Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung (EWR-Wertpapierfinanzierungsgeschäfte-Durchführungsgesetz; EWR-WPFGDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
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Die Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Abänderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (Englisch: "Regulation on transparency of securities financing transactions and of reuse"; SFTR) wurde vom europäischen Gesetzgeber mit dem Ziel erlassen, die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften im "Schattenbanksektor" erheblich zu erhöhen. Schattenbanken bestehen aus einem vielfältigen Anteil von Institutionen und Märkten, die insgesamt traditionelle Bankfunktionen übernehmen, ohne dafür speziell beaufsichtigt zu werden. Die mit solchen Geschäften verbundenen Risiken sollen erkannt und deren Umfang eingeschätzt werden können, um die Finanzstabilität zu gewährleisten und den Anlegerschutz insbesondere im Bereich von Investitionen in Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW, AIF) zu erhöhen.
Die Verordnung (EU) 2015/2365 gilt in Liechtenstein nach Übernahme in das EWR-Abkommen unmittelbar. Sie sieht im Wesentlichen einheitliche Regelungen zur Meldung von Wertpapierfinanzierungsgeschäften durch Gegenparteien an registrierte Transaktionsregister vor. Ebenso sind Regelungen zur Bereitstellung von Informationen durch Verwaltungsgesellschaften nach dem UCITSG bzw. AIFM nach dem AIFMG in regelmässigen Berichten bzw. vorvertraglichen Unterlagen von Investmentfonds (OGAW, AIF) und zur Festlegung von Mindesttransparenzvorschriften für die Weiterverwendung von Sicherheiten durch Gegenparteien enthalten. Das Kapitel VIII. über verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Verwaltungsmassnahmen der Verordnung (EU) 2015/2365 bedarf jedoch einer nationalen Umsetzung.
Der liechtensteinischen Umsetzung soll der Erlass des EWR-Wertpapierfinanzierungsgeschäfte-Durchführungsgesetzes (EWR-WPFGDG) dienen. Darüber hinaus sind Anpassungen verschiedener weiterer Gesetze (UCITSG, AIFMG, FMAG) notwendig.
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stelle
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein, FMA
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Vaduz, 28. Mai 2019
LNR 2019-689 P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung (EWR-Wertpapierfinanzierungsgeschäfte-Durchführungsgesetz; EWR-WPFGDG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
Im Nachgang zur Finanzkrise 2008 richteten sich viele Regulierungen des Europäischen Gesetzgebers darauf, das Bankensystem solider und stabiler zu machen. Allerdings wurde durch die Krise auch klar, dass Transparenz und Kontrolle nicht nur im traditionellen Bankensektor verbessert werden muss, sondern auch bei bankähnlichen Kreditvermittlungstätigkeiten, die unter dem Begriff "Schattenbankwesen" bekannt sind und deren Volumen auf fast die Hälfte des regulären Bankensystems geschätzt wird. Bankähnliche Kreditvermittlungstätigkeiten finden unter anderem bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften statt.
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Bei den von der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung erfassten Wertpapierfinanzierungsgeschäften handelt es sich um Pensionsgeschäfte, Wertpapier- oder Warenleihgeschäfte, Kauf- bzw. Rückverkaufsgeschäfte oder Verkauf- bzw. Rückkaufgeschäfte und Lombardgeschäfte zwischen Gegenparteien. Gesamtrendite-Swaps werden den Wertpapierfinanzierungsgeschäften gleichgestellt. Bei Gegenparteien kann es sich um finanzielle (finanzrechtlich regulierte Unternehmen) oder um nichtfinanzielle Gegenparteien (übrige Unternehmen) handeln. Sie können ihren Sitz sowohl in EWR-Mitgliedstaaten als auch in Drittstaaten haben, soweit im letzteren Fall die Geschäftstätigkeiten oder die Weiterverwendung im Rahmen von deren Zweigniederlassungen im EWR erfolgen oder die Weiterverwendung Finanzinstrumente betrifft, die eine im EWR niedergelassene Gegenpartei oder eine Zweigniederlassung einer Drittstaatsgegenpartei gemäss einer Sicherheitsvereinbarung gestellt hat. Den Verordnungsbestimmungen kommt somit eine gewisse extraterritoriale Wirkung zu.
Eine Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten liegt vor, wenn diese im eigenen Namen und für eigene Rechnung oder für Rechnung einer Gegenpartei einschliesslich natürlicher Personen erfolgt, z.B. durch Vollrechtsübertragung oder Ausübung eines Verfügungsrechts. Die blosse Verwertung eines Finanzinstruments beim Ausfall der sicherungsgebenden Gegenpartei fällt jedoch nicht darunter.
Im Wesentlichen handelt es sich um bankähnliche Geschäfte, wie Kreditgewährung oder einlagenähnliche Finanzierungsstrukturen. Verkauft z.B. ein Unternehmen Wertpapiere aus seinem Bestand und kauft sie Zug um Zug mit einem Termingeschäft zurück, erhält es für die Laufzeit des Repogeschäfts faktisch einen besicherten Kredit. Solche Transaktionen erweitern die Finanzierungsmöglichkeiten und stellen somit ebenfalls einen Weg dar, die Abhängigkeit der Un-
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ternehmen von Banken zu reduzieren. Die Besicherung dient dem Schutz der sicherheitsnehmenden Gegenpartei bei einem Ausfall der sicherungsgebenden Gegenpartei. Auch wenn die verschiedenen Wertpapierfinanzierungsgeschäfte wirtschaftlich gleiche Effekte erzielen, so unterscheiden sie sich oft wesentlich in ihrer Grösse, ihrem Zweck und den angewendeten Marktgepflogenheiten, was mit unterschiedlichen Auswirkungen in Bezug auf das pro-zyklische Risiko verbunden ist. Hinzu kommt, dass es sich um internationale, standardisierte Vereinbarungen handelt und sich die Gegenparteien überall auf der Welt befinden können. Durch Wertpapierfinanzierungsgeschäfte kann es im Hinblick auf gemeinsame Gegenparteien oder Investitionen in Vermögenswerte derselben Art zudem zu Verflechtungen bzw. engen Interaktionen mit Geschäftsbanken kommen. Damit können systemische Risiken für die Finanzstabilität (z.B. durch Mittelabzug bei einlagenähnlichen Finanzierungsstrukturen; durch zu hohe Fremdfinanzierung der Schattenbanken oder durch Spillover-Effekte im Insolvenzfall) und im Hinblick auf den Anleger finanzielle Verlustrisiken entstehen.
