Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2017 / 96
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Elektrizitätsmarkt (Elektrizitätsmarktgesetz; EMG)
(Umsetzung der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG)
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Am 13. Juli 2009 haben das Europäische Parlament und der Rat das sogenannte 3. Energiemarkt-Liberalisierungspaket beschlossen. Am 5. Mai 2017 hat der Gemeinsame EWR-Ausschuss beschlossen, das 3. Energiemarkt-Liberalisierungspaket in das EWR-Abkommen zu übernehmen. Die EWR/EFTA-Staaten bereiten derzeit die Umsetzung des Pakets in das nationale Recht vor. Hierzu zählt diese Vorlage. Das Paket beinhaltet:
Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenz-überschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003
Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005
Verordnung (EU) Nr. 543/2013 der Kommission vom 14. Juni 2013 über die Übermittlung und die Veröffentlichung von Daten in Strommärkten und zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG
Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG
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Beschluss 2010/685/EU der Kommission vom 10. November 2010 zur Änderung von Kapitel 3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen
Beschluss 2012/490/EU der Kommission vom 24. August 2012 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen
Die Elektrizitäts- und die Erdgasmarktrichtlinie verfolgen das Ziel der Schaffung eines vollständig integrierten Elektrizitäts- bzw. Erdgasbinnenmarktes, welcher dem Europäischen Wirtschaftsraum einen wettbewerbsfähigen Markt und gleichzeitig Versorgungssicherheit garantiert.
Das 3. Energiemarkt-Liberalisierungspaket hat sich zum Ziel gesetzt, eine bessere Integration der Strom- und Gasmärkte und eine effiziente Nutzung der Verbindungsleitungen zu erwirken sowie durch strengere Entflechtungsvorschriften Hemmnisse für grenzüberschreitenden Handel und Investitionen in die Netzinfrastruktur zu beseitigen. Zur Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes für Elektrizität und Gas liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt in der Schaffung von Rahmenbedingungen zur verstärkten Zusammenarbeit und Koordination der Übertragungsnetzbetreiber bzw. Fernleitungsnetzbetreiber sowie der Regulierungsbehörden untereinander.
Für die Zusammenarbeit der Energieregulatoren ist seit 2011 eine europäische Agentur (Agency for the Cooperation of Energy Regulators, ACER) aktiv, in der erstmals ein aus Vertretern der nationalen Regulierungsbehörden bestehendes Organ massgeblich an Regulierungsentscheidungen auf europäischer Ebene mitwirkt.
Mit der Vorlage wird die ergänzte Elektrizitätsmarktrichtlinie (Richtlinie 2009/72/EG) in der bestehenden liechtensteinischen Gesetzgebung umgesetzt, unter Berücksichtigung der Verordnungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (VO Nr. 714/2009) und zur Gründung der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (VO Nr. 713/2009). Die Umsetzung erfolgt kon-
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kret durch eine Abänderung des Elektrizitätsmarktgesetzes (EMG). Es sind gewisse Anpassungen bei Begriffen, beim Kundenschutz und bei den Aufgaben der Regulierungsbehörde vorgesehen. Hinzu kommt im Wesentlichen die Pflicht für Verteilernetzbetreiber, Massnahmen zur Optimierung des Stromverbrauchs zu ergreifen. Eine Möglichkeit stellt dabei die Einführung von intelligenten Messsystemen (Smart Metering) in einer wirtschaftlich vertretbaren und kostengünstigen Form dar.
Die strengeren Entflechtungsvorschriften der Elektrizitätsmarktrichtlinie beziehen sich auf Übertragungsnetzbetreiber (Betreiber der Höchstspannungsnetze) und auf grosse Verteilernetzbetreiber mit mehr als 100'000 Endkunden. Vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen, die solche Netze betreiben, müssen rechtlich und organisatorisch aufgetrennt werden. Die Liechtensteinischen Kraftwerke sind davon nicht betroffen und können damit ihre heutige Rechtsform und Organisation unverändert weiterführen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport
Betroffene Stellen
Amt für Volkswirtschaft (AVW)
Kommission für Energiemarktaufsicht (EMK)
Liechtensteinische Kraftwerke (LKW)
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Vaduz, 7. November 2017
LNR 2017-1285
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Elektrizitätsmarkt an den Landtag zu unterbreiten.
1.1Entwicklung in den vergangenen Jahren
In der EU wurde am 19. Dezember 1996 die Elektrizitätsmarktrichtlinie 96/92/EG verabschiedet, welche die schrittweise Liberalisierung des Strommarktes vorschrieb. Übertragungsnetz und Verteilernetz bilden ein natürliches Monopol. Deren Nutzung wurde durch gemeinsame Vorschriften stark reglementiert, um in den Bereichen Elektrizitätserzeugung, -beschaffung und -versorgung (gleichbedeutend mit Energielieferung oder Energievertrieb) einen Markt zu schaffen. Zudem wurde die Organisation und Funktionsweise des Elektrizitätssektors, der Marktzugang und die Vergabe von Genehmigungen sowie der Betrieb der Stromnetze geregelt.
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Mit der Richtlinie 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt wurden im Sinne einer "Beschleunigungsrichtlinie" weitere Bestimmungen erlassen, so zur Entflechtung von vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmen, zum Kundenschutz und zur Berichterstattung an die EU-Kommission.
