Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2019 / 27
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bestimmungen
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.1EWR-Refe­renz­wert-Durch­füh­rungs­ge­setz (EWR-RWDG)
1.2Finanz­mark­tauf­sichts­ge­setz
1.3Konsum­kre­dit­ge­setz
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden (EWR-Referenzwert-Durchführungsgesetz; EWR-RWDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
 
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Die Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juli 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 soll sicherstellen, dass im EWR hergestellte und verwendete Referenzwerte robust, zuverlässig, repräsentativ und für den angestrebten Einsatzzweck geeignet sind. Referenzwerte sollen auch vor Manipulationen geschützt werden, was insbesondere nach dem LIBOR-Skandal einen wesentlichen Zweck der Regulierung darstellt. Der LIBOR-Skandal bezeichnet die im Jahr 2011 aufgedeckten Manipulationen des Referenzzinssatzes LIBOR (London Interbank Offered Rate) sowie weiterer Zinssätze im Interbankengeschäft, wodurch sich ca. 20 beteiligte Banken Vorteile (z.B. geringeres Zinsänderungsrisiko) verschafft hatten, was sich auf Seiten der Kreditnehmer durch überhöhte Immobilienkreditzinsen auf LIBOR-Grundlage negativ ausgewirkt hatte. In der EU gilt diese Verordnung ab 1. Januar 2018.
Die Verordnung (EU) 2016/1011 schafft einen einheitlichen Regulierungsrahmen für finanzielle Referenzwerte, wozu bisher nur fragmentiert in verschiedenen EWR-Rechtsakten bzw. in IOSCO-Grundsätzen Regelungen zu finden waren. Die Regeln dienen dem Anleger- und Verbraucherschutz sowie der Stärkung der Finanzmarktintegrität.
Mit der Verordnung (EU) 2016/1011 werden drei Kategorien von Referenzwerten eingeführt, die unterschiedliche aufsichtsrechtliche Anforderungen zu erfüllen haben, je nachdem welchen Einfluss sie auf die Finanzmarktstabilität haben. Es wird unterschieden zwischen "kritischen" Referenzwerten (EURIBOR - Euro Interbank Offered Rate; EONIA - Euro OverNight Index Average; LIBOR - London Interbank Offered Rate; STIBOR - Stockholm Interbank Offered Rate), "signifikanten oder bedeutsamen" Referenzwerten, die als Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte im Gesamtwert von mindestens 50 Milliarden Euro genutzt werden, und "nicht signifikanten oder unbedeutenden" Referenzwerten ausserhalb der zuvor genannten Referenzwerte.
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Die Verordnung (EU) 2016/1011 unterstellt alle Administratoren von Referenzwerten einer Zulassungspflicht und der Aufsicht durch die zuständigen Finanzmarktaufsichtsbehörden. Sie haben je nach Art des Referenzwertes unterschiedliche aufsichtsrechtliche und organisatorische Pflichten einzuhalten, die sich auch auf die Kontrolle über die Bereitsteller von Daten beziehen. Es gilt präzise Daten bei der Ermittlung von Referenzwerten heranzuziehen, damit gewährleistet ist, dass der Markt oder die wirtschaftliche Realität, den bzw. die sie messen, realitätsgetreu abgebildet ist. Die Daten sollten aus zuverlässigen Quellen stammen und der Referenzwert sollte belastbar und verlässlich berechnet werden. Daneben sind auch Kontributoren, Personen, die den Administratoren Eingabedaten bereitstellen, und Verwender von Referenzwerten dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung unterstellt.
