, wobei Liechtenstein kein Mitgliedstaat der UNESCO ist.7
Auf europäischer Ebene sind besonders das Europäische Kulturabkommen8, das Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas9 und das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes10 zu erwähnen. Alle diese Abkommen enthalten Bestimmungen, welche zum Schutz von Kulturgütern verpflichten.11
10
Anfang der neunziger Jahre rückte die Problematik des Kulturgüterschutzes durch die Kriege in Ex-Jugoslawien wieder ins öffentliche Bewusstsein. Der Beschuss der Altstadt von Dubrovnik, welche in der Liste des zu erhaltenden Weltkulturerbes enthalten ist, sowie die Zerstörungen von Mostar und Vukovar wurden zu einem internationalen Thema. Die systematische Zerstörung des kulturellen Erbes ethnischer Gruppen wurde vermehrt als Methode der Kriegsführung angewendet. Der Gegner sollte dadurch seiner Identität beraubt, gedemütigt, demoralisiert und teilweise auch vertrieben werden.
Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs für Ex-Jugoslawien (ICTY) aus dem Jahre 1993 enthält unter dem Titel "Verletzung der Gesetze und der Gebräuche des Krieges" den Tatbestand der Verletzung von bestimmten Kulturgütern.12 Im Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 199813 ist in Art. 8 die Verletzung von bestimmten Kulturgütern als Kriegsverbrechen aufgelistet.



 
1LGBl. 1960 Nr. 17/1.
 
2Art. 1 Bst. a der Konvention.
 
3Art. 1 Bst. b und c der Konvention.
 
4Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977, LGBl. 1989 Nr. 62; Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977, LGBl. 1989 Nr. 63.
 
5Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (nachfolgend Genfer Abkommen/GA) bestehend aus vier Abkommen, enthalten in: LGBl. 1989 Nr. 18, 1989 Nr. 19, 1989 Nr. 20, 1989 Nr. 21.
 
6Art. 85 Abs. 4 Bst. d ZP I.
 
7UNESCO-Konvention vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut. Liechtenstein ist nicht Vertragspartei.
 
8LGBI. 1979 Nr. 38.
 
9LGBI. 1988 Nr. 20.
 
10LGBI. 1997 Nr. 10.
 
11Europäisches Kulturabkommen vom 19. Dezember 1954, Art. 1 und Art. 5, Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas vom 3. Oktober 1985, Art. 3, sowie Europäisches Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes vom 16. Januar 1992, Art. 2 und Art. 4.
 
12Art. 3 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs für Ex-Jugoslawien.
 
13LGBl. 2002 Nr. 90.
 
LR-Systematik
0..5
0..52.0
LGBl-Nummern
2017 / 058
Landtagssitzungen
01. Dezember 2016
Stichwörter
Haager Kon­ven­tion zum Schutz von Kul­turgut, 2. Zusatzprotokoll
Kon­flikte, bewaff­nete, Schutz des Kulturgutes
Kul­turgut, Schutz bei bewaff­neten Konflikten
Schüt­zens­werte Kul­tur­güter (2. Zusatz­pro­to­koll zur Haager Konvention 1954)