Der EU-Gesetzgeber hat es daher als notwendig angesehen, erhöhte Transparenz bei jeder Nutzung von Wertpapierfinanzierungsgeschäften zu schaffen und die Verordnung (EU) 2015/2365 vom 25. November 2015 erlassen. In der EU ist sie am 12. Januar 2016 in Kraft getreten, wobei zu beachten ist, dass einige Artikel der Verordnung (EU) 2015/2365 aufgrund der Übergangsbestimmungen erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten. Für die effektive Meldepflicht (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2365) sind unterschiedliche Fristen für die verschiedenen finanziellen Gegenparteien bzw. für nichtfinanzielle Gegenparteien nach dem Inkrafttreten der entsprechenden Delegierten Verordnung der EU-Kommission zur Festlegung der an Transaktionsregister zu meldenden Einzelheiten von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (Art. 33 Abs. 2 Bst. a der Verordnung (EU) 2015/2365) vorgesehen, wobei diese in der EU frühestens am 11. April 2020 für Banken und Wertpapierfirmen zu laufen beginnen. Die erweiterten Transpa-
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renzanforderungen an Verwaltungsgesellschaften von OGAW oder AIFM nach Art. 13 der Verordnung (EU) 2015/2365 betreffend die Aufnahme der Informationen über Wertpapierfinanzierungsgeschäfte in die periodischen Berichte gelten in der EU hingegen bereits ab dem 13. Januar 2017 (siehe Art. 33 Abs. 2 Bst. b der Verordnung (EU) 2015/2365). Die Transparenzvorschriften nach Art. 14 der Verordnung (EU) 2015/2365, nämlich die Pflicht zur Aufnahme von Informationen über die eingesetzten Wertpapierfinanzierungsgeschäfte in OGAW-Prospekte oder in die Anlegerinformationen von AIF gelten in der EU nach Art. 33 Abs. 2 Bst. c der Verordnung (EU) 2015/2365 ab dem 13. Juli 2017. Die spezielle Vorschrift betreffend die Weiterverwendung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten gilt in der EU ab dem 13. Juli 2016 (Art. 33 Abs. 2 Bst. d der Verordnung (EU) 2015/2365). Ein vollständiges Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2015/2365 inklusive der Meldepflichten findet in der EU per 11. April 2019 statt, nachdem neun Durchführungsrechtsakte im Europäischen Amtsblatt vom 22. März 2019 veröffentlicht wurden. Die Verordnung (EU) 2015/2365 regelt im Wesentlichen:
Meldepflichten für Gegenparteien über alle abgeschlossenen, geänderten oder beendeten Wertpapierfinanzierungsgeschäfte gegenüber einem registrierten bzw. anerkannten Transaktionsregister;
Registrierung und Beaufsichtigung von Transaktionsregistern durch die ESMA;
Erweiterte Informationspflichten für Verwaltungsgesellschaften von OGAW und AIFM in den periodischen Berichten und Prospekten/vorvertraglichen Unterlagen;
Informationspflichten bei Weiterverwendung/Nachverpfändung von als Sicherheit erhaltenen Finanzinstrumenten gegenüber dem Sicherungsgeber verbunden mit schriftlichem Zustimmungserfordernis des Sicherungsgebers;
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Beziehungen zu Drittstaaten;
Sanktionen und Verwaltungsmassnahmen.
Indem finanzielle und nicht finanzielle Gegenparteien zur Meldung verschiedener Einzelheiten der von ihnen getätigten Wertpapierfinanzierungsgeschäfte an im EWR registrierte bzw. anerkannte Transaktionsregister verpflichtet werden, können Risikoquellen, wie das Entstehen übermässiger Hebeleffekte und Prozyklizität, eingedämmt werden. Bei den Einzelheiten handelt es sich insbesondere um Angaben zur Identifikation von Gegenparteien, zur Zusammensetzung der Sicherheit, zur Weiterverwendung der Sicherheit, zu Ersatzsicherheiten und zur Vornahme von Sicherheitsabschlägen (haircuts).
In Bezug auf das Meldeverfahren lehnt sich die Verordnung (EU) 2015/2365 aus Gründen der Kosteneffizienz, an die Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (EMIR) für die Meldung von Derivatekontrakten an registrierte Transaktionsregister an. Zur Gewährleistung eines kohärenten Anwendungsbereichs der Transparenz- und Meldepflichten nach beiden Verordnungen erfolgt eine klare Beschreibung von OTC-Derivaten einerseits und börsengehandelten Derivaten andererseits, und zwar unabhängig davon, ob diese Kontrakte in der EU oder an Märkten in Drittstaaten gehandelt werden. Dies wird mit der neuen Definition des Begriffs OTC-Derivat oder OTC-Derivatekontrakt in Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sichergestellt. Bereits unter EMIR registrierte Transaktionsregister unterliegen einