Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes zum Schutz von Natur und Landschaft, des Jagdgesetzes und des Beschwerdekommissionsgesetzes
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Seit wenigen Jahren wird Liechtenstein wieder von Wildtierarten besiedelt, die bei uns über lange Zeit als ausgerottet galten. Während sich Luchs und Biber inzwischen fest etabliert haben, dürfte der Wolf bei uns erst sporadisch seine Fährten ziehen. Für alle drei Arten gilt, dass sie nicht in eine Wildnis zurückkehren, sondern in eine Kulturlandschaft mit vielfältigen Ansprüchen der Gesellschaft. Die grosse Herausforderung besteht nun darin, Voraussetzungen zu schaffen, die ein konfliktarmes Zusammenleben dieser Rückkehrer mit dem Menschen ermöglichen. Dies bedingt unter anderem auch geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen.
Die liechtensteinische Gesetzgebung enthält wie jene der Schweiz aufgrund ratifizierter Konventionen (Berner, Bonner und Washingtoner Konvention) strenge Schutzbestimmungen für nicht jagdbare Tierarten. Hinsichtlich der Umsetzung dieser Vorgaben in ein auf die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten ausgerichtetes Management dieser Tierarten, verfügt die Schweiz über mehrjährige Erfahrungen und entsprechende Konzepte. Für Liechtenstein macht es deshalb Sinn, dass man sich weitestgehend an der Schweiz orientiert, wenn es um heikle Fragen wie das Fangen oder Abschiessen streng geschützter Tiere geht. Dasselbe gilt für allfällig zu treffende Massnahmen in Bezug auf die Verhütung von drohenden Schäden bzw. die Vergütung von entstandenen Schäden. Entsprechend soll mit der Vorlage das Gesetz zum Schutz von Natur und Landschaft hinsichtlich der Ausnahmen von den Schutzbestimmungen konkretisiert werden. Dabei orientiert sich die Vorlage an den Ausnahmen, welche auch die internationalen Konventionen vorsehen.
Dementsprechend wird ein dreistufiges Schutzkonzept festgelegt. Die erste Stufe umfasst den generellen Schutz von sämtlichen Pflanzen und Tieren gegen unnötige Beeinträchtigungen. Hiervon ausgenommen werden die Bekämpfung von gebietsfremden, invasiven Tier- und Pflanzenarten. Gegenüber diesem generellen Schutz werden für spezifisch geschützte Arten weitergehende Schutzbestimmungen festgelegt. Die spezifisch geschützten Arten umfassen einerseits geschützte und andererseits streng geschützte Arten. Für beide Gruppen werden sodann die Bedingungen konkretisiert, unter denen Ausnahmen von den Schutzbestimmungen gewährt werden können. Diese Voraussetzungen sind für streng geschützte
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Arten (Stufe drei) restriktiver als für geschützte Arten (Stufe zwei) und orientieren sich an den Bestimmungen der Berner Konvention. Zusätzlich wird zur Minderung des Konfliktpotentials klar geregelt, welche Massnahmen zur Schadensvorbeugung und Schadensabgeltung gefördert werden können. All diese Bestimmungen bilden die rechtliche Grundlage für die differenzierte Festlegung von Managementkonzepten für spezifisch geschützte Arten in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Schutzstatus. Zudem ermöglicht es die Anbindung an die Schutzkonzepte der Schweiz unter gleichzeitiger Berücksichtigung spezifischer liechtensteinischer Gegebenheiten.
Diese Anpassungen schaffen auch im Rahmen der Schutzbestimmungen des Naturschutzgesetzes Rechtssicherheit bezüglich der Bekämpfung von gebietsfremden Arten. Im Rahmen der Gesetzesänderung sollen zudem verfahrensrechtliche Bestimmungen an die in den vergangenen Jahren erfolgten Rechtsentwicklungen in anderen Umwelterlassen angeglichen und die Aufgaben der Kommission für Natur- und Landschaftsschutz den heutigen Gegebenheiten angepasst werden.
Bislang beziehen sich im Jagdgesetz einige Bestimmungen auch auf geschützte Tierarten, wobei dieser Begriff im Jagdgesetz nicht abschliessend geklärt ist. Die Anpassungen im Naturschutzgesetz bedingen somit eine Angleichung dieser Artikel im Jagdgesetz. Diese notwendigen Änderungen werden zum Anlass genommen, verfahrenstechnische Bestimmungen des Jagdgesetzes an die heutigen Erfordernisse anzupassen. Dies sind in erster Linie Zuständigkeitsbestimmungen, die genaue Festlegung des Beschwerdeweges sowie wenige inhaltliche Anpassungen an die heutigen Rahmenbedingungen. Insbesondere soll es ermöglicht werden, bei der Ausübung der Jagd aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Jagdeffizienz Schalldämpfer zu verwenden.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Umwelt sowie Sport
Betroffene Amtsstellen
Amt für Umwelt
Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Amt für Bevölkerungsschutz
Landespolizei
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Vaduz, 10. Mai 2016
LNR 2016-565
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes zum Schutz von Natur und Landschaft, des Jagdgesetzes und des Beschwerdekommissionsgesetzes zu unterbreiten.
