Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Entwurf eines Beschlusses des gemeinsamen EWR-Ausschusses (Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps)
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Im Bereich der Leerverkäufe und bestimmter Aspekte von Credit Default Swaps soll im EWR ein einheitlicher Regelungsrahmen geschaffen werden, um eine finanzielle Instabilität der Märkte zu minimieren und somit den Binnenmarkt zu stärken. Der entsprechende Rechtsbestand im Bereich Leerverkäufe besteht aus der Grundverordnung (EU) Nr. 236/2012 (in weiterer Folge als VO 236/2012 bezeichnet) sowie den diese ergänzenden Verordnungen (EU) Nr. 826/2012, (EU) Nr. 827/2012, (EU) Nr. 918/2012, (EU) Nr. 919/2012 und Verordnung (EU) Nr. 2015/97 (im Weiteren als Leerverkaufsrechtsakte bezeichnet).
Im Zuge der Finanzkrise im September 2008 haben die zuständigen Behörden in mehreren Mitgliedstaaten und die Aufsichtsstellen in Drittländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan ausserordentliche Massnahmen vorgenommen, um den Leerverkauf bestimmter oder sämtlicher Wertpapiere zu beschränken oder zu verbieten. Anlass hierfür waren Bedenken, dass Leerverkäufe in Zeiten beträchtlicher finanzieller Instabilität die Abwärtsspirale der Aktienkurse verstärken könnten, insbesondere bei Finanztiteln, wodurch schliesslich die Lebensfähigkeit der Finanzinstitute bedroht würde und systemische Risiken entstehen könnten. Mangels eines einheitlichen Regelungsrahmens im EWR bzgl. der Behandlung von Aspekten im Zusammenhang mit Leerverkäufen, fielen diese Massnahmen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Aufgrund dessen wurden in der EU entsprechende Harmonisierungsmassnahmen erlassen. Diese sollen das ordnungsgemässe Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte, sicherstellen sowie ein hohes Mass an Verbraucher- und Anlegerschutz gewährleisten.
Die Leerverkaufsrechtsakte enthalten zum einen Verbotsregelungen für ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln sowie ungedeckten Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel, zum anderen sind Transparenzregelungen für Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien, öffentlichen Schuldtiteln und gegebenenfalls CDS durch den Betroffenen zu beachten.
Leerverkäufe nach der VO 236/2012 können von natürlichen als auch juristischen Personen im Inland wie auch in Drittländern durchgeführt werden. Dabei spielt der Ort des jeweiligen Geschäftsabschlusses ebenso wenig eine Rolle wie die Na-
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tionalität der Beteiligten oder ihr Sitz. Zudem finden einige Vorschriften der VO 236/2012 auf alle Finanzinstrumente Anwendung.
Die Leerverkaufsrechtsakte werden in Liechtenstein nach Inkrafttreten der jeweiligen Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses unmittelbar gelten. Der Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der VO 236/2012 ist aber erforderlich (darin werden Sanktionen im Falle der Nichtbeachtung der VO 236/2012 vorgesehen und die FMA als zuständige Behörde benannt).
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
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Vaduz, 12. April 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Entwurf für einen Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps sowie der dazu erlassenen Delegierten Verordnungen (EU) Nr. 826/2012, (EU) Nr. 918/2012, (EU) Nr. 919/2012 und EU 2015/97, wie auch der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 zu unter-breiten.
Aufgrund der sehr speziellen Situation und dem Interesse des liechtensteinischen Finanzplatzes, die betroffenen EU-Rechtsakte so schnell wie möglich in Kraft zu setzen, wird dem Hohen Landtag ausnahmsweise ein finaler Entwurf
1 eines EWR--
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Übernahmebeschlusses in englischer Fassung zur vorherigen Genehmigung vorgelegt. Aufgrund der grossen zeitlichen Verzögerung im EWR-Übernahmeprozess und der Notwendigkeit so schnell wie möglich den EU-Rechtsbestand ins EWR-Abkommen zu übernehmen und auch anzuwenden, ist eine Befassung des Landtags mit bestimmten EWR-Übernahmebeschlüssen vor deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss notwendig.
Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hohe Landtag einerseits mit den Umsetzungsmassnahmen der vom ersten Paket umfassten EU-Rechtsakte bereits teilweise befasst wurde. Andererseits kann auf diese Weise sichergestellt werden, dass die EWR-Übernahmebeschlüsse am Tag nach deren Unterzeichnung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss in Kraft treten könnten, sofern alle nationalen Zustimmungsverfahren zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sind. Aktuell hat Norwegen angekündigt, aufgrund der nicht fertiggestellten nationalen Um-setzungsmassnahmen nach der Beschlussfassung im Gemeinsamen EWR-Ausschuss noch ein Verfahren gemäss Artikel 103 EWR-Abkommen anzumelden. Die jeweiligen Übernahmebeschlüsse können erst in Kraft treten, wenn alle drei EWR/EFTA Staaten bereit sind, d.h. in diesem Falle erst, wenn Norwegen den Abschluss dieses (grundsätzlich eine Sechs-Monats-Frist vorsehenden) Verfahrens notifiziert.
Der Gemeinsame EWR-Ausschuss wird voraussichtlich Mitte 2016 beschliessen, die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps sowie die dazu erlassenen Delegierten Verordnungen (EU) Nr. 826/2012, (EU) Nr. 918/2012, (EU) Nr. 919/2012 und EU 2015/97, wie auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 827/2012 in das EWR-Abkommen zu übernehmen.
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Die VO 236/2012 ist in den EU-Mitgliedsstaaten am 25. März 2012 in Kraft getreten und gilt in der EU seit dem 1. November 2012. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat.
Hinsichtlich der allgemeinen EWR-Anpassungen des EU-Aufsichtssystems bzw. der Kompetenzen die von den EU-Aufsichtsbehörden auf die EFTA-Überwachungsbehörde im Zuge der Übernahme in das EWR-Abkommen über-tragen werden, wird auf den BuA Nr. 34/2016 verwiesen.
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1 | Geringfügige Änderungen technischer Natur können sich allenfalls im Zuge der Verfahren auf EU-Seite ergeben. Sollten solche Änderungen vorgenommen werden, wird der Landtag bzw. die EWR-Landtagskommission entsprechend informiert werden und es kann entschieden werden, ob der Landtag erneut befasst werden muss (siehe dazu Seite 9). |
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