Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2016 / 91
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Schwer­punkte der Vorlage
3.Ver­nehm­las­sung
4.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
5.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
6.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend Abänderung des Steuergesetzes  
 
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Die OECD sowie die G20 Staaten wollen mit ihrem gemeinsamen Projekt "BEPS" (Base Erosion and Profit Shifting) gegen die so genannte Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage und die künstliche Gewinnverlagerung vorgehen. Sie haben sodann einen Aktionsplan mit insgesamt 15 Massnahmen erstellt, um dieses Problem auf globaler Ebene anzugehen. Die Massnahmen haben insbesondere zum Ziel, den Gewinn dort zu besteuern, wo er erwirtschaftet wird, die Transparenz zu erhöhen sowie eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Mit der gegenständlichen Steuergesetzänderung werden Regelungen zur Umsetzung folgender BEPS-Massnahmen vorgeschlagen.
In den BEPS-Massnahmen wird die Einführung des Korrespondenzprinzips empfohlen, was bedeutet, dass nur solche Erträge steuerfrei vereinnahmt werden dürfen, welche nicht zuvor im Quellenstaat als Aufwand geltend gemacht werden konnten (Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung). Im Steuergesetz soll das Korrespondenzprinzip bezüglich Dividenden (ab einer Beteiligungsquote von mindestens 25%) umgesetzt werden.
Die BEPS-Massnahmen zu IP-Boxen schränken den Kreis der immateriellen Werte, welche als IP-Box relevante Rechte qualifizieren, ein und sehen den Nexus Approach vor. Nachdem die geltende IP-Regelung nicht diesen Vorgaben entspricht, soll sie mit einer Übergangsfrist aufgehoben werden.
Die BEPS-Massnahmen fordern den Austausch von Steuerrulings (verbindliche Auskünfte/Zusagen von Steuerbehörden) unter den betroffenen Steuerbehörden. Im Steuergesetz wird nun der Begriff "verbindliche Auskunft bzw. Zusage" definiert.
Die BEPS-Massnahmen empfehlen eine weltweit standardisierte Dokumentation der Verrechnungspreise, damit die zuständigen Steuerbehörden einen besseren Überblick über die weltweite Geschäftstätigkeit und die allgemeine Verrechnungspreispolitik einer Unternehmensgruppe erhalten. Im Steuergesetz soll festgelegt werden, dass Unternehmen zur Führung von Verrechnungspreisdokumentationen verpflichtet sind.
In der Vorlage werden sodann weitere kleinere Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Insbesondere soll die rechtliche Grundlage geschaffen werden, dass Or-
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ganentschädigungen, welche an juristische Personen ohne Sitz bzw. tatsächliche Verwaltung im Inland geleistet werden, ebenfalls der Quellensteuer unterliegen. Somit erfolgt eine steuerliche Gleichbehandlung mit Organentschädigungen an natürliche Personen ohne Wohnsitz bzw. Aufenthalt im Inland.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Steuerverwaltung
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Vaduz, 12. Juli 2016
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Steuergesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die OECD sowie die G20 Staaten haben sich mit ihrem gemeinsamen Projekt "BEPS" (Base Erosion and Profit Shifting) zum Ziel gesetzt, gegen die so genannte Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage und die künstliche Gewinnverlagerung vorzugehen. Das BEPS-Projekt will Länder dabei unterstützen, ihre Steuerbasis zu schützen und mehr Sicherheit für Steuerzahler zu schaffen.
Die OECD erarbeitete hierzu einen Aktionsplan, welcher insgesamt 15 Massnahmen umfasst und das Problem auf globaler Ebene lösen soll. Es handelt sich um folgende Massnahmen:
Digitale Wirtschaft (Action 1)
Neutralisierung von hybriden Gestaltungen (Action 2)
Regeln zur Hinzurechnungsbesteuerung (CFC) (Action 3)
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Zinsaufwendungen und sonstige finanzielle Aufwendungen (Action 4)
Schädliche Steuerregimes (Substanzerfordernisse, Informationsaustausch) (Action 5)
Abkommensmissbrauch (Action 6)
Umgehung des Betriebsstättenstatus (Action 7)
Zuordnung der Funktionen und Risiken sowie die Festlegung der Transferpreise u.a. bei immateriellen Wirtschaftsgütern und Konzernfinanzierungen (Action 8-10)
Entwicklung von Methoden zur Erfassung und Analyse von BEPS-Daten (Action 11)
Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle (Action 12)
Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country-Reporting (Action 13)
Streitbeilegung unter Doppelbesteuerungsabkommen (Action 14)
Machbarkeit eines multilateralen Instruments zur Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen an die BEPS-Resultate (Action 15)
Am 5. Oktober 2015 hat die OECD ihre finalen Berichte veröffentlicht, in welchen die Umsetzungsempfehlungen zu den 15 Massnahmen beschrieben werden. Die Berichte enthalten zum Teil lediglich Bestandesaufnahmen und Problemidentifikationen (z.B. Digitale Wirtschaft), zum Teil aber auch Empfehlungen zu inhaltlichen und verfahrenstechnischen Fragen. Diese Empfehlungen zielen ab auf die Umgestaltung der nationalen Steuergesetzgebung oder der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und der zukünftigen Abkommenspolitik der Länder. Sie haben unterschiedliche Verbindlichkeitsgrade: einzelne BEPS-Ergebnisse sind verbindliche Mindeststandards, bei anderen hat man sich auf einen Common Approach geeinigt, und weitere werden als Best Practice behan-
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delt. Bei anderen Empfehlungen ist noch nicht klar, ob und wie sie sich als internationaler Standard durchsetzen werden. Als Mindeststandards gelten zurzeit:
die Kriterien zur privilegierten Besteuerung von Erträgen aus Immaterialgütern (sog. IP-Box-Regime - Action 5);
der spontane Informationsaustausch über Steuerrulings (Action 5);
die Aufnahme von Missbrauchsklauseln in den Doppelbesteuerungsabkommen (Action 6);
der Austausch gewisser länderbezogener Informationen von Unternehmen (sog. Country-by-Country Reporting - CbCR - Action 13);
und die Streitbeilegung unter Doppelbesteuerungsabkommen (Action 14).