Als die Nutzung der Alpen im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, waren viele Bergwälder durch Waldweide und übermässige Ausbeutung der Holzvorrä-te zerstört. Damit war auch der Lebensraum vieler Wildtiere vernichtet, was zu deren Rückgang führte. Die ungeregelte Jagd trug ebenfalls zum Verschwinden des Wildes bei. Die Grossraubtiere waren deshalb gezwungen, Nutztiere zu reis-sen und wurden in der Folge vom Menschen immer stärker verfolgt. Dies führte schliesslich zur Ausrottung von Wolf, Luchs und Braunbär.
Der Luchs wurde 1971 wieder aktiv in der Schweiz angesiedelt, indem ein Luchspaar im Kanton Obwalden ausgesetzt wurde. Seitdem breitete sich diese Tierart in fast alle Landesteile aus, wobei sie inzwischen auch in Liechtenstein sesshaft
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geworden ist. Während die ersten Einzelbeobachtungen von Luchsen im Raum Maurerberg / Planken gemacht wurden, ist Liechtenstein heute ein Streifgebiet für mehrere Luchse.
Auf natürliche Weise hat sich hingegen der Wolf angesiedelt, der seit den 1990er Jahren von Süden her in mehrere Regionen der Schweiz eingewandert ist. Heute findet sich ein Verbreitungsschwerpunkt im Calandagebiet, in unmittelbarer Nähe zu Liechtenstein.
Dass auch der Braunbär demnächst in Liechtenstein sesshaft wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Er ist in Bezug auf seine Lebensraumansprüche allerdings sehr anpassungsfähig, weshalb nicht auszuschliessen ist, dass er sich in Zukunft zumindest temporär auch wieder in Liechtenstein niederlässt.
Wolf, Luchs und Bär kehren heute aber nicht in eine Wildnis zurück, sondern in eine vom Menschen dominierte Landschaft mit vielfältigen Ansprüchen verschiedener Nutzer. Die grosse Herausforderung besteht deshalb darin, Voraussetzungen zu schaffen, die ein konfliktarmes Zusammenleben der grossen Raubtiere mit dem Menschen ermöglichen. Dazu gehören zweifellos auch geeignete gesetzliche Regelungen, die es erlauben, ein zweckmässiges Management für Grossraubtiere einzuführen.
Seit 2008 ist auch der Biber wieder zurück in Liechtenstein und breitet sich seither kontinuierlich im Talraum aus. Der Biber findet bei uns nur noch sehr wenige naturnahe Lebensräume, in welchen er seinen Lebensraum uneingeschränkt gestalten kann ohne dabei Konflikte zu verursachen. Beispiele für Konflikte sind der Einstau von Drainageleitungen, die Unterhöhlung von Strassen und Wegen,
Frassschäden an landwirtschaftlichen Kulturen oder das Durchlöchern von Hochwasserschutzdämmen. Auch für den Biber sind daher rechtliche Grundlagen
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zu schaffen um ihn einerseits regulieren zu können und andererseits gewisse von ihm verursachte Schäden zu vergüten.
Die liechtensteinische Gesetzgebung enthält wie jene der Schweiz aufgrund ratifizierter Konventionen (Berner
1, Bonner
2 und Washingtoner
3 Konvention) strenge Schutzbestimmungen für nicht jagdbare Tierarten, zu denen Grossraubtiere gehören. In der Schweiz erfolgten vor kurzem aber Gesetzesanpassungen, welche im Rahmen der völkerrechtlichen Verpflichtungen ermöglichen, ein auf die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten ausgerichtetes Management von Grossraubtieren umzusetzen. Mit der vorliegenden Gesetzesvorlage sollen für Liechtenstein ähnliche Bedingungen geschaffen werden. Das ermöglicht es, dass Liechtenstein sich an die Schweizer Grossraubtierkonzepte anschliessen kann.
Da die Einwanderung des Braunbären in Liechtenstein in nächster Zeit nicht erwartet wird, strebt die Regierung in erster Priorität an, sich in die Schweizer Konzepte für Wolf und Luchs einzugliedern. Dabei gilt es dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Grossraubtiere einerseits auf Bewunderung stossen, andererseits aber auch Ängste und Ablehnung hervorrufen. Gemäss Schweizer Umfragen steht die Mehrheit der Bevölkerung Grossraubtieren wohlwollend gegenüber.
Die aufgrund dieser Ausgangslage notwendige Abänderung des Gesetzes zum Schutz von Natur und Landschaft und des Jagdgesetzes werden zum Anlass genommen, weitere Anpassungen der beiden Gesetze vorzunehmen, welche sich aufgrund aktueller Entwicklungen (Problematik der Neobioten), der Vollzugspra-
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xis, der Rechtsentwicklungen in anderen Umwelterlassen sowie legistischer Erfordernisse aufdrängen.
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1 | Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräumen (Berner Konvention), LGBl. 1982 Nr. 42 |
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2 | Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (Bonner Konvention), LGBl. 1998 Nr. 156 |
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3 | Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Konvention), LGBl. 1980 Nr. 63 |
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