Die Verordnung (EU) 2016/1011 gilt in Liechtenstein nach der Übernahme in das EWR-Abkommen unmittelbar. Einige ihrer Bestimmungen bedürfen jedoch einer nationalen Durchführung. Dazu dient die Schaffung des EWR-Referenzwert-Durchführungsgesetzes. Damit verbunden sind Anpassungen im Finanzmarktaufsichtsgesetz und im Konsumkreditgesetz. Die FMA ist die in Liechtenstein zuständige Aufsichtsbehörde.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stelle
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, FMA
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Vaduz, 2. April 2019
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden (EWR-Referenzwert-Durchführungsgesetz; EWR-RWDG) sowie die Abänderungen weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Am 8. Juni 2016 hat der Europäische Gesetzgeber die Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Referenzwertverordnung; in Englisch: Benchmarkregulation, BMR) erlassen. Diese Referenzwertverordnung wurde als Reaktion auf schwere Manipulationen bei Referenzzinssätzen (LIBOR, EURIBOR) und Manipulationsvorwürfe in Bezug auf Energie, Öl- und Devisen-Referenzwerte erlassen. Zur Stärkung der Marktintegrität und des Vertrauens
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der Anleger sind die Genauigkeit und Robustheit von Referenzwerten durch Festlegung bestimmter Anforderungen zu gewährleisten. Die Referenzwertverordnung trägt insgesamt den IOSCO-Grundsätzen Rechnung, welche in Bezug auf Regulierungsanforderungen an finanzielle Referenzwerte als globaler Standard dienen.
Bisher waren nur Teilaspekte bestimmter Referenzwerte (z.B. verwendete Refe-renzwerte im Rahmen der Anlagepolitik der UCITS-Richtlinie, zuverlässige Referenzwerte für börsennotierte Finanzinstrumente nach der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID), vom Emittenten verwendete Referenzwerte nach der Wertpapierprospektverordnung oder im Bereich von Energiegrosshandelsprodukten) reguliert. Mit der Referenzwertverordnung sollen alle Verwendungsarten finanzieller Referenzwerte in der Finanzwirtschaft abgedeckt werden und erkannte Schwachstellen bei deren Bereitstellung zum Schutz der Verbraucher vor finanziellen Verlusten bzw. zur Vermeidung von Verzerrungen der Realwirtschaft durch Manipulationen beseitigt werden. Es handelt sich um einen präventiven Rechtsrahmen zur Harmonisierung einer bisher sehr fragmentierten Rechtslage, welcher das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für die Bereitstellung von Referenzwerten sicherstellen soll.
Der Begriff des Referenzwerts umfasst jeden Index, auf den Bezug genommen wird, um den Preis eines Finanzinstruments (nach Anhang I Abschnitt C der Richt-linie 2014/65/EU; MiFID), eines Finanzkontrakts (Konsumkredit oder Wohnim-mobilienkredit für Konsumenten) oder den Wert eines Finanzinstruments zu be-stimmen. Ebenso kann es sich um einen Index handeln, der verwendet wird, um die Wertentwicklung eines Investmentfonds (Performance), insbesondere von Exchange-Traded-Funds (ETF) zu messen. Der Index wiederum umfasst jede Zahl, die veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und regelmässig entweder mit einer Formel oder bestimmten Berechnungsmethode bestimmt
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wird und auf der Grundlage von Daten (Basisvermögenswerte, Basispreise, Zins-sätze, Quotierungen, etc.) beruht.
Eine Verwendung von Referenzwerten liegt u.a. bei der Ausgabe eines Finanzin-struments, für das ein Index als Bezugsgrösse dient, vor. Unter Ausgabe ist die Herstellung von übertragbaren Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten oder Investmentfonds zu verstehen, die an das Publikum direkt oder über Handelsplätze (Börse, Handelsplattformen) angeboten werden, für welche ein Index oder eine Index-Kombination als Bezugsgrösse dient. Ebenso handelt es sich um eine Verwendung, wenn sich die Preisbestimmung von Finanzinstrumenten und -kontrakten oder die Wertmessung von Investmentfonds oder die Zinssatzbestimmung bei Konsumkrediten nach einem Referenzwert richtet. Auch der Umstand, Vertragspartei eines derartigen Finanzkontrakts zu sein, gilt als Verwendung. Es können somit verschiedenste Finanzintermediäre als Verwender unter den Geltungsbereich der Referenzwertverordnung fallen. Gemäss näherer Interpretation durch die ESMA können z.B. ein Handelsplatz, ein systemischer Internalisierer und eine zentrale Clearingstelle, soweit von ihnen die Bedingungen eines Derivates und somit auch für den spezifischen Referenzwert festlegt werden, als Verwender gelten. Aber auch jede Partei einer Derivatetransaktion im Rahmen eines OTC-Handels oder Banken im Hinblick auf die Ausgabe von Zertifikaten, die auf ein Portfolio referenzieren, können als Verwender angesehen werden. Investmentfonds würden wohl als Verwender angesehen werden, wenn ihre Strategie einen Index nachbildet oder dessen Performance nachverfolgt (synthetische oder physische Nachbildung) oder wenn es sich um strukturierte Fonds handelt, die basiert auf Algorithmen, welche an die Performance von Indices gekoppelt sind, Erträge an Anleger auszahlen. Soweit jedoch Indices in der Fondsdokumentation nur zum Performancevergleich genannt werden, ohne dass diese Teil der Anlagepolitik sind, liegt nach Interpretation der ESMA keine Verwendung von Indices vor. Der Nettoinventarwert (NAV) eines Investmentfonds
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qualifiziert nicht als Referenzwert im Sinne der Referenzwertverordnung, jedoch wären die Investmentfonds, die NAV regelmässig erstellen und bekanntgeben (z.B. UCITS) im Sinne der Referenzwertverordnung gegebenenfalls als Kontributoren zu Referenzwerten aus regulierten Daten (Art. 17 Referenzwertverordnung) anzusehen.
Die Referenzwertverordnung sieht Pflichten für Personen vor, die an der Bereit-stellung (Administratoren), Beitragsleistung (Kontributoren) und Nutzung (Ver-wender) von Referenzwerten beteiligt sind. Ihr Geltungsbereich richtet sich auf alle Referenzwerte, die für die Preisbildung von Finanzinstrumenten verwendet werden, die an geregelten Handelsplätzen notieren oder gehandelt werden. Ebenso sind Referenzwerte der Regulierung unterstellt, die für die Bestimmung des Wertes eines Finanzkontrakts (Kreditvertrages) oder die Wertentwicklung eines Investmentfonds herangezogen werden. Soweit kein Handel eines Finanzinstruments an einem Handelsplatz im Sinne der MiFID beantragt wurde oder das Finanzinstrument nicht an einem solchen Handelsplatz oder über systemische Internalisierer gehandelt wird, findet die Referenzwertverordnung keine Anwendung.
Sowohl die Bereitstellung als auch die Beitragsleistung zur Bereitstellung von Referenzwerten birgt aufgrund des jeweiligen Ermessensspielraums Interessens-konflikte in sich, die mit den in der Referenzwertverordnung festgelegten Anfor-derungen an die Unternehmensführung und Tätigkeiten von Administratoren und Kontributoren vermieden werden sollen. Administratoren müssen über eine wirksame Aufsichtsstruktur über ihre Tätigkeit, einen ausreichenden Kontroll-rahmen im Hinblick auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, einen Rahmen für die Rechenschaftslegung und das Führen von Aufzeichnungen sowie über einen Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden verfügen. Insbesondere sind sie verpflichtet, Beschwerden über den Prozess des Administrators zur Refe--
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renzwert-Bestimmung entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Im Falle einer De-legation von Aufgaben bleibt ein Administrator weiterhin verantwortlich. Im In-nenverhältnis ist zudem ein System für die Meldung von tatsächlichen oder po-tentiellen Verstössen gegen die gesetzlichen Bestimmungen für Angestellte ein-zurichten. Solche Meldesysteme haben für die Aufdeckung von Manipulationen eine wesentliche Bedeutung.
Administratoren werden einer nationalen Zulassungspflicht bzw. im Fall eines bereits beaufsichtigten Unternehmens einer Registrierungspflicht unterworfen. Die Aufsicht wird mit wirkungsvollen Aufsichts- und Untersuchungsbefugnissen ausgestattet und es werden für sie die erforderlichen Verwaltungsmassnahmen vorgesehen. Die Zulassung berechtigt zur grenzüberschreitenden Tätigkeitsaus-übung im gesamten EWR. Die FMA hat alle zugelassenen bzw. registrierten Ad-ministratoren aus Drittstaaten sowie auch die aus Drittstaaten übernommenen Referenzwerte der ESMA zu melden, die dazu ein öffentliches Register führt.
Bei der Veröffentlichung von Referenzwerten hat der Administrator die verwen-dete Methodik und die Art der Eingabedaten zum Nachvollzug der Entstehung bzw. Veränderung des Referenzwertes für Verwender und Interessensträger of-fenzulegen. Für Nutzer ist es notwendig, zu verstehen, was ein bestimmter Refe-renzwert messen soll und wie manipulationsfähig er ist. Dazu ist vom Administra-tor je nach Art des Referenzwertes eine angemessene Referenzwert-Erklärung zu veröffentlichen. Nach Möglichkeit sollten transaktionsbasierte Ist-Daten verwen-det werden, um Manipulationen zu verhindern. Soweit die Transaktionsdaten nicht ausreichen oder nicht geeignet sind, um die Integrität und Genauigkeit des Referenzwertes sicherzustellen, ist es u.a. wesentlich, dass sich die Kontributoren einem strengen Verhaltenskodex hinsichtlich der Bereitstellung von Eingabeda-ten unterwerfen. Soweit es sich um beaufsichtigte Unternehmen handelt, haben diese bei der Prüfung und Beaufsichtigung der Bereitstellung eines Referenzwer--
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tes uneingeschränkt mit dem Administrator und der FMA zusammenzuarbeiten und alle Informationen und Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Bei den Eingabedaten handelt es sich um die von einem Administrator zur Bestimmung eines Referenzwertes verwendeten Daten in Bezug auf den Wert eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Preise, einschliesslich geschätzter Preise, Quotierungen, verbindlicher Quotierungen oder anderer Werte. Als Beitrag von solchen Eingabedaten wird von der Referenzwertverordnung die Übermittlung von nicht ohne weiteres verfügbaren Eingabedaten an den Administrator definiert, die im Zusammenhang mit der Bestimmung eines Referenzwertes erforderlich ist und zu diesem Zweck erfolgt.
Je nach Art des Referenzwertes, z.B. Referenzzinssätze, Rohstoff-Referenzwerte, werden unterschiedliche Anforderungen aufgestellt. Unter welchen Umständen ein Referenzwert als kritisch, als signifikant oder als nicht signifikant anzusehen ist, wird in spezifischen Verfahrensbestimmungen festgelegt. Damit wird dem Prinzip der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen und es soll vermieden wer-den, dass den Administratoren von Referenzwerten, deren Erstellung für das Finanzsystem als Ganzes eine geringere Bedrohung darstellt, übermässige Ver-waltungslasten auferlegt werden.
Unter anderem können auch aus Drittstaaten stammende Referenzwerte von beaufsichtigten Unternehmen im EWR verwendet werden, soweit die EU-Kommission eine positive Entscheidung über die Gleichwertigkeit des Systems des jeweiligen Drittstaats getroffen hat und die zuständigen Behörden eine Kooperationsvereinbarung schliessen (Gleichwertigkeitsverfahren, Art. 30 der Referenzwertverordnung). Administratoren mit Sitz in einem Drittstaat können von der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaates aber auch anerkannt werden, soweit IOSCO Grundsätze eingehalten werden (Anerkennungsverfahren; Art. 32 der Referenzwertverordnung) und der Administrator im Referenzmit-
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gliedstaat über einen niedergelassenen, rechtlichen Vertreter verfügt. Daneben wird von der Referenzwertverordnung auch ein Übernahmeverfahren (Art. 33 der Referenzwertverordnung) eingeführt, wobei im EWR angesiedelte Administratoren oder beaufsichtigte Unternehmen aus Drittstaaten stammende Referenzwerte übernehmen können, damit sie im EWR verwendet werden. Es obliegt dem übernehmenden Administrator oder beaufsichtigten Unternehmen, die Verantwortung für solche übernommene Referenzwerte zu tragen und für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der Referenzwertverordnung zu sorgen. Diese drei Verfahren stehen alternativ zur Verfügung, um eine Bereitstellung und letztlich eine Verwendung von Referenzwerten aus Drittstaaten zu ermöglichen.
