Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend
das Übereinkommen des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen sowie die multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten
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Der Beitritt zum Übereinkommen des Europarates und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (Amtshilfeübereinkommen; MAK) stellt einen weiteren wichtigen Meilenstein in der Umsetzung der Finanzplatz- und Steuerstrategie der Regierung dar. Liechtenstein hat mit der Regierungserklärung vom 14. November 2013 sein Commitment zu den geltenden internationalen Standards der OECD im Bereich der Steuerkooperation erneuert, sich frühzeitig zum neuen globalen Standard eines automatischen Informationsaustausches (AIA) bekannt und der sog. Early Adopters Gruppe angeschlossen. Liechtenstein hat das Amtshilfeübereinkommen am 21. November 2013 unterzeichnet. Aktuell haben 94 Staaten das Amtshilfeübereinkommen unterzeichnet, wobei es in 78 Staaten bereits in Kraft ist (Stand: 22. April 2016). Mit der Ratifikation des Übereinkommens kommt Liechtenstein seiner politischen Verpflichtung nach, die internationalen Standards anzuerkennen und umzusetzen.
Das Amtshilfeübereinkommen ist ein umfassendes Instrument der multilateralen Zusammenarbeit im Steuerbereich. Es ermöglicht den Vertragsparteien, sich betreffend einer Vielzahl von Steuern gegenseitig Amtshilfe zu leisten. Das Amtshilfeübereinkommen beinhaltet neben dem Informationsaustausch weitere Formen der Amtshilfe. Der modulare Aufbau des Amtshilfeübereinkommens und die Möglichkeit bestimmte Vorbehalte anzubringen, erlaubt es den Staaten, bestimmte Arten der Zusammenarbeit auszuschliessen und den Geltungsbereich individuell zu gestalten. Die Staaten können damit individuell entscheiden, zu welchen Formen der Zusammenarbeit sie sich verpflichten wollen. Der Informationsaustausch auf Ersuchen und der spontane Informationsaustausch sind zwingend und können nicht vorbehalten werden. Das Amtshilfeübereinkommen bildet darüber hinaus auch eine Grundlage für die bilaterale Umsetzung des AIA. Liechtenstein wird das Amtshilfeübereinkommen zudem als Grundlage dafür nutzen, die länderbezogene Berichterstattung für grosse Unternehmen ("country by country reporting") sowie den spontanen Informationsaustausch (insbesondere den Austausch von sogenannten "Rulings") umzusetzen.
Liechtenstein hat am 29. Oktober 2014 zusammen mit 50 anderen Staaten und Gebieten in Berlin eine multilaterale Vereinbarung über die Grundsätze der Durchführung des AIA (Multilateral Competent Authority Agreement; MCAA) un-
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terzeichnet. Das MCAA stellt ein Instrument dar, um den von der OECD entwickelten AIA-Standard umzusetzen. Bis heute haben 80 Staaten das MCAA unterzeichnet.
Das MCAA basiert auf dem Gedanken einer einheitlichen Umsetzung des AIA-Standards der OECD. Es wird eine einzige Vereinbarung abgeschlossen und somit die Umsetzung eines einzigen Standards sichergestellt. Das MCAA enthält die Verpflichtung zum Austausch bestimmter Informationen, die nach den geltenden Melde- und Sorgfaltsvorschriften gemäss dem von der OECD mit den G20-Staaten ausgearbeiteten Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen (gemeinsamer Meldestandard) beschafft wurden. Liechtenstein hat den gemeinsamen Meldestandard mit dem AIA-Gesetz bereits innerstaatlich umgesetzt.
Mit den EU-Mitgliedsstaaten erfolgt der AIA auf Basis des gemeinsamen Meldestandards über das Änderungsprotokoll zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind. Für weitere Staaten ausserhalb der EU soll der AIA für Liechtenstein über das MCAA (und damit über die MAK) umgesetzt werden.
Die staatsvertragliche Grundlage für das MCAA bildet Artikel 6 des Amtshilfeübereinkommens, wonach zwei oder mehrere Vertragsparteien für Fallkonstellationen und nach Verfahren, die sie einvernehmlich regeln, Informationen automatisch austauschen. Da das MCAA auf der MAK basiert, muss dieses für Liechtenstein in Kraft treten, damit Liechtenstein auf der Basis des MCAA den AIA bilateral einführen kann. Damit wird die Grundlage für die Umsetzung des AIA mit weiteren interessierten und geeigneten Partnern geschaffen.
Das MCAA ist als Vereinbarung zwischen zuständigen Behörden konzipiert, hält aber explizit fest, dass eine Unterzeichnung allfällige nationale Genehmigungsverfahren nicht präjudiziert. In Liechtenstein ist das MCAA dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten.
Die Frage, mit welchen Ländern der AIA umgesetzt werden soll, wird durch das MCAA nicht direkt festgelegt. Die bilaterale Aktivierung des AIA mit bestimmten
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Staaten wird dem Landtag separat zur Genehmigung unterbreitet. Erst dann kann das MCAA zwischen Liechtenstein und bestimmten Staaten und Gebieten seine Wirkung entfalten.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörden
Stabsstelle für internationale Finanzplatzagenden
Steuerverwaltung
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Verwaltungsgerichtshof
Datenschutzstelle
Amt für Informatik
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Vaduz, 10. Mai 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen sowie die Multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zu unterbreiten.
Das multilaterale Übereinkommen der Europarates und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (Amtshilfeübereinkommen; MAK) entstand im Jahr 1988 aus einer Zusammenarbeit des Europarats und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Es wurde am 25. Januar 1988 zur Unterzeichnung aufgelegt und trat für die ersten fünf Staaten (Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und die USA) am 1. April 1995 in Kraft.
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Es verzeichnete in den ersten Jahren nur einen leichten Zuwachs an Unterzeichnerstaaten. Im Jahr 2009 wurde das multilaterale Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen revidiert, um es den internationalen Entwicklungen anzupassen und um auch Nichtmitgliedsstaaten des Europarats bzw. der OECD den Beitritt zu ermöglichen. Das Änderungsprotokoll ist am 1. Juni 2011 in Kraft getreten. Mit dem Begriff "Amtshilfeübereinkommen" oder MAK ist nachfolgend das Übereinkommen in seiner durch das Änderungsprotokoll vom 1. Juni 2011 revidierten Fassung gemeint. In den letzten Jahren haben sowohl die G20-Staaten als auch die OECD alle Staaten zum Beitritt aufgerufen. In der Folge stieg die Anzahl Staaten, die das Amtshilfeübereinkommen unterzeichnet haben, auf 94 an, wobei es in 78 Staaten bereits in Kraft ist (Stand: 22. April 2016)
1. Zu den Unterzeichnerstaaten gehören sämtliche G20-Staaten sowie alle Mitgliedsstaaten der OECD mit Ausnahme Israels. Der Geltungsbereich des Amtshilfeübereinkommens wurde in den letzten zwei Jahren auf 15 Überseegebiete und Kronbesitzungen des Vereinigten Königreichs sowie Territorien der Niederlanden und Dänemark ausgeweitet
2. Der Begriff "Vertragsparteien" bezeichnet die Staaten und Territorien, in denen das Amtshilfeübereinkommen in Kraft ist.
Aufgrund der Unterstützung, die das Amtshilfeübereinkommen durch die G20 und die OECD geniesst, und seiner breiten Basis an Unterzeichnerstaaten gehört der Beitritt zum Amtshilfeübereinkommen heute zum Standard in der internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen. Die Regierung hatte im Einklang mit der strategischen Ausrichtung der liechtensteinischen Finanzplatzpolitik und der Regierungserklärung vom 14. November 2013 die Unterzeichnung des Überein-
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kommens beschlossen. Liechtenstein unterzeichnete das Übereinkommen am 21. November 2013 am Rande des Jahrestreffens des Global Forums in Jakarta.
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1 | http://www.oecd.org/ctp/exchange-of-tax-information/Status_of_convention.pdf |
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2 | Es handelt sich dabei um Anguilla, Aruba, Bermuda, die britischen Jungferninseln, Curaçao, die Färöer-Inseln, Gibraltar, Grönland, Guernsey, die Insel Man, Jersey, die Kaimaninseln, Montserrat, St. Martin sowie die Turks- und Caicosinseln. |
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