Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2019 / 131
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Inhalt der drei Verordnungen
6.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
7.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
8.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
Blauer Teil
Blauer Teil
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der EU betreffend die Übernahme von Rechtsgrundlagen zur Weiterentwicklung des Schengener Informationssystems SIS (Verordnungen (EU) 2018/1860, 2018/1861 und 2018/1862) sowie die Abänderung des Gesetzes über die Landespolizei (Polizeigesetz; PolG), des Gesetzes über die Ausländer (Ausländergesetz; AuG) und des Asylgesetzes (AsylG)
(Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands)
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Das Fürstentum Liechtenstein ist mit Inkrafttreten der Assoziierungsprotokolle zu Schengen und Dublin am 19. Dezember 2011 dem Schengen-Raum beigetreten. Durch diese Schengen-Assoziierung Liechtensteins hat sich die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Migration mit den Schengen-Staaten deutlich verstärkt. Diese Zusammenarbeit ist für die Sicherheit und das Migrationswesen Liechtensteins von erheblicher Bedeutung. Namentlich das Schengener Informationssystem (SIS) ist für die Landespolizei, das Ausländer- und Passamt sowie das an der Grenze zu Österreich tätige Schweizerische Grenzwachtkorps zu einem unverzichtbaren Instrument geworden und erleichtert die Arbeit zugunsten der Sicherheit in Liechtenstein.
Diese Zusammenarbeit wird nun weiter gestärkt und die Funktionalität des SIS ausgebaut. Der vorliegende Bericht und Antrag betrifft die Übernahme und Umsetzung von drei Schengen-Weiterentwicklungen, den Verordnungen (EU) 2018/1860, 2018/1861 und 2018/1862 vom 28. November 2018. Zum Beispiel wird es neu Pflicht, Personen zur verdeckten Fahndung auszuschreiben, die verdächtigt werden, an terroristischen Aktivitäten beteiligt zu sein. Diese Möglichkeit besteht bereits heute, ist bisher jedoch freiwillig. Sie wird von den Mitgliedstaaten insbesondere seit den terroristischen Anschlägen von 2015 in Paris immer reger genutzt. In Zukunft werden alle Personen, die als potenzielle terroristische Gefahr eingestuft werden, im SIS sichtbar sein.
Zudem sollen besonders schutzbedürftige Personen präventiv ausgeschrieben werden können. Davon betroffen sind beispielsweise Kinder, welche von einem Elternteil entführt oder Opfer von Zwangsheiraten oder Menschenhandel werden könnten. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung verlangt jedoch nach Gesetzesanpassungen, welche in einem separaten Bericht und Antrag vorgelegt werden.
Das ausgebaute SIS sollte ferner einen besseren Vollzug der Verfügungen zur Wegweisung von Drittstaatsangehörigen mit irregulärem Aufenthalt im Schengen-Raum sowie die europaweite Ausschreibung und den Vollzug von Einreiseverboten ermöglichen, welche insbesondere mit der Einführung der lückenlosen
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Kontrolle der Ein- und Ausreise in und aus dem Schengen-Raum (Entry-Exit-System) diesbezügliche Sicherheitslücken schliessen soll.
Diese Weiterentwicklungen wurden Liechtenstein durch die EU am 20. November 2018 notifiziert. Die Regierung hat die Übernahme der genannten Verordnungen, vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags, genehmigt.
Einerseits soll der zur Übernahme der drei vorliegenden Verordnungen notwendige Notenaustausch durch den Landtag genehmigt werden und andererseits befasst sich die vorliegende Gesetzesvorlage mit der dadurch notwendigen Abänderung des Polizeigesetzes (PolG), des Ausländergesetzes (AuG) sowie des Asylgesetzes (AsylG).
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt
Betroffene Amtsstellen
Landespolizei
Ausländer- und Passamt
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Vaduz, 5. November 2019
LNR 2019-1480 P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der EU betreffend die Übernahme von Rechtsgrundlagen zu Weiterentwicklungen des Schengener Informationssystems SIS (Verordnungen (EU) 2018/1860, 2018/1861 und 2018/1862) sowie die Abänderung des Gesetzes über die Landespolizei (Polizeigesetz; PolG), des Gesetzes über die Ausländer (Ausländergesetz; AuG) und des Asylgesetzes (AsylG) zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Am 7. April 2011 ist die Anwendung des Schengen-Besitzstands im Fürstentum Liechtenstein bzw. die sog. Schengen-Assoziierung Liechtensteins in Kraft getreten.1
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Das Abkommen von Schengen, das seit 1985 besteht, fördert den freien Reiseverkehr durch die Aufhebung der systematischen und verdachtsunabhängigen Personenkontrollen an den Binnengrenzen. Im Sinne einer Ausgleichsmassnahme und zur gleichzeitigen Stärkung der inneren Sicherheit der Schengen-Staaten werden die Kontrollen an den Aussengrenzen des Schengen-Raums intensiviert. Zudem wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei bei der Strafverfolgung und zum Teil auch bei der Gefahrenabwehr verstärkt. Kernstück ist hierbei das gemeinsame, elektronische Fahndungssystem, das Schengener Informationssystem SIS, welches derzeit in zweiter Generation betrieben (SIS) und mit der Übernahme der vorliegenden Verordnungen weiter ausgebaut wird.
