Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der europäischen Union und über Zentralverwahrer (EWR-Zentralverwahrer-Durchführungsgesetz; EWR-ZvDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Die Zentralverwahrer leisten einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit und Effizienz der Wertpapierabwicklung und dienen somit dem Anlegerschutz. Die von Zentralverwahrern betriebenen Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme sind eng in die Beschaffung von Sicherheiten für geldpolitische Operationen und von Sicherheiten zwischen Kreditinstituten eingebunden. Die Zentralverwahrer sind somit wichtige Akteure in den Besicherungsprozessen.
Um einen bisher stark fragmentierten Markt an europäischen Zentralverwahrern zu harmonisieren und um verschiedene Risiken zu verringern, die von Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme unabhängig vom Insolvenzrisiko gegen die Teilnehmer solcher Systeme ausgehen, wurde vom Europäischen Gesetzgeber die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und
-abrechnungen in der Europäischen Union und über die Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 erlassen. Diese Verordnung wurde am 28. August 2014 im Europäischen Amtsblatt (Abl. L 257, S. 1) publiziert und ist am 17. September 2014 in der Europäischen Union in Kraft getreten.
Die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 verfolgt das Ziel, Abwicklungsperioden sowie die Abwicklungsdisziplin zu vereinheitlichen und bestimmte aufsichtsrechtliche Anforderungen an Zentralverwahrer festzulegen, die ein Wertpapierliefer- und
-abwicklungsverfahren betreiben. Damit sollen die rechtlichen und operationellen Bedingungen für grenzüberschreitende Abwicklungen im EWR verbessert und der Wettbewerb zwischen den Zentralverwahrern gefördert werden. Die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 dient damit der Schaffung eines offenen Binnenmarkts für Wertpapierabwicklungen.
Der Übernahmeprozess betreffend die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 in das EWR-Abkommen ist noch nicht abgeschlossen. Grundsätzlich wird eine EU-Verordnung als solche mit der Übernahme in das EWR-Abkommen in das innerstaatliche Recht übernommen. In dieser Verordnung sind jedoch einzelne Bestimmungen enthalten, die zwingend einer nationalen Umsetzung bedürfen, um zur vollen Wirksamkeit der Verordnung in Liechtenstein zu führen. Zu diesen Bestimmungen gehören die Benennung einer zuständigen Behörde hinsichtlich der Zu-
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lassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern in Liechtenstein, die Ausstattung der zuständigen Behörde mit den erforderlichen Befugnissen, die Festlegung von Sanktionen für Verstösse gegen die Vorschriften der Verordnung sowie sonstige Verfahrens- und Aufsichtsvorschriften.
Die gegenständliche Gesetzesvorlage dient der Umsetzung bzw. Durchführung der genannten Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 909/2014. In den Nebenerlassen werden notwendige Folgeänderungen vorgenommen. Im Nebenerlass zur Abänderung des Finalitätsgesetzes erfolgt zudem die Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU, soweit sie die Richtlinie 98/26/EG (Finalitätsrichtlinie) abändert.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein; FMA
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Vaduz, 27. Juni 2017
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer (EWR-Zentralverwahrer-Durchführungsgesetz; EWR-ZVDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Der EU-Gesetzgeber hat die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 erlassen. In den EU-Mitgliedstaaten ist die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 am 17. September 2014 in Kraft getreten. Sie orientiert sich an vom Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) entwickelten Standards, damit die internationale Konvergenz der auf-
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sichtsrechtlichen Anforderungen, denen Wertpapierlieferungs- und -abrechnungssysteme sowie Zentralverwahrer aufgrund des globalen Charakters der Finanzmärkte und ihrer Systemrelevanz unterliegen, sichergestellt ist.
Ziel der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 ist die Harmonisierung des stark fragmentierten Marktes europäischer Zentralverwahrer und damit die Erhöhung von Sicherheit und Effizienz der Wertpapierabwicklung. Einerseits werden einheitliche Anforderungen an die Lieferung und Abrechnung von Finanzinstrumenten festgelegt. Emittenten werden verpflichtet, die von ihnen ausgegebenen übertragbaren Wertpapiere zu immobilisieren und im Effektengiro eines Zentralverwahrers einzubuchen, wenn diese zum Handel an Handelsplätzen zugelassen sind oder dort gehandelt werden. Wertpapiergeschäfte sollen spätestens am zweiten Geschäftstag nach dem Handelstag abgewickelt werden. Vorschriften zur Einhaltung einer strengen Abwicklungsdisziplin soll ein Scheitern von Abwicklungen verhindern. Für den Fall, dass es dennoch zum Scheitern einer Abwicklung kommt, wird ein sogenannter Eindeckungsvorgang (buy-in-Verfahren) eingeführt, in dessen Folge die betreffenden Instrumente für die Abwicklung zur Verfügung stehen und dem Empfänger innerhalb eines angemessenen Zeitraums geliefert werden.
Andererseits sollen strenge organisatorische Anforderungen an Zentralverwahrer der Förderung einer sicheren, effizienten und reibungslosen Lieferung und Abwicklung, insbesondere auch im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr, dienen. Die Zentralverwahrer werden einer Zulassungspflicht unterworfen, wobei sich der Zulassungsumfang nach den Dienstleistungen, die erbracht werden, richtet. Die Zulassung gilt für die Geschäftstätigkeit im EWR (EU-Pass). Auch für Zentralverwahrer mit Sitz in Drittstaaten steht der EWR-Binnenmarkt offen, soweit sie von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) anerkannt sind. Zentralverwahrer werden strengen auf-
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sichtsrechtlichen Anforderungen (corporate governance, Wohlverhaltensregeln, Auslagerung, Risikomanagement, Eigenkapitalanforderungen) unterstellt, was insbesondere einem umfassenden Kundenschutz dienen soll.
Soweit von Zentralverwahrern selbst oder von diesen benannten Kreditinstituten bankartige Nebendienstleistungen aufgrund einer zusätzlichen Genehmigung der zuständigen Behörde erbracht werden, werden erhöhte aufsichtsrechtliche Anforderungen vorgegeben. Auch im Fall von Verbindungen zwischen mehreren Zentralverwahrern sind bestimmte Regeln vorgesehen. Den Emittenten ist über Antrag ein freier, gleichberechtigter Zugang zu den Systemen zu gewährleisten und den Zentralverwahrern muss ein Zugang zu anderen Marktinfrastrukturen (zentrale Gegenpartei oder Handelsplatz) bzw. den Marktinfrastrukturen ein Zugang zu Zentralverwahrern ermöglicht werden.
Darüber hinaus sind in der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 spezifische Befugnisse für eine effiziente Aufsicht samt Sanktionsbestimmungen enthalten. Die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 soll zu einer Stärkung der zentralen Marktinfrastrukturen im EWR führen.
Die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 gilt grundsätzlich mit der Übernahme in das EWR-Abkommen unmittelbar. Sie enthält jedoch einige Bestimmungen, die einer nationalen Umsetzung bedürfen. Dieser Umsetzung dient die vorliegende Gesetzesvorlage.
Die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 befindet sich bereits im EWR-Übernahmeverfahren, ebenso die Richtlinie 2010/78/EU zur Änderung verschiedenster EU-Rechtsakte im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, ESMA, EIOPA), die u.a. die Finalitätsrichtlinie 98/26/EG abändert.
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Die Verordnung enthält zahlreiche Ermächtigungen für die EU-Kommission delegierte Rechtsakte bzw. technische Regulierungs- und Durchführungsstandards zu erlassen. Die wichtigsten sechs delegierten Verordnungen bzw. Durchführungsverordnungen wurden am 10. März 2017 im Europäischen Amtsblatt publiziert. Sie bedürfen ebenfalls noch der Übernahme ins EWR-Abkommen und gelten dann in Liechtenstein unmittelbar.