Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2019 / 54
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
1.1Gesetz über Token und VT-Dienst­leister (Token- und VT-Dienst­leister-Gesetz; TVTG)
1.2Abän­de­rung des Sorg­falts­pflicht­ge­setzes (SPG)
1.3Abän­de­rung des Finanz­mark­tauf­sichts­ge­setzes (FMAG)
1.4Gesetz über die Abän­de­rung des Per­sonen- und Gesellschaftsrechts
1.5Gesetz über die Abän­de­rung des Gewerbegesetzes
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Gesetzes über Token und VT-Dienstleister (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz; TVTG) und die Abänderung weiterer Gesetze
 
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Die "Blockchain-Technologie" wurde erstmals für Bitcoin, ein privates digitales Geldsystem, entwickelt. Dabei übernimmt die Blockchain-Technologie die Funktion eines Registers, in dem Transaktionen sicher gespeichert werden können. Diese Technologie ist jedoch weit über Bitcoin hinaus einsetzbar. Die Blockchain-Technologie wird seither weltweit von einer Vielzahl von Personen und Organisationen weiterentwickelt und für andere Einsatzgebiete erweitert.
Die Relevanz der Blockchain-Technologie ist in der Möglichkeit begründet, "Informationen" so digital abzubilden, dass diese praktisch weder kopier- noch manipulierbar sind und sicher zwischen Personen übertragen werden können. Die Sicherheit wird ausschliesslich durch mathematische Verfahren (z.B. Verschlüsselungstechnik, Kryptographie) und definierte Regeln gewährleistet. Die Blockchain-Infrastruktur wird üblicherweise über das Internet öffentlich bereitgestellt und steht einem breiten Kreis an Privatpersonen und Unternehmen zur Verfügung.
Die Anwendungen der Blockchain-Technologie sind dabei nicht nur auf einfache Transaktionen von Coins oder Token mit Tauschwert zwischen Privatpersonen beschränkt. Sie bietet vielmehr die Möglichkeit für eine grosse Palette an wirtschaftlichen Dienstleistungen, da auch Vermögenswerte oder Rechte im Allgemeinen auf Blockchain-Systemen abgebildet werden können. Dies ist insofern bemerkenswert, da die digitale Abbildung von Zahlungsmitteln resp. des Vermögenswerts und die Möglichkeit zu Transaktionen ohne direkt verantwortlichen Intermediär geschaffen werden. Unternehmen, welche Dienstleistungen auf Blockchain-Systemen erbringen, nutzen so eine allgemein zugängliche digitale Infrastruktur für ihre Leistung. Bereits heute gibt es auf den verschiedenen verfügbaren Blockchain-Systemen eine Vielzahl von Unternehmen, welche Dienstleistungen anbieten, wie z.B. digitale Portemonnaies (sogenannte Wallets), Verwahrdienstleistungen und Börsen für virtuelle Währungen. Ebenfalls wird die Blockchain-Technologie heute für die Unternehmens- oder Projektfinanzierung verwendet (z.B. über "Initial Coin Offerings" (ICO) oder "Security Token Offerings" (STO)). In Zukunft ist jedoch davon auszugehen, dass eine deutlich grössere Bandbreite an Vermögenswerten oder anderen Rechten auf Blockchain-Systemen abgebildet werden und eine Vielzahl an Dienstleistungen mit Bezug auf diese Rechte angeboten wird. Vor allem die geringen Kosten für digitale Transaktionen
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eröffnen gemäss Experten neue Möglichkeiten in z.B. Finanzdienstleistungen, Logistik, Mobilität, Energiewirtschaft, Industrie, Medien, u.v.m. Diese Anwendungen werden gesamthaft unter dem Begriff "Token-Ökonomie" zusammengefasst.
Aufgrund des hohen Innovationstempos der Blockchain-Technologie und der An-wendungsgebiete ist es von grosser Bedeutung, ein Gesetz so abstrakt zu definieren, dass es auch über die folgenden Technologie-Generationen gültig ist. Deshalb wird in diesem Gesetz der Begriff "auf vertrauenswürdigen Technologien beruhende Transaktionssysteme (VT-Systeme)" für Blockchain-Systeme verwendet.
Die Möglichkeit, Vermögenswerte oder - allgemeiner - Rechte in Token abzubilden, wirft rechtliche Grundsatzfragen auf, welche für die allgemeine Rechtssicherheit für Nutzer auf VT-Systemen sowie VT-Dienstleister geklärt werden müssen. Ein Beispiel dafür ist die Rechtswirkung einer Übertragung von Token in Bezug auf das repräsentierte Recht. Der vorliegende Gesetzesvorschlag über Token und VT-Dienstleister (TVTG) führt mit dem "Token" ein neues Rechtsobjekt ein, um die Abbildung der "realen" Welt auf VT-Systeme rechtssicher zu ermöglichen und so das volle Anwendungspotential der Token-Ökonomie zu erschliessen.
Die zunehmende Verbreitung der Blockchain-Anwendungen haben auch heute schon Problemfelder erkennen lassen wie offene Fragestellungen in Zusammen-hang mit Kunden- resp. Vermögensschutz, sowie mit Missbrauch für Geldwäscherei oder andere kriminelle Zwecke. Dem soll mit einer klaren Regulierung entgegengewirkt werden. Da die Blockchain-Technologie auch in Liechtenstein aktiv genutzt wird, will die Regierung mit diesem Gesetz klären, welche Anforderungen für wichtige Tätigkeiten auf VT-Systemen (VT-Dienstleistungen) gelten. Damit wird nicht nur Rechtssicherheit geschaffen, sondern auch einerseits der Kundenschutz verbessert und andererseits offene Fragen in der Anwendung der geltenden Gesetze - insbesondere im Bereich der Sorgfaltspflichten - geklärt, um die Einhaltung der internationalen Standards und eine umfassende und wirksame Bekämpfung der Geldwäscherei zu gewährleisten.
Das Token- und VT-Dienstleistergesetz definiert einen rechtlichen Rahmen für alle Anwendungen der Token-Ökonomie, um die Rechtssicherheit bei vielen heutigen und zukünftigen Geschäftsmodellen zu gewährleisten. Dabei geht es vor allem
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um die grundlegenden Aspekte einer Token-Ökonomie, wie die Erzeugung von Token oder die Verwahrung und nicht um die Regulierung von finanzmarktnahen Tätigkeiten, wie z.B. einer Börse für Zahlungstoken.
Damit Wertpapiere ohne Umweg über eine physische Urkunde in einem Token auf einem VT-System repräsentiert und dort übertragen werden können, wird die Rechtsfigur des Wertrechts im liechtensteinischen Recht aufgenommen und zugleich die Schnittstelle zwischen Wertpapierrecht und TVTG geschaffen. Wertrechte sind entmaterialisierte Wertpapiere, bei denen die Funktionen der Urkunde durch Eintrag in das sogenannte Wertrechtebuch ersetzt werden.
Aufgrund des hohen Potentials der "Token-Ökonomie" für breite Teile der Wirtschaft will die Regierung mit diesem Gesetz die Rechtssicherheit für Nutzer und Dienstleister stärken, um die positive Entwicklung der Token-Ökonomie in Liechtenstein zu unterstützen. Sie begegnet damit nicht nur den teilweise heute schon bestehenden Risiken sondern kommt auch den Bedürfnissen der Marktteilnehmer nach mehr Rechtssicherheit im Zusammenhang mit VT-Systemen nach.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stellen
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein
Landgericht
Staatsanwaltschaft
Amt für Justiz
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 7. Mai 2019
LNR 2019-510 P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Schaffung eines Gesetzes über Token und VT-Dienstleister (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz; TVTG) und die Abänderung weiterer Gesetze zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die Entwicklung der Informationstechnologie hat die Finanzbranche seit jeher stark beeinflusst. Parallel zur Leistungssteigerung der Computer hat sich auch seine Einsatzbreite in den Finanzdienstleistungen entwickelt und die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Finanzwesens sukzessive gesteigert.
Neben dem exponentiellen Wachstum der Rechenleistung hat die Computertechnik einige weitere Basisinnovationen ermöglicht, welche das Privatleben und die Wirtschaft stark beeinflussen. Zu diesen Basisinnovationen gehören die Erfindung des Internets und des Smartphones, die es ermöglichen, von überall her auf Informationen zuzugreifen und diese auszutauschen. Dazu kommen Angebo-
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te wie die günstige und skalierbare Verfügbarkeit von Hochleistungsrechnern und Datenspeichern sowie grosse Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), welche insbesonders mit der Leistungssteigerung der Rechner einhergehen.
Mit diesen Entwicklungen, die üblicherweise als digitale Revolution oder Digitalisierung zusammengefasst werden, sind grundlegend neue Geschäftsmodelle möglich geworden. Im Finanzbereich fasst man diese Unternehmen unter dem Begriff "Financial Technology" oder kurz "Fin-Techs" zusammen. Die Fin-Techs haben seit Ende der 1990er Jahre immer weitere Prozesse der Finanzbranche adaptiert oder unterstützt: Während der Fokus am Anfang mehr auf Zahlungsdienstleistungen (z.B. PayPal) lag, sind später die Kreditversorgung von Privatpersonen und Kleinunternehmen und die Finanzierung von Start-ups und Unternehmen dazugekommen (Crowd-Lending, Crowd-Investing). Diese Typen von Fin-Techs verwenden jedoch meistens die klassische Finanzmarktinfrastruktur (Bankkonti, Zahlungsinfrastruktur etc.).
Die "Blockchain-Technologie", die im Jahr 2008 als Grundlage für "Bitcoin", eine Art elektronisches Geldsystem, entwickelt wurde, ermöglicht hingegen Fintech-Anwendungen, welche ohne die klassische Finanzmarktinfrastruktur auskommen.
Bitcoin wurde zu Beginn vor allem als Zahlungsmittel und -system eingesetzt. Mit der Zeit hat sich Bitcoin - unter anderem getrieben durch eine starke Wertentwicklung in den Jahren 2016 bis 2018 - auch als Anlageobjekt für spezialisierte Anleger entwickelt. Parallel dazu sind immer mehr sogenannte "Virtuelle Währungen" entstanden - mit zum Teil sehr unterschiedlichen Funktionalitäten. Aufgrund der Tatsache, dass bei Bitcoin der Inhaber des Vermögenswertes nicht bekannt sein muss, steht Bitcoin auch immer wieder in Kritik, für kriminelle Zwecke verwendet zu werden (z.B. Lösegeldforderungen). Die erste Generation von
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Blockchains, die für Bitcoin entwickelt wurde, weist darüber hinaus einige Problemstellungen auf, die den Einsatz für die breite Wirtschaft erschweren, wie z.B. den hohen Energieverbrauch oder eine relativ geringe Transaktionskapazität. Diese Probleme sind heute bereits teilweise von den neueren Generationen von Blockchain-Systemen gelöst. Angesichts der weltweit für die Weiterentwicklung der Blockchain eingesetzten Innovationskraft ist davon auszugehen, dass die zukünftigen Generationen von Blockchains die noch offenen Probleme lösen werden.
Auch in Liechtenstein hat sich die Entwicklung der Fin-Techs in den letzten Jahren stark beschleunigt. Während im Jahr 2014 fast keine Fin-Techs um eine Bewilligung bei der FMA angesucht haben, haben sich die Anfragen in den letzten Jahren signifikant gesteigert. Im Jahr 2015 haben die Regierung und die Finanzmarktaufsicht das "Regulierungslabor" geschaffen, um innovative Unternehmen bei Fragen der Bewilligung und Aufsicht zu unterstützen. Dies hat sich aus mehreren Perspektiven sehr bewährt: Während bei klassischen Finanzdienstleistern meistens klar ist, welche regulierte Tätigkeit man aufnehmen will, ist es bei Fin-Techs meistens unklar, ob und wie sie reguliert sind, da dies häufig auch von der konkreten Ausgestaltung des Business-Modells abhängt. Aus diesem tiefen Dialog mit der Praxis erhält die FMA wertvolles Know-how und kann feststellen, wo das heutige regulatorische Umfeld Verbesserungspotential hat.
Durch das Regulierungslabor hat die FMA seit 2015 stark zunehmende Kontakte mit Fin-Techs: Im Jahr 2017 waren es rund 100 Fin-Techs, im Jahr 2018 bereits über 250. Viele dieser Unternehmen wiesen einen Bezug zur Blockchain-Technologie auf. Während auch hier anfänglich der Fokus auf Anwendungen im Zahlungsverkehr lag, verschiebt sich dieser derzeit merklich in Richtung Ausgabe von neuen Token in verschiedenen Anwendungsbereichen, wie z.B. zur Projektfinanzierung der Entwicklung einer neuen Generation von Blockchain. Diese "Erst-
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ausgaben von Token" werden üblicherweise unter dem Begriff "Initial Token Offerings (ITO)" oder geläufiger "Initial Coin Offerings (ICO)" zusammengefasst, wobei sehr verschiedene Ausgestaltungen anzutreffen sind, welche Auswirkungen auf die finanzmarktrechtliche Einordung haben. Aus dem Dialog mit der Praxis war relativ früh zu erkennen, dass die Blockchain einige grundlegende Fragestellungen aufwirft, die aus Gründen der Rechtssicherheit zu klären sind.
Das Ministerium für Präsidiales und Finanzen hat sich aus diesem Grund seit 2016 intensiv mit der Thematik der Blockchain auseinandergesetzt. Interne und externe Experten sind zum Schluss gekommen, dass die Bedeutung der blockchain-basierten Transaktionssysteme deutlich über die heute sichtbaren Anwendungen hinausgeht. Die Technologie besitzt das Potential, grosse Teile der Wirtschaft, und damit auch den Finanzsektor, massgeblich zu verändern. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass eine praxisnahe Regulierung die Rechtssicherheit von allen Beteiligten stark verbessern und so die Entwicklung dieser Innovation wesentlich begünstigen kann.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2019 / 305
2019 / 304
2019 / 303
2019 / 302
2019 / 301
Landtagssitzungen
03. Oktober 2019
06. Juni 2019
Stichwörter
Abän­de­rung Finanzmarktaufsichtsgesetz
Abän­de­rung Gewerbegesetz
Abän­de­rung PGR
Abän­de­rung Sorgfaltspflichtgesetz
auf ver­trau­ens­wür­digen Tech­no­lo­gien beru­hende Transaktionssysteme
Block­chain-Technologie
ent­ma­te­ria­li­sierte Wertpapiere
Ini­tial Coin Offerings
Kryp­to­gra­phie
Schaf­fung Gesetz über Token und VT-Dienstleister
Secu­rity Token Offerings
Token- und VT-Dienst­leister Gesetz
Token-Ökonomie
TVTG
Ver­mö­gens­werte
Ver­schlüs­se­lungs­technik
VT-Systeme
Wert­recht