Die Regierung setzte am 7. Mai 2014 eine Arbeitsgruppe ein - bestehend aus Vertretern der Industrie, der Banken, des Treuhandwesens, der Uni Liechtenstein sowie der Steuerverwaltung - mit dem Auftrag, die Arbeiten der OECD mitzuverfolgen, die publizierten Berichte zu analysieren und die vorliegenden Empfehlungen auf ihren Umsetzungsbedarf in Liechtenstein zu überprüfen. Dabei ist die Arbeitsgruppe zum Schluss gekommen, dass alle Mindestanforderungen in Liechtenstein umgesetzt werden sollen. Dieser Empfehlung schliesst sich die Regierung an.
Zur Einhaltung der Mindestanforderungen haben sich ursprünglich alle G20 und OECD-Staaten verpflichtet. Mittlerweile haben sich weitere Länder und Jurisdiktionen dazu bekannt, darunter Liechtenstein; somit stellen sich insgesamt 82 Jurisdiktionen hinter die Mindestanforderungen. Weitere 29 Jurisdiktionen haben sodann bei der OECD ihr Interesse angemeldet. Die OECD hat zur Umsetzung und Kontrolle der BEPS-Anforderungen ein neues Gremium geschaffen, das sog. Inclusive Framework, welches am 30. Juni/1. Juli 2016 erstmals getagt hat, und
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welches alle verpflichteten Jurisdiktionen umfasst. Dieses Gremium wird die einheitliche Einführung der Standards überwachen.
Die Mindestanforderungen betreffend IP-Box und Ruling (Action 5) bedürfen der Anpassung des Steuergesetzes; die gesetzliche Grundlage für den Austausch der Informationen über Steuerrulings soll im Steueramtshilfegesetz geschaffen werden. Für den Austausch des CbC-Reporting (Action 13) wird gestützt auf die Multilaterale Amtshilfekonvention (MAK) ein separates Gesetz geschaffen; die entsprechende Gesetzesvorlage wurde am 5. Juli 2016 in die Vernehmlassung geschickt. Die verlangte Aufnahme von Missbrauchsklauseln und Verbesserungen in der Streitbeilegung in Doppelbesteuerungsabkommen (Action 6 und 14) wird im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt werden. Liechtenstein wird sich im Laufe von 2016 entscheiden müssen, ob es die Mindesterfordernisse über bilaterale Verhandlungen oder über das von der OECD zurzeit erarbeitete multilaterale Instrument in seine bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen übernehmen will.
Ebenfalls soll das Korrespondenzprinzip bei Dividenden (ab einer Beteiligungsquote von mindestens 25%) - in Anlehnung an BEPS Action 2 - umgesetzt werden. Zudem soll eine Dokumentationspflicht über die Ermittlung der Verrechnungspreise für Transaktionen mit nahe stehenden Personen eingeführt werden.
Generell ist im Auge zu behalten, dass sich die Auswirkungen von BEPS auf Liechtenstein nicht nur auf die erforderlichen Gesetzesänderungen und Praxisanpassungen in Liechtenstein selber beschränken. Vielmehr werden auch Anpassungen, die andere Länder aufgrund der BEPS-Empfehlungen vornehmen, auf die steuerliche Praxis und das Steueraufkommen in Liechtenstein unweigerlich Auswirkungen haben. BEPS ist die bedeutendste Reform des internationalen Steuerrechts der letzten Jahrzehnte, welche nicht nur gegen unlautere Steuerpraxen
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von Unternehmen vorgeht, sondern auch gegen missbräuchlichen Steuerwettbewerb im Unternehmensbereich zwischen den Ländern.
Die globale Umsetzung von BEPS hat erst begonnen. Die EU hat im Juni 2016 ihre Richtlinie zur einheitlichen Umsetzung gewisser BEPS-Massnahmen innerhalb der EU erlassen. Diese geht über den Mindeststandard der OECD hinaus. Es ist davon auszugehen, dass weitere Aktivitäten folgen werden. Auch könnte die OECD zeitnah gewisse weitere Empfehlungen zu Mindeststandards erheben oder ihre Empfehlungen in Einzelbereichen verfeinern.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2016 / 524
Landtagssitzungen
01. September 2016
Stichwörter
BEPS (Base Eros­tion and Profit Shifting)
BEPS-Massnahmen
Dop­pelte Nicht­bes­teue­rung, Vermeidung
Gewinn­ver­la­ge­rung, künst­liche verhindern
IP-Box, Abschaffung
Orga­nen­schä­di­gungen und Quellensteuer
Steu­er­ru­lings, Aus­tausch (Pro­jekt BEPS)