Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (EWR-Wertpapierprospekt-Durchführungsgesetz; EWR-WPPDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (Wertpapierprospektverordnung) soll der Reform des bislang geltenden Wertpapierprospektrechts mit einem besonderen Fokus auf einen einheitlichen, gleichwertigen Anlegerschutz dienen. Daneben soll der Verwaltungs- und Kostenaufwand bei der Prospekterstellung, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Emittenten von Sekundäremissionen und Daueremittenten gesenkt werden. Die Wertpapierprospektverordnung steht in engem Zusammenhang mit der von der EU-Kommission bis Ende 2019 geplanten Kapitalmarktunion. In der EU kommt der Wertpapierprospektverordnung ab 21. Juli 2019 volle Anwendbarkeit zu.
Mit den neuen Regeln wird der Schwellenwert für die Prospektpflicht für öffentliche Angebote von Wertpapieren und bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt im EWR mit 1 Million Euro harmonisiert und Ausnahmetatbestände erfahren eine Erweiterung. Zudem werden Vereinfachungen im Hinblick auf die Erstellung und Ausgestaltung der Prospekte, die Verschlankung der Prospektzusammenfassungen und im Hinblick auf bestimmte Emittenten, wie Daueremittenten und KMU-Emittenten, Vorteile eingeführt. Wer den Status eines Daueremittenten erhält, kann ein beschleunigtes Billigungsverfahren unter Verwendung eines einheitlichen Registrierungsformulars nutzen. Für KMU-Emittenten und andere nicht börsennotierte Unternehmen wird ein EU-Wachstumsprospekt eingeführt. Unternehmen, deren Wertpapiere innerhalb der letzten 18 Monate an einem organisierten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen waren, können bei Sekundäremissionen zudem von vereinfachten Anforderungen bei einem Zulassungs- und/oder Angebotsprospekt profitieren. Darüber hinaus soll die vorherrschende Praxis eines zum Teil überbordenden Katalogs an Risikofaktoren durch entsprechende Vorschriften auf Minimierung solcher Angaben abgeschafft werden. Die Aufsichtsbehörden werden mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet und es wird ein dem EU-Standard entsprechendes Sanktionsregime eingeführt, sodass im EWR von gleichen Wettbewerbsbedingungen ausgegangen werden kann, die das Funktionieren des Wertpapierbinnenmarktes fördern.
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Die Wertpapierprospektverordnung gilt in Liechtenstein nach der Übernahme in das EWR-Abkommen unmittelbar. Dabei kommt ihr jedoch insoweit ein eingeschränkter Anwendungsbereich zu, als Liechtenstein derzeit noch über keinen geregelten Markt und keine entsprechende Börsenregulierung verfügt. Einige der Bestimmungen der Wertpapierprospektverordnung bedürfen jedoch einer nationalen Durchführung. Dazu dient die Schaffung des Wertpapierprospekt-Durchführungsgesetzes, welches zeitgleich mit der vollen Anwendbarkeit der Wertpapierprospektverordnung in der EU am 21. Juli 2019 in Liechtenstein in Kraft treten soll. Mit der Totalrevision des Wertpapierprospektrechts verbunden sind Anpassungen im Finanzmarktaufsichtsgesetz (FMAG), Gesetz über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMG) und im Offenlegungsgesetz (OffG).
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stelle
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein; FMA
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Vaduz, 29. Januar 2019
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Am 14. Juni 2017 hat der Europäische Gesetzgeber die Verordnung (EU) 2017/1129 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (Wertpapierprospektverordnung), erlassen. Mit dieser Verordnung erfolgt ein wesentlicher Schritt zur Vollendung der Kapitalmarktunion, der das wirksame Funktionieren des Binnenmarkts bei einem breiten Spektrum von
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Wertpapieren erleichtert. Mit der Wertpapierprospektverordnung wird die Richtlinie 2003/71/EG (Wertpapierprospektrichtlinie), die bisher harmonisierte Grundsätze und Vorschriften für den Prospekt festgelegt hatte, aufgehoben. In Liechtenstein wurde die Richtlinie 2003/71/EG im Wertpapierprospektgesetz (WPPG) umgesetzt, welches mit der vorliegenden Gesetzesvorlage ebenfalls aufgehoben werden soll.
Aufgrund der fragmentierten Rechtsgrundlagen im EWR nach unterschiedlicher Umsetzung der Wertpapierprospektrichtlinie in den EWR-Mitgliedstaaten hat es der EU-Gesetzgeber für angemessen und notwendig angesehen, die beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt geltenden Offenlegungsvorschriften in Form einer direkt geltenden Verordnung festzulegen. Damit soll auch das Vertrauen in die Transparenz der Märkte EWR-weit gestärkt und die Regulierungskomplexität sowie die Such- und Compliancekosten in Anbetracht der unterschiedlichen Regelungen für die Unternehmen verringert werden. Das Ziel ist darauf gerichtet, die Rechtsanwendung zu vereinfachen, die Effizienz zu erhöhen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, um so zum Abbau von Verwaltungslasten beizutragen. Gleichzeitig soll dem Anlegerschutz und der Markteffizienz Rechnung getragen werden.
Der Gegenstand der Wertpapierprospektverordnung bezieht sich nach Art. 1 Abs. 1 der Wertpapierprospektverordnung auf die Anforderungen an die Erstellung, Billigung und Verbreitung von Prospekten, die beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt im EWR zu veröffentlichen sind. Der Offenlegung von Informationen zur Sicherung des Anlegerschutzes kommt eine zentrale Bedeutung zu. Mit der Wertpapierprospektverordnung soll ein wesentlicher Beitrag zum besseren Funktionieren des grenzüberschreitenden Pass-Mechanismus (EWR--
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Wertpapierprospektpass) und damit zum Funktionieren des Wertpapierbinnenmarktes geleistet werden. Die Wertpapierprospektverordnung steht im Weiteren in engem Zusammenhang mit anderen EWR-Kapitalmarktrechtsakten, wie z.B. der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II - Richtlinie 2014/65/EU), Marktmissbrauchsverordnung (MAR - Verordnung (EU) Nr. 596/2014), Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2013/50/EU), Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsprodukte (PRIIP - Verordnung (EU) Nr. 1286/2014) oder der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD - Richtlinie 2014/59/EU). Insbesondere im Hinblick auf die Begriffsdefinitionen "Wertpapier", "qualifizierter Anleger", "geregelter Markt", "KMU und KMU-Wachstumsmarkt", "MTF und OTF" wird auf die relevanten Definitionen der MiFID II verwiesen und in verschiedenen anderen Bestimmungen auf die genannten Rechtsakte Bezug genommen.