Der liechtensteinische Finanzmarkt ist sehr international ausgerichtet und nimmt am weltweiten Handel von Finanzinstrumenten auf verschiedenen Plattformen unter Nutzung neuer Technologien teil. Dabei richten sich die Preise der Finanzinstrumente sowie die Bewertung von Investmentfonds verstärkt nach den verschiedensten Referenzwerten. Die Manipulation von Referenzwerten wird im Rahmen des neuen europäischen Marktmissbrauchsregimes, welches in Liechtenstein durch die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch in das EWR-Abkommen und durch das EWR-Marktmissbrauchsverordnungs-Durchführungsgesetz zur Anwendung gelangen wird, ausdrücklich verboten und unter Strafe gestellt. Die Referenzwertverordnung stellt demgegenüber eine nützliche Ergänzung dar, indem Regeln aufgestellt werden, die die Produktion, Bereitstellung und die Nutzung von Referenzwerten im EWR vereinheitlichen und einem angemessenen Aufsichtsregime unterstellen.
Beaufsichtigte Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Ziff. 17 der Referenzwertverordnung, wie Fondsmanager, Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter etc., die einen Referenzwert verwenden, haben darauf zu achten, dass
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von den beaufsichtigten Unternehmen gemäss Art. 29 Abs. 1 der Referenzwertverordnung nur ein Referenzwert oder eine Kombination von Referenzwerten im EWR verwendet werden darf, welcher von einem im EWR angesiedelten und im Register bei der ESMA eingetragenen Administrator bereitgestellt wird oder welcher selbst in diesem Register eingetragen ist (also auch Drittstaatsreferenzwerte). Im Hinblick auf Prospekte, die auf der Grundlage des Wertpapierprospektgesetzes oder des UCITSG zu veröffentlichen sind und die sich auf übertragbare Wertpapiere oder sonstige Investmentprodukte mit einer Bezugnahme auf einen Referenzwert beziehen, sind gemäss Art. 29 Abs. 2 der Referenzwertverordnung von Emittenten, Anbietern oder Personen, die die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragen, klare und gut sichtbare Informationen aufzunehmen, ob der Administrator im ESMA-Register eingetragen ist (Art. 29 Abs. 2 der Referenzwertverordnung). Soweit UCITS-Prospekte in der EU vor dem 1. Januar 2018 genehmigt wurden, hat eine Anpassung innerhalb einer Übergangsfrist von 12 Monaten zu erfolgen. Für den liechtensteinischen Markt ist darüber hinaus wichtig, dass alle beaufsichtigten Unternehmen (Banken, Versicherungen, Fonds, etc.), die Referenzwerte verwenden, im Rahmen ihrer Organisationspflichten unter Festlegung detaillierter Prozesse robuste schriftliche Pläne über Massnahmen im Falle einer wesentlichen Veränderung oder eines Wegfalls eines verwendeten Referenzwertes aufzustellen haben (Art. 28 Abs. 2 der Referenzwertverordnung). Solche Pläne sind der FMA auf Anfrage unter Nachweis, wie auch die Kunden über die Pläne informiert wurden, vorzulegen. Die beaufsichtigten Unternehmen haben sich zudem in ihrer Vertragsbeziehung mit Kunden an diesen Plänen zu orientieren und die Pläne laufend zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
In der Fondsbranche werden regelmässig öffentlich verfügbare oder durch führende Indexanbieter spezifisch berechnete Indizes als Referenzwerte sowohl zur internen Performancemessung, Berechnung von Gewinnbeteiligungen sowie zu
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Informations- und Vergleichszwecken in verschiedenen Fondspublikationen (Factsheet, Prospekt, Fondsvertrag) eingesetzt. Mit spezifischen "customized indices" können strategische Fonds-Anlagequoten (z.B. Anlageklassen, Regionen, Ratings, Laufzeiten) bestmöglich in einer Vergleichsgrösse reflektiert werden. In der Regel werden international anerkannte, oft aus Drittstaaten stammende Referenzwerte (z.B. MSCI, Standard & Poors, UBS, JP Morgan, Bank of Amerika, Bloomberg, SPI, SMI, EURO STOXX 50, HFRX Hedge Funds Indices, etc.) verwendet. Eine Verwendung von Referenzwerten findet ausserdem im Kreditgeschäft (EURIBOR, LIBOR) einer Bank sowie in bestimmten Geschäftsbereichen von Versicherungen bzw. im Rahmen der Anlagenberatung bei Vermögensverwaltern oder Wertpapierfirmen statt.
