Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes über elektronische Signaturen und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen (Signatur- und Vertrauensdienstegesetz - SigVG; Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73) - in weiterer Folge "eIDAS-VO" genannt - werden europaweit einheitliche Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Nutzung elektronischer Identifizierungsmittel und Vertrauensdienste geschaffen.
Der Erlass der eIDAS-VO dient der Stärkung des Vertrauens in elektronische Transaktionen im Binnenmarkt, der Erleichterung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt durch gegenseitig anerkannte elektronische Identifizierungsmittel, der Schaffung eines allgemeinen Rechtsrahmens für die Verwendung von Vertrauensdiensten sowie der Förderung ihrer grenzüberschreitenden Verwendung. Als Vertrauensdienste gelten elektronische Signaturen, elektronische Siegel, elektronische Zeitstempel, Zustellung elektronischer Einschreiben, Website-Authentifizierung und Validierungs- sowie Bewahrungsdienste.
Grundsätzlich findet eine EU-Verordnung unmittelbar mit Inkrafttreten des EWR-Übernahmebeschlusses Anwendung, ohne dass es einer nationalen Umsetzung bedarf. In der eIDAS-VO sind jedoch sowohl Vorschriften enthalten, die zwingend einer nationalen Durchführung bedürfen (z.B. Benennung einer Aufsichtsstelle) als auch solche, die eine nationale Präzisierung ermöglichen, aber nicht zwingend erfordern (z.B. Regelung der Aussetzung eines qualifizierten Zertifikats für eine elektronische Signatur oder für ein elektronisches Siegel). Die gegenständliche Gesetzesvorlage dient somit der Durchführung der eIDAS-VO, mit Ausnahme ihres Kapitels II (Elektronische Identifizierung), und ersetzt damit das geltende Signaturgesetz.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport
Betroffene Stellen
Amt für Kommunikation
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Vaduz, 6. November 2018
LNR 2018-1306
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes über elektronische Signaturen und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen (Signatur- und Vertrauensdienstegesetz - SigVG; Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014) sowie die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Mit der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, die in Liechtenstein durch das Gesetz vom 18. September 2003 über elektronische Signaturen (Signaturgesetz; SigG)
1 umgesetzt wurde, wurden Regelungen zu elektronischen Signaturen festgelegt, ohne aber einen umfassenden grenz- und sektorenübergreifenden Rahmen für sichere, vertrauenswürdige und einfach zu nutzende elektronische Transaktionen zu schaffen. Die Richtlinie 1999/93/EG beschränkte sich vielmehr auf den Bereich elektronischer Signaturen, wobei die Umsetzungs- und Anwendungspraxis der Mitgliedstaaten auch dort einige Defizi-
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te zeigte. Der Bereich der elektronischen Identifizierung blieb bislang EWR-rechtlich ungeregelt, auch eine gegenseitige Anerkennung allfällig national etablierter elektronischer Identifizierungsmethoden fehlte bisher.
Mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73) - nachfolgend "eIDAS-VO", sollen nunmehr u.a. die Rechtsvorschriften der Richtlinie gestärkt und erweitert werden, indem eine gemeinsame Grundlage für eine sichere elektronische Interaktion zwischen Bürgern, Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen geschaffen wird. Dadurch wird die Effektivität öffentlicher und privater Online-Dienstleistungen, des elektronischen Geschäftsverkehrs und des elektronischen Handels im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in der Union erhöht.
Die eIDAS-VO verspricht spürbare Erleichterungen im Scan- und Signaturprozess, zum Beispiel durch neue elektronische Siegel ohne Personenbezug und den Verzicht auf Signaturkarten. Sie sorgt EWR-weit für die schnelle Verbreitung von Werkzeugen und Methoden für die sichere und vertrauenswürdige elektronische Transaktion, Identifizierung und Nachweisführung, damit stets sichergestellt ist, mit welchem Vertragspartner korrespondiert wird und mit wem rechtsverbindlich auf elektronischem Wege Verträge geschlossen werden können. Dies ist gleichzeitig mit weniger Papier, kürzeren Prozessen und geringeren Kosten verbunden.
Die Durchführung der in Liechtenstein unmittelbar anwendbaren eIDAS-VO erfordert hinsichtlich der Signatur- und Vertrauensdienste eine Neuregelung im Bereich des Signaturgesetzes und der Signaturverordnung.
2 Zudem ist hinsicht-
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lich der elektronischen Identität eine Anpassung des Gesetzes über den elektronischen Geschäftsverkehr mit Behörden (E-Government-Gesetz)
3 und der dazugehörigen Verordnung erforderlich.
4Die nationale Durchführung der eIDAS-VO wird in zwei Stufen durchgeführt: In einem ersten Schritt sollen ausschliesslich die Regeln hinsichtlich der Vertrauensdienste behandelt werden, weshalb die gegenständliche Vorlage auf diesen Regelungsbereich beschränkt ist. Die nationale Umsetzung der Bestimmungen über die elektronische Identifizierung der eIDAS-VO (Kap. II) wird durch eine Revision des E-Government-Gesetzes und allfällig weiterer Gesetze erfolgen und ist nicht Gegenstand dieser Vorlage.
Die eIDAS-VO enthält mehrfach die Befugnis der Europäischen Kommission, im Wege von Durchführungsrechtsakten etwa technische Spezifikationen oder Mindestanforderungen oder z.B. Einzelheiten betreffend das Verfahren für die Notifizierung festzulegen. Einige Durchführungsrechtsakte in der Form von Durchführungsverordnungen oder Durchführungsbeschlüssen der EU-Kommission liegen vor und gelten - wie auch die Verordnung selbst - für die EU-Mitgliedstaaten unmittelbar, weitere sind zu erwarten. Für den EWR ist auch für diese Durchführungsrechtsakte das entsprechende Verfahren zur Übernahme in das EWR-Abkommen einzuhalten.
Die gegenständliche Vorlage beinhaltet den Vorschlag zur Aufhebung des Gesetzes über elektronische Signaturen und eine Neuregelung zur Präzisierung der eIDAS-VO hinsichtlich der Vertrauensdienste durch ein neues Gesetz (Signatur- und Vertrauensdienstegesetz; SigVG). Aufgrund der materiell geänderten europäischen Rechtsgrundlage ist einer Neuregelung der elektronischen Signaturen
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und der neu hinzugekommenen Vertrauensdienste der Vorrang gegenüber einer Novellierung der bestehenden Rechtsgrundlagen zu geben.
Am 9. Februar 2018 hat der Gemeinsame EWR-Ausschuss beschlossen, die eIDAS-VO (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73) in das EWR-Abkommen zu übernehmen (Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 22/2018). Die EWR-Kommission des Landtages und die Regierung haben in ihren Sitzungen vom 31. Januar 2018 bzw. 20. Februar 2018 entschieden, dass der Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 22/2018 der Zustimmung des Landtages gemäss Art. 8 Abs. 2 der Landesverfassung bedarf. Der Landtag hat dem Beschluss in seiner Sitzung im Juni 2018 seine Zustimmung erteilt.
5Der Kernbestand des geltenden Rechts im Bereich der elektronischen Signaturen (SigG und SigV) wurde aus dem österreichischen Recht, das für viele andere europäische Länder beispielgebend war, rezipiert, wobei bekannte Schwierigkeiten, die sich in Österreich erst in der Praxis gezeigt haben, im Rahmen der Verabschiedung des SigG behoben wurden. Das in Geltung stehende SigG stellt somit eine funktionsfähige Basis für die Erbringung von Signatur- und Zertifizierungsdiensten und die Verwendung elektronischer Signaturen dar.
Da die eIDAS-VO in Österreich bereits seit dem Jahr 2014 in Geltung steht und sich die am 1. Juli 2016 in Kraft getretene österreischische Durchführungsgesetzgebung bewährt hat, orientiert sich auch die gegenständliche Vorlage in weiten Teilen an der österreichischen Durchführungsgesetzgebung sowie an der bisherigen gesetzlichen Umsetzung für den Bereich der elektronischen Signaturen. Es finden sich in gegenständlicher Vorlage daher auch Verweise auf die Erläuternden Bemerkungen und Gesetzesmaterialien in Österreich.
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1 | LGBl. 2003 Nr. 215. |
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2 | Verordnung vom 1. Juni 2004 über elektronische Signaturen (Signaturverordnung; SigV), LGBl. 2004 Nr. 130. |
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3 | LGBl. 2011 Nr. 575. |
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4 | Verordnung vom 20. Dezember 2011 über den elektronischen Geschäftsverkehr mit Behörden (E-Government-Verordnung), LGBl. 2011 Nr. 600. |
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5 | Vgl. Bericht und Antrag Nr. 32/2018 betreffend den Beschluss Nr. 22/2018 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EU). |
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