Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (EWR-Interbankenentgelteverordnung-Durchführungsgesetz - EWR-IBEV-DG) sowie die Abänderung des FMAG
4
5
Die Vorlage dient der Durchführung der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (Interbankenentgelteverordnung). Die Verordnung regelt abschliessend, unter welchen Voraussetzungen multilaterale Interbankenentgelte zwischen Händlern, Acquirern (Unternehmen, welche Kredit- und Debitkartenzahlungen abwickeln) und Zahlungsdienstleistern eingehoben werden dürfen. Dadurch wird die Richtlinie (EU) 2015/2366 über Zahlungsdienste, die im Zahlungsdienstegesetz umgesetzt wurde, ergänzt.
Der Übernahmeprozess betreffend die Verordnung (EU) Nr. 2015/751 in das EWR-Abkommen ist noch nicht abgeschlossen. Grundsätzlich wird eine EU-Verordnung als solche mit der Übernahme in das EWR-Abkommen in das innerstaatliche Recht übernommen. Mit dem Interbankenentgelteverordnung-Durchführungsgesetz werden nach dem Vorbild der bisherigen Durchführungsgesetze die zur Ausführung der Art. 13 bis 15 Interbankenentgelteverordnung erforderlichen technischen Durchführungsvorschriften erlassen, die notwendig sind, um die effektive Anwendung der Interbankenentgelteverordnung in Liechtenstein zu gewährleisten.
Dies betrifft vor allem die Bestimmung der FMA als zuständige Aufsichtsbehörde, die Übertragung von Aufsichtskompetenzen an die FMA sowie den Erlass der Sanktionstatbestände.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stelle
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA)
6
Vaduz, 9. Oktober 2018
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/751 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (EWR-Interbankenentgelteverordnung-Durchführungsgesetz-EWR-IBEV-DG) sowie die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes an den Landtag zu unterbreiten.
Die Europäische Kommission legte dem Rat der Europäischen Union am 24. Juli 2013 einen Vorschlag einer Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge vor. Ziel dieses Vorschlags war die Verbesserung des Binnenmarktes für Zahlungsdienste und die Förderung des Wettbewerbs im Zahlungsverkehr.
Die nunmehrige Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (IBE-VO), die am 19. Mai 2015 im EU-Amtsblatt veröffentlicht
7
wurde, trat in weiten Teilen am 8. Juni 2015 in der EU in Kraft. Lediglich die Art. 3, 4, 6 und 12 traten am 9. Dezember 2015, die Art. 7 bis 10 am 9. Juni 2016 in Kraft. Seitdem ist die IBE-VO in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich.
Die IBE-VO regelt abschliessend, unter welchen Voraussetzungen multilaterale Interbankenentgelte zwischen Händlern, Acquirern und Zahlungsdienstleistern eingehoben werden dürfen.
Interbankenentgelte sind Teil der Disagio-Gebühr, die ein Händler bei der Abwicklung von Kredit- und Debitkarten (z.B. Bankomatkarten) an einen Zahlungsdienstleister abführen muss. Diese Gebühr wird an die kartenausgebende Bank weitergeleitet.
In einigen EWR-Mitgliedstaaten waren Interbankenentgelte schon bislang gesetzlich geregelt. Diese variierten jedoch innerhalb des EWR je nach Kartenkategorie und Land.
Die IBE-VO zielt im Interesse des Konsumentenschutzes auf eine Vereinheitlichung der Entgelte ab. Sie sieht eine Deckelung der Interbankenentgelte bei Debitkarten- und Kreditkartenzahlungen vor. Diese Deckelung gilt sowohl für nationale als auch grenzüberschreitende Transaktionen.