Die Betroffenheit als Administrator oder Kontributor dürfte in Liechtenstein derzeit noch eine Ausnahme darstellen.
Die Referenzwertverordnung gilt in der EU ab 1. Januar 2018, wobei in Art. 51 Referenzwertverordnung bestimmte Übergangsbestimmungen vorgesehen sind. So haben am Tag des Inkrafttretens der Referenzwertverordnung (30. Juni 2016) tätige Administratoren, spätestens bis zum 1. Januar 2020 eine Zulassung oder Registrierung nach der Referenzwertverordnung zu beantragen. Ebenso können beaufsichtigte Unternehmen Referenzwerte noch bis zum 1. Januar 2020 verwenden. Im Hinblick auf Drittstaatenreferenzwerte ist eine Verwendung über den 1. Januar 2020 hinaus nur möglich, soweit es sich um Finanzinstrumente, Finanzkontrakte und Messungen von Wertentwicklungen von Investmentfonds handelt, die am 1. Januar 2020 oder davor bereits auf diese Referenzwerte Bezug nehmen, und im Hinblick auf den Drittstaatenreferenzwert kein Beschluss der EU-Kommission auf Gleichwertigkeit bzw. keine Anerkennung durch die nationale Aufsichtsbehörde oder Übernahme durch beaufsichtigte Unternehmen stattgefunden hat.
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Der Rechtsakt und die auf seiner Grundlage erlassenen Durchführungsrechtsakte (Level II Rechtsakte der EU-Kommission) müssen in das EWR-Abkommen übernommen werden und finden nach erfolgter EWR-Übernahme in Liechtenstein gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung bestimmter Übergangsfristen gemäss Übernahmebeschluss Anwendung. Die EU-Kommission hat bis Ende 2018 insgesamt 18 delegierte Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte zur näheren Regelung verschiedenster Bestimmungen der Referenzwertverordnung erlassen und publiziert. Die gegenständliche Gesetzesvorlage für ein EWR-Referenzwert-Durchführungsgesetz soll gleichzeitig mit dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2016/1011 in Kraft treten. Unabhängig von diesem Gesetzgebungsverfahren wird der EWR-Übernahmebeschluss zu gegebener Zeit im Rahmen eines entsprechenden Bericht und Antrags nach Art. 103 EWR-Abkommen dem Landtag zur Zustimmung gemäss Art. 8 Abs. 2 LV unterbreitet werden.
Auf europäischer Ebene wird derzeit die Verlängerung der Übergangsfristen für kritische Referenzwerte und Referenzwerte aus Drittstaaten um zwei Jahre bis Ende 2021 diskutiert. Die Regierung wird die entsprechenden Entwicklungen und deren Auswirkungen auf das Inkrafttreten der gegenständlichen Vorlage beobachten. Aufgrund der Wichtigkeit der Vorlage behält sich die Regierung - basierend auf dem Stand des EWR-Übernahmeverfahrens - vor, dem Landtag im Rahmen der zweiten Lesung eine Vorabumsetzung der Vorlage vorzuschlagen.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
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2019 / 256
2019 / 255
Landtagssitzungen
10. Mai 2019
Stichwörter
Durch­füh­rung der Ver­ord­nung (EU) 2016/1011
EWR-Refe­renz­wert-Durchführungsgesetz
EWR-RWDG
Finan­z­in­stru­menten und Finanzkontrakte
Indizes als Referenzwert
Regu­lie­rungs­rahmen für finan­zi­elle Referenzwerte
Wert­ent­wick­lung Investmentfonds