Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den Internationalen Warenkauf
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Der grenzüberschreitende Warenverkehr spielt für Liechtensteins Wirtschaft eine zentrale Rolle. Die Frage, welcher Rechtsordnung ein Kaufvertrag mit internationalen Elementen unterliegt, ist nicht immer einfach zu beantworten. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des internationalen Kaufrechts setzten zu Beginn der 1930er Jahre ein. Die darauf fussenden Haager Einheitlichen Kaufgesetze von 1964 brachten jedoch nicht den erhofften Durchbruch, so dass die UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) dieses Thema gegen Ende der 1960er Jahre erneut aufgriff. Nach längeren Vorarbeiten auf der Basis der Haager Einheitlichen Kaufgesetze konnte am 11. April 1980 an einer diplomatischen Konferenz in Wien das Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf verabschiedet werden. Das Übereinkommen trat am 1. Januar 1988 in Kraft und zählt mittlerweile 89 Vertragsparteien, darunter die meisten europäischen Länder und wichtige Handelspartner Liechtensteins.
Das Übereinkommen bietet eine international vereinheitlichte und von den Vertragsstaaten anerkannte Grundlage für die vertragliche Gestaltung von Warenkaufverträgen. Mit seiner autonomen Anwendungsbestimmung werden in vielen Fällen das Kollisionsrecht und die damit verbundenen Probleme ausgeschaltet. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Übereinkommens ist, dass die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und dass es sich dabei um Vertragsstaaten handelt (Art. 1 Abs. 1 Bst. a). Alternativ findet das Übereinkommen auch dann Anwendung, wenn das internationale Privatrecht zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führt (Art. 1 Abs. 1 Bst. b). Es ist den Vertragsparteien jedoch unbenommen, die Anwendung des Übereinkommens ganz oder teilweise auszuschliessen (Art. 6).
In sachlicher Hinsicht ist die Anwendbarkeit des Übereinkommens in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Es regelt nur das Zustandekommen von Kaufverträgen über Waren und die daraus entstehenden Rechte und Pflichten des Käufers und Verkäufers.
Das Übereinkommen hat den Vorteil, mit seinem materiellen Kaufrecht Lösungen anzubieten, die den Bedürfnissen des internationalen Warenverkehrs entspre-
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chen. So mag bei der Rechtswahl das Übereinkommen als "neutrales Recht" mitunter von beiden Parteien eine höhere Akzeptanz erfahren als das heimatliche Recht der einen oder anderen Partei. Die Ratifizierung des Übereinkommens wird im Inland begrüsst, wie entsprechende Stellungnahmen zeigen. Insbesondere der hohe Anteil an internationalen Geschäften, die grössere Flexibilität durch das Übereinkommen, die dadurch vergrösserte Rechtssicherheit und die Tatsache, dass die wichtigsten Handelspartner Liechtensteins das Übereinkommen ratifiziert haben, werden als Vorteile angeführt.
Da das Übereinkommen der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich ist, erfordert ein Beitritt keine Anpassung des nationa-len Zivil- bzw. Handelsrechts.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Justiz
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Vaduz, 29. Mai 2018
LNR 2018-615
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf zu unterbreiten.
Während Jahrzehnten hat man in Wirtschaftskreisen auf eine universell geltende "lex mercatoria" gehofft. Konkrete Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Kaufrechts setzten indessen erst zu Beginn der 1930er Jahre ein. Will man die wichtigsten Bestrebungen auf diesem Gebiet erwähnen, so sind zum einen die Arbeiten des Internationalen (Römer) Institutes für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) und zum anderen die Haager Einheitlichen Kaufgesetze zu nennen.
Nachdem es nach langen Vorarbeiten gelungen war, unter der Ägide des Völkerbundes eine materiell-rechtliche Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Wechsel- und Checkrechts zu erarbeiten, wagte sich der Völkerbund in den 1930er Jahren an die Vereinheitlichung des Kaufrechts heran. Die Vorbereitungsarbeiten
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wurden dem Römer Institut UNIDROIT übertragen. Der Entwurf von 1935 wurde vom Völkerbund den einzelnen Regierungen zur Stellungnahme übersandt und aufgrund ihrer Anregungen überarbeitet ("Römischer Entwurf" von 1939).
Als UNIDROIT nach der kriegsbedingten Unterbrechung die Arbeiten Ende der 1940er Jahre wieder aufnahm, standen die Bemühungen um die Vereinheitlichung des Kaufrechts immer noch an erster Stelle. Die Arbeiten der Kaufrechtskommission des Instituts im Jahr 1950 ergaben, dass trotz der in der Zwischenzeit neu verabschiedeten nationalen Gesetze keine grundlegenden Änderungen am "Römischen Entwurf" vorgenommen werden mussten.
Im Frühjahr 1964 lud die niederländische Regierung zu einer diplomatischen Konferenz ein, an welcher 28 Staaten teilnahmen. Als Ergebnis wurden am 25. April 1964 die beiden Einheitlichen Gesetze verabschiedet: das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen und das Einheitliche Gesetz über den Abschluss von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen. Die Erwartungen, die in das Haager Einheitliche Kaufrecht gesetzt
worden waren, blieben jedoch unerfüllt. Ein wichtiger Grund für dessen
Scheitern als Weltkaufrecht war der kleine, auf Europa beschränkte Teilnehmerkreis und - damit verbunden - die ablehnende Beurteilung durch die
Entwicklungs- und Staatshandelsländer.
Im Jahr 1967 richtete die UNO-Generalversammlung eine Kommission für internationales Handelsrecht (United Nations Commission an International Trade Law, UNCITRAL) ein, welche die Vereinheitlichung des Kaufrechts - nunmehr unter repräsentativer Beteiligung von Vertretern aus allen Teilen der Welt - erneut in Angriff nahm. Die Arbeiten der UNCITRAL konnten einerseits auf die Dokumente von UNIDROIT und andererseits auf das Haager Einheitliche Kaufrecht zurückgreifen. Zugleich wurden vermehrt auch die im US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC) und die in den verschiedenen einheitlichen Bedingungen
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des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) enthaltenen kaufrechtlichen Grundsätze in die Beratungen einbezogen. Gestützt auf diese Vorbilder
legte die UNCITRAL-Arbeitsgruppe im Januar 1976 einen ersten Entwurf vor ("Genfer Entwurf"), welcher 1977 mit gewissen Änderungen an der 10. Jahresversammlung der UNCITRAL in Wien verabschiedet wurde ("Wiener Entwurf"). Der bereinigte, von der 11. Jahresversammlung in New York angenommene
Entwurf ("New Yorker Entwurf") wurde den Staaten zur Stellungnahme unterbreitet. Er bildete die Grundlage für die am 10. März 1980 nach Wien einbe-rufene diplomatische Konferenz.
An der Schlussabstimmung dieser Konferenz sprachen sich 42 Staaten für das Übereinkommen aus, zehn enthielten sich der Stimme. Die Schlussakte mit dem Übereinkommen über den internationalen Warenkauf wurde am 11. April 1980 in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache unterzeichnet. Die deutsche Übersetzung wurde 1982 von der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz an einer gemeinsamen Übersetzungskonferenz erstellt.