Das SIS ist ein elektronisches Personen- und Sachfahndungssystem, das durch die Schengen-Staaten gemeinsam betrieben wird. Es enthält Informationen über polizeilich und justiziell gesuchte, mit einem Einreiseverbot belegte oder vermisste Personen - insbesondere Kinder - sowie über gestohlene Gegenstände (z. B. Autos und Waffen). Das SIS ist das erfolgreichste Instrument zur wirksamen Zusammenarbeit zwischen Polizei-, Migrations-, Zoll- und Justizbehörden in der EU und den assoziierten Schengen-Staaten und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus. Das System umfasste 2017 über 76 Millionen Ausschreibungen (82 Millionen Ende 2018). 2017 wurde von den Mitgliedstaaten mehr als 5,1 Milliarden Mal darauf zugegriffen, wobei über 240 000 Treffer zu ausländischen Ausschreibungen (Ausschreibungen anderer Mitgliedstaaten) erhalten wurden (2018: 6,2 Milliarden Zugriffe). Die Landespolizei erhielt im Jahr 2018 35'138 Auskunftsersuche aus Schengen-Staaten, 998 Anfragen wurden von der Landespolizei an Schengen-Staaten gerichtet. Für das Landgericht konnte der Aufenthalt von 108 Personen in Schengen-Staaten ermit-
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telt werden, sechs von Liechtenstein zur Verhaftung ausgeschriebene Personen konnten 2018 im Ausland angehalten und zwecks Auslieferung an Liechtenstein inhaftiert werden.
Die nationale operative Zentralstelle hinter dem SIS ist das jeweilige nationale SIRENE-Büro, welches im Fürstentum Liechtenstein bei der Landespolizei angegliedert ist. Dieses ist für den nationalen und internationalen Informationsaustausch in Bezug auf SIS-Daten und die rasche Trefferbearbeitung zuständig.
Als Reaktion auf die Terroranschläge in Europa und die Migrationskrise im Jahr 2015, gerieten die EU-Aussengrenzen zunehmend unter Druck, was einige Schengen-Staaten dazu veranlasste, die Kontrollen an den Binnengrenzen vorübergehend wiedereinzuführen. Um das Fortbestehen des grenzfreien Schengen-Raums zu gewährleisten, die gemeinsamen Aussengrenzen zu stärken und die Zusammenarbeit zur Bekämpfung bestimmter Formen der schweren Kriminalität einschliesslich Terrorismus zu verbessern, legte die Europäische Kommission im Dezember 2016 ein Reformpaket von drei Vorschlägen zu Rechtsakten vor. Die vorgeschlagenen Neuerungen sollen die nationalen Verfahren zur Nutzung des SIS harmonisieren, insbesondere im Hinblick auf Straftaten mit Terrorismusbezug sowie die Entführung/Entziehung von Kindern durch einen Elternteil. Darüber hinaus soll beispielsweise die Möglichkeit geschaffen werden, neben neuen Sachfahndungskategorien auch weitere biometrische Daten zur Identifikation (DNA bei Vermissten, Handabdrücke, Tatortspuren unbekannter Tatverdächtiger) im SIS speichern zu können. Sobald die Technologie dahingehend entwickelt ist, dass das Gesichtsbild mit dem Foto des Ausweises abgeglichen werden kann, soll man diese Möglichkeit an den Schengen-Aussengrenzen an automatisierten Gates bei der Ein-/Ausreise nutzen dürfen. Einreiseverbote und Rückkehrentscheidungen müssen zwingend im System eingetragen werden. Ausserdem soll die Agentur der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) eine technische
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Schnittstelle für den SIS-Zugang erhalten, um auf die in das SIS eingegebenen Daten zugreifen und diese abfragen zu können. Europol soll mit zusätzlichen Rechten für den Zugriff auf die in das SIS eingegebenen Daten und die Abfrage dieser Daten im Rahmen des Europol-Mandats ausgestattet werden.
Darüber hinaus wurden zahlreiche weitere Massnahmen aus demselben Grund ergriffen, welche gesamthaft dem genannten Zweck dienen und teilweise bereits dem Landtag vorgelegt wurden (Smart Borders: Europäisches Suchportal, Europäisches Einreise-/Ausreisesystem [EES], Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem [ETIAS] etc.).2



 
1Protokoll zwischen dem Fürstentum Liechtenstein, der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Union, der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Assoziierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, LGBl. 2011 Nr. 131, LR 0.363.31.
 
2Dazu ausführlicher unten in Abschnitt 5.6.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2020 / 242
2020 / 241
2020 / 240
2020 / 239
Landtagssitzungen
04. Dezember 2019
Stichwörter
Abän­de­rung Asyl­ge­setz (AsylG)
Abän­de­rung Aus­län­der­ge­setz (AuG)
Abän­de­rung Poli­zei­ge­setz (PolG)
Schengen-Besitzstand
Schen­gener Infor­ma­ti­ons­system (SIS)
Schengen-Raum
ter­ro­ris­ti­sche Aktivitäten
ver­deckte Fahndung
Ver­ord­nungen (EU) 2018/1860, 2018/1861 und 2018/1862