Am 15. November 2002 traten in Liechtenstein das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG)1 und die Elektrizitätsmarktverordnung (EMV)2 in Kraft. Sie bildeten die Grundlage für die Strommarktliberalisierung in Liechtenstein. Die schrittweise Öffnung des Elektrizitätsmarktes mit dem diskriminierungsfreien Netzzugang für Dritte, wie er im EMG vorgesehen war, ermöglichte es den Liechtensteinischen Kraftwerken (LKW) als Netzbetreiber, die Marktöffnung umzusetzen und gleichzeitig die Versorgungsqualität und Netzsicherheit auf hohem Niveau zu festigen. Die Marktöffnung wurde zeitlich gestaffelt realisiert. Mit Inkrafttreten des EMG hatten zunächst die Grosskunden Wahlfreiheit in Bezug auf die Stromlieferanten. Für die Kundinnen und Kunden bedeutete die Liberalisierung mehr Kostentransparenz und führte spätestens ab dem 1. Oktober 2005 zur freien Wahl des Stromlieferanten.
Gemäss dem EMG obliegen der Regulierungsbehörde unter anderem die Sicherstellung von Nichtdiskriminierung und echtem Wettbewerb, die Genehmigung der Durchleitungspreise (gleichbedeutend mit Netzbenutzungspreisen) sowie die Berichterstattung an die Regierung und an die EFTA-Überwachungsbehörde (ESA).
Als Regulierungsbehörde wurde in Liechtenstein die fünfköpfige Kommission für Energiemarktaufsicht (EMK) eingesetzt. Deren Organisation ist in der Verordnung
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vom 20. Januar 2009 über die Regulierungsbehörde und die Schlichtung nach dem Elektrizitätsmarkt- und Gasmarktgesetz3 festgelegt. Die Aufgaben im Strombereich sind im EMG aufgelistet.
Träger der Stromversorgung sind auch nach Inkrafttreten des EMG die LKW, die 1947 als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet wurden (Gesetz vom 16. Juni 1947 betreffend die Liechtensteinischen Kraftwerke). Heute werden die Organisation und Aufgaben im Gesetz vom 19. November 2009 über die Liechtensteinischen Kraftwerke (LKWG)4 geregelt. Nebst der Tätigkeit im Bereich Kommunikationsnetz ist der Zweck dieser Anstalt die Erzeugung, Beschaffung, Übertragung, Verteilung und Abgabe von sowie der Handel mit elektrischer Energie im In- und Ausland. Die LKW sind somit ein vertikal integriertes Elektrizitätsunternehmen. Sie haben als Netzbetreiberin einen flächendeckenden Versorgungsauftrag in Liechtenstein. In Notzeiten müssen sie zudem eine reduzierte Stromversorgung des Landes sicherstellen.
Über das Elektrizitätsnetz der LKW fliessen täglich ungefähr eine Million Kilowattstunden Strom an die Betriebe und Haushaltungen des Landes. Infolge der Wirtschaftskrise ist der Stromverbrauch 2009 in Liechtenstein gegenüber dem Vorjahr um 5 Millionen Kilowattstunden oder 1.3 Prozent auf 377 Millionen Kilowattstunden gesunken. 2010 stieg er um 5 Prozent auf 397 Millionen Kilowattstunden. In den Jahren 2012 und 2013 ist ein Spitzenwert von 404 Millionen Kilowattstunden erreicht worden. 2015 betrug der Jahresverbrauch 395 Millionen Kilowattstunden. 2016 lag der Absatz bei etwa 398 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Der Anteil der Eigenerzeugung liegt mit 71 bis 89 Millionen Kilowattstunden bei knapp einem Fünftel des Landesverbrauchs.
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Das Netz der LKW ist in den vier Unterwerken Balzers, Triesen, Schaan und Eschen mit den 110kV-Leitungen der Axpo AG (vormals NOK AG) verbunden. Dadurch ist Liechtenstein Teil der schweizerischen Regelzone, in der insbesondere in Bezug auf das schweizerische Übertragungsnetz die Regeln der Schweizer Gesetzgebung angewendet werden.
Bestimmt durch das schweizerische Stromversorgungsgesetz5 wird das Übertragungsnetz in der Schweiz seit Anfang 2009 durch die nationale Netzgesellschaft, Swissgrid AG, betrieben. Bis Ende 2012 mussten die schweizerischen Übertragungsleitungen - in der Regel sind dies die 380 kV- und die 220 kV-Leitungen - ins Eigentum der Swissgrid AG wechseln. Die 110 kV-Leitungen der Axpo AG im Rheintal, an die die LKW angeschlossen sind, gelten nicht als Übertragungsleitungen und sind daher nach wie vor im Eigentum der Axpo AG. Unabhängig davon haben die LKW seit 2009 die sogenannten Systemdienstleistungen der Swissgrid AG zu bezahlen.
Zur Verbesserung des Markt- und Netzzugangs für den internationalen Stromhandel und zur Erhöhung der Versorgungssicherheit nahmen die LKW im Jahre 2004 eine 110 kV-Anbindung an das Netz der Vorarlberger Kraftwerke (VKW) in Betrieb. Die 3,7 km lange 110 kV-Leitung vom Unterwerk Eschen bis zur Landesgrenze ist im Eigentum der LKW. Der Abschnitt von der Landesgrenze bis nach Feldkirch gehört der VKW-Netz AG, einer Tochtergesellschaft der VKW. Diese erfüllt die Aufgaben eines Übertragungsnetzbetreibers und Regelzonenführers in Österreich. Dazu gehört die Betriebsführung des Übertragungsnetzes, insbesondere die Planung und Durchführung von Schalthandlungen nach Absprache mit anderen Übertragungsnetzbetreibern.
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Da Liechtenstein Teil der schweizerischen Regelzone ist, unterliegen Energielieferungen aus Deutschland und Österreich nach Liechtenstein der grenzüberschreitenden Auktion (Versteigerung der Leitungskapazität zur Energielieferung im Ausland). Die LKW stellen ihre grenzüberschreitenden Kapazitäten vollumfänglich zur Verfügung. Die Auktion wird vom deutschen Netzbetreiber Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) in Zusammenarbeit mit der Swissgrid AG durchgeführt. Probleme in regulatorischer Hinsicht sind bisher keine zu verzeichnen.



