Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Banken und Wertpapierfirmen (Sanierungs- und Abwicklungsgesetz; SAG)
Mit der gegenständlichen Vorlage soll die Richtlinie 2014/59/EU zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wert-papierfirmen (Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie - Bank Recovery and Resolution Directive - BRRD) umgesetzt werden. Die Richtlinie enthält präventive Massnahmen, Massnahmen zur Bewältigung einer Krise, aber auch zur Überwindung der Konkurssituation einer Bank.
Um eine Krise möglichst zu vermeiden oder schnell darauf reagieren zu können, gibt es aus der BRRD eine Verpflichtung zur Aufstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die für den Fall einer Krise unmittelbar zur Verfügung stehen müssen.
Trotz der grossen Bedeutung der Aufstellung von Sanierungs- und Abwicklungs-plänen wird in der Vorlage - entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit - von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Anforderungen zur Erstellung, Fortschreibung und Aktualisierung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen bei bestimmten Instituten zu vereinfachen (vereinfachte Anforderungen).
Auf eine dennoch eintretende Krise soll in einem möglichst frühen Stadium reagiert werden. Daher werden Massnahmen für ein frühzeitiges Eingreifen bei einem Frühinterventionsbedarf vorgesehen.
Der Abschnitt über die Abwicklung enthält Bestimmungen, die auch - und vor allem - der Bereinigung einer Konkurssituation dienen. Die BRRD regelt ausführlich Abwicklungsmassnahmen durch eine Verwaltungsbehörde, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten sind. Andernfalls - und als Regelfall - soll ein ausfallendes Institut im Rahmen eines Konkursverfahrens abgewickelt werden. Hierbei lässt es die BRRD zu, dass von den Bestimmungen, die für alle Unternehmen gelten, abgewichen werden kann und für Banken Sonderregelungen vorgesehen werden. Dazu werden im Bankengesetz die bereits enthaltenen Sonderbestimmungen für die Sanierung und Verwertung - geändert - beibehalten. Insbesondere sollen die Bestimmungen über die Verwertung flexibler ausgestaltet werden und sich nicht ausschliesslich an der schnellen Durchführung orientieren.
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Eine wesentliche Neuerung bei der Anwendung von Abwicklungsmassnahmen besteht darin, dass diese Massnahmen von der FMA als Abwicklungsbehörde durchgeführt werden. Damit gehen die konkursrechtlichen Befugnisse vom Land-gericht auf die Abwicklungsbehörde über. Das Landgericht bleibt aber für die Restliquidation und Auflösung eines Instituts zuständig.
Ziele der Abwicklung sind vor allem die Vermeidung des Einsatzes öffentlicher Mittel, die Stabilität des Finanzsystems und die Aufrechterhaltung des nationalen Zahlungsverkehrs. Angepasst an den Einzelfall kommen als Abwicklungsinstrumente das Instrument der Unternehmensveräusserung, das Instrument des Brückeninstituts, das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten und das Bail-in-Instrument in Betracht. Zu den Grundsätzen der Abwicklung gehört, dass primär Anteilseigner, aber auch Gläubiger einen angemessenen Teil der Verluste tragen.
Mit der gegenständlichen Vorlage werden auch die gesetzlichen Regelungen der Einlagensicherung und des Anlegerschutzes ausgebaut, ohne aber grundsätzliche Änderungen in der Finanzierung vorzunehmen.
Weiters werden Bestimmungen der liechtensteinischen Konkursordnung angepasst, so dass gewisse Unzulänglichkeiten für die Erstellung eines International Swaps and Derivatives Association (ISDA)-Standardgutachten für Liechtenstein in Sachen Close-out Netting beseitigt werden. Zudem spielt das Instrument des Close-out Netting auch bei der Umsetzung der BRRD eine wesentliche Rolle (siehe Art. 77 BRRD), weshalb die Behebung der erwähnten Unzulänglichkeiten im Zuge der Umsetzung der BRRD sinnvoll sind.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein
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Vaduz, 12. Juli 2016
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung des Gesetzes zur Sanierung und Abwicklung von Banken und Wertpapierfirmen sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Die Finanzkrise, welche durch die Subprimekrise in den Jahren 2007/2008 ausgelöst wurde, hat auch die Europäischen Banken nicht verschont. In mehreren Ländern musste der Staat rettend eingreifen, um die Banken vor der Insolvenz zu bewahren. Von Oktober 2008 bis Oktober 2011 genehmigte die Europäische Kommission 4.5 Billionen EUR (bzw. 37% des EU-BIP) an staatlichen Beihilfemassnahmen für Finanzinstitute. Diese Beihilfen wurden gewährt, um die volkswirtschaftlich nicht tragbaren Schäden von Insolvenzen zu vermeiden, zumindest soweit diese Unternehmen systemrelevant waren. In der Folge wurden sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf internationaler Ebene Regulierungsvorhaben in Angriff genommen, um die von systemrelevanten Finanzinstituten ausgehenden Risiken zu reduzieren.
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Finanzinstitute werden als systemrelevant oder weitergehend als "too big to fail" bezeichnet, wenn ihr Ausfall die Volkswirtschaft erheblich schädigen würde. Das setzt voraus, dass die Bank eine systemrelevante Funktion wahrnimmt. Eine Funktion ist unter zwei Voraussetzungen systemrelevant: Sie muss einerseits für die Volkswirtschaft unverzichtbar und andererseits im Falle der Insolvenz der Bank nicht kurzfristig substituierbar sein.
Diese Risiken bei systemrelevanten Unternehmen beschränken sich im Wesentlichen auf Banken. Bei anderen Unternehmen ist die Finanzierung, die Passivseite der Bilanz, weitgehend unabhängig von der Mittelverwendung bzw. vom Geschäftsbetrieb, d.h. der Aktivseite der Bilanz. Das ermöglicht die Weiterführung der Geschäfte im Insolvenzfall. Bei Banken ist dies anders. Im Geschäftsmodell einer Bank sind sowohl Aktiv- als auch Passivseite der Bilanz funktional miteinander verknüpft. Im Insolvenzfall sind eine Trennung und damit die Weiterführung der Geschäfte oder einzelner systemrelevanter Funktionen daher kaum möglich.
Dies zeigt sich beispielsweise beim systemrelevanten Einlagengeschäft. Die gesetzlich geforderte schnelle und vorgängige Rückzahlung von Einlagen würde voraussetzen, dass einerseits die Verlustaufteilung unter den Gläubigern bereits geklärt ist, andererseits die für die Deckung beizuziehenden Aktiven definiert, verwertet und verfügbar sind. Beides sind Voraussetzungen, die das Insolvenz-recht für Banken derzeit nicht, und wohl auch nie vollumfänglich, erfüllt.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die rechtlichen Rahmenbedingungen noch geeignet sind, die Insolvenz von Banken zu vermeiden und dann, im Fall einer Bankeninsolvenz ein effizientes Verfahren zur Abwicklung der Bank zu etablieren.