Nach der IBE-VO werden folgende Obergrenzen für Interbankentgelte bei grenzüberschreitenden und nationalen Transaktionen mit Konsumenten-Debitkarten bzw. Konsumenten-Kreditkarten festgelegt:
Interbankenentgelte für alle Kreditkartenzahlungen (inländisch und grenzüberschreitend): 0,3 % des Transaktionswerts (Art. 4 IBE-VO);
Interbankenentgelte für inländische und grenzüberschreitende Debitkartentransaktionen von Konsumenten: höchstens 0,2 % des Transaktionswerts (Art. 3 Abs. 1 IBE-VO);
8
Bei inländischen Debitkartenzahlungen (Art. 3 Abs. 2 und 3 IBE-VO) können die EWR-Mitgliedstaaten zulassen, dass pro Transaktion, in Verbindung mit der genannten Obergrenze von 0,2 %, ein Interbankenentgelt von höchstens 5 Eurocents erhoben wird. Sie können dieses Wahlrecht ziehen, wenn die Interbankenentgelte des Kartenzahlungssystems insgesamt nicht mehr als 0,2 % des jährlichen Transaktionswerts inländischer Debitkartentransaktionen innerhalb jedes einzelnen Kartenzahlungssystems betragen. Darüber hinaus können die EWR-Mitgliedstaaten in den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung (bis 9. Dezember 2020) eine Obergrenze von 0,2 % vorgeben, die als "gewichteter Jahresdurchschnitt" aller inländischen Debitkartentransaktionen innerhalb jedes einzelnen Kartenzahlungssystems berechnet wird. Das heisst, dass das Interbankenentgelt im jährlichen Durchschnitt über alle Transaktionen nicht über 0,2 % liegen darf.
Für inländische Zahlungen, die nicht eindeutig der Kategorie Debit- oder Kreditkartentransaktionen zugeordnet werden können ("Universalkarten-Transaktionen"), gilt die gleiche Obergrenze wie für inländische Debitkartentransaktionen (Art. 16 IBE-VO).
Im ersten Jahr nach Einführung der Obergrenzen können die EWR-Mitgliedstaaten jedoch bis zu 30 % der inländischen "Universalkarten-Transaktionen" als Kreditkartentransaktionen betrachten, für die die Interbankenentgelt-Obergrenze von 0,3 % des Transaktionswerts gilt.
Nach der IBE-VO haben alle EWR-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für inländische Debitkarten- bzw. Kreditkartentransaktionen geringere Obergrenzen festzulegen.
Transaktionen mit Firmenkarten ("commercial cards") - eingeschränkt auf Betriebsausgaben - sind vom Geltungsbereich der zuvor genannten Obergrenzen ausgenommen (Art. 1 Abs. 3 Bst. a IBE-VO), sofern die Ausgaben
9
direkt dem Konto des Unternehmens bzw. einer öffentlichen Institution verrechnet werden.
Drei-Parteien-Systeme wie American Express und Diners, wo nur eine Bank involviert ist (d.h. die Rolle der Händlerakquisitionsbank und der kartenausstellenden Bank wird von einer Stelle übernommen), werden vorübergehend für eine Dauer von drei Jahren - bis 9. Dezember 2018 - vom Geltungsbereich der Deckelungen ausgenommen. Nach Ablauf dieser Frist gelten die Deckelungen auch für jene Drei-Parteien-Kartensysteme, die einer vierten Partei eine Lizenz zur Ausstellung der Karten übertragen.
Die "Honour all cards rule" entfällt. Bisher mussten Unternehmen sämtliche Karten akzeptieren ("Honour all cards rule"), selbst wenn sie ein bestimmtes kostengünstigeres Zahlungsmittel bevorzugten (Art. 10 IBE-VO). Unternehmen war es bisher nicht erlaubt, Konsumenten zu ersuchen, ein günstigeres Zahlungsinstrument zu wählen. Dies wurde durch die IBE-VO abgeschafft. Künftig können Unternehmen frei entscheiden, welche Karten sie akzeptieren, sofern diese nicht derselben Interbankenentgelt-Gebühr unterliegen, die den oben genannten Deckelungen entspricht.
Soweit die IBE-VO die EWR-Mitgliedstaaten zur Ziehung von Wahlrechten ermächtigt, etwa in Bezug auf die Erlassung abweichender Zahlungsentgelte (vgl. z.B. Art. 2 Abs. 2), wurde auf die Wahrnehmung dieser Optionen verzichtet. Sie sind für eine wettbewerbsgerechte Anwendung der IBE-VO in Liechtenstein nicht von Bedeutung.