 
1Gesetz vom 20. Juni 2002 über den Elektrizitätsmarkt (Elektrizitätsmarktgesetz; EMG), LGBl. 2002 Nr. 144.
 
2Elektrizitätsmarktverordnung (EMV) vom 20. Januar 2009, LGBl. 2009 Nr. 21.
 
3Gesetz vom 18. September 2003 über den Erdgasmarkt (Gasmarktgesetz; GMG), LGBl. 2003 Nr. 218.
 
4Gesetz vom 19. November 2009 über die Liechtensteinischen Kraftwerke (LKWG), LGBl. 2009 Nr. 355.
 
5Bundesgesetz über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz; StromVG), SR 734.7.
 
LR-Systematik
7
73
730
LGBl-Nummern
2018 / 115
Landtagssitzungen
06. Dezember 2017
Stichwörter
Beschluss 2010/685/EU
Beschluss 2012/490/EU
bes­sere Inte­gra­tion der Strom- und Gasmärkte
Richt­linie 2009/72/EG
Richt­linie 2009/73/EG
Schaf­fung eines voll­ständig inte­grierten Elek­tri­zi­täts- bzw. Erdgasbinnenmarktes
Schaf­fung von Rah­men­be­din­gungen zur ver­stärkten Zusam­men­ar­beit und Koor­di­na­tion der Über­tra­gungs­netz­be­treiber bzw. Fern­lei­tungs­netz­be­treiber sowie der Regulierungsbehörden
Ver­ord­nung (EG) Nr. 713/2009
Ver­ord­nung (EG) Nr. 714/2009
Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2009
Ver­ord­nung (EU) Nr. 543/2013