Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Notariatsgesetzes und die Abänderung weiterer Gesetze
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Mit der stetig zunehmenden Internationalisierung des Rechtsverkehrs wird es immer wichtiger, dass im Inland erstellte Schriftstücke, im Inland abgegebene Willenserklärungen und im Inland getätigte Rechtsgeschäfte auch ausländischen Formerfordernissen entsprechen. Dies trifft insbesondere auf den internationalen Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Liechtenstein zu.
Die meisten Jurisdiktionen sehen für die genannten Willenserklärungen, Rechtsgeschäfte und Schriftstücke das Formerfordernis der notariellen Beurkundung bzw. der notariellen Beglaubigung vor.
Nach der geltenden Rechtslage können Beglaubigungen beim Fürstlichen Landgericht, beim Amt für Justiz und bei den Gemeinden durchgeführt werden. Öffentliche Beurkundungen werden beim Fürstlichen Landgericht und beim Amt für Justiz vorgenommen. Im internationalen Rechtsverkehr führt es nach Auffassung von Finanzplatzteilnehmern jedoch zu einem Wettbewerbsnachteil, dass in Liechtenstein keine notariellen Beurkundungen und Beglaubigungen vorgenommen werden können. Dem Wunsch der Finanzplatzteilnehmer nach mehr Flexibilität in dieser Hinsicht wird durch die Einführung des liechtensteinischen Notariatswesens entsprochen.
Mit dieser Vorlage wird entsprechend der Beruf des Notars in Liechtenstein eingeführt. Das liechtensteinische Notariatswesen orientiert sich an der Grundidee der europäischen Anwaltsnotare, was bedeutet, dass die Zulassung zum liechtensteinischen Notar über den Rechtsanwaltsberuf oder über eine erfolgreich abgeschlossene Notariatsausbildung erfolgt, wobei der Notarberuf grundsätzlich mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbar ist. Um den internationalen Vorgaben hinsichtlich der Zulassung zum Notarberuf gerecht zu werden, wird ergänzend die erfolgreiche Ablegung der liechtensteinischen Notariatsprüfung gefordert.
Um auch internationale Kundschaft bedienen zu können, werden mit der gegenständlichen Gesetzesvorlage auch Beurkundungen nach ausländischem Recht ermöglicht. Der Notar kann Urkunden nach ausländischem Recht erstellen, wenn er die zu beurkundenden Rechtshandlungen versteht, in der Lage ist, sie den Parteien zu erläutern, einen Überblick über das ausländische Recht hat und somit das
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zu beurkundende Rechtsgeschäft im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem ausländischen Recht überprüfen kann.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Liechtensteinische Rechtsanwaltskammer
Gerichte
Staatsanwaltschaft
Stabsstelle EWR
Amt für Justiz
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Vaduz, 9. April 2019
LNR 2019 - 438
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Notariatsgesetzes und die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
Nach der geltenden Rechtslage können gemäss Art. 81 Abs. 4 der Rechtssicherungs-Ordnung (RSO)
1 Beglaubigungen beim Fürstlichen Landgericht, beim Amt für Justiz und bei den Gemeinden durchgeführt werden. Öffentliche Beurkundungen werden gemäss Art. 81 Abs. 2 RSO beim Fürstlichen Landgericht und beim Amt für Justiz vorgenommen.
Bei der Beglaubigung handelt es sich um eine amtliche Bescheinigung der Richtigkeit einer Unterschrift oder einer Kopie bzw. Abschrift. Bei der Unterschriftsbeglaubigung wird von der Urkundsperson bestätigt, dass die Unterschrift auf einer Urkunde von dem angegebenen Aussteller stammt. Die Beglaubigung von
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Unterschriften bezieht sich entsprechend nur auf die Echtheit der Unterschrift und nicht auf den Urkundeninhalt. Bei der Beglaubigung einer Kopie bzw. einer Abschrift wird hingegen bestätigt, dass die Kopie bzw. Abschrift der Urkunde inhaltlich mit der Originalurkunde übereinstimmt.
Bei einer öffentlichen Beurkundung handelt es sich um die Aufzeichnung rechtserheblicher Tatsachen oder rechtsgeschäftlicher Erklärungen in Form der qualifizierten Schriftlichkeit. Die öffentliche Beurkundung ist bei bestimmten Verträgen und Rechtsgeschäften ein gesetzliches Erfordernis dafür, dass diese letztendlich rechtskräftig werden (beispielsweise bei der Errichtung einer Aktiengesellschaft nach Art. 281 des Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR)
2 oder bei einer Beschlussfassung der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft nach Art. 287 PGR). Die öffentliche Urkunde gewährleistet unter anderem die wahrheitsgetreue und unverfälschte Wiedergabe des Parteiwillens und den Schutz der Parteien.
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1 | LGBl. 1923 Nr. 008; LR 283.0. |
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2 | LGBl. 1926 Nr. 004; LR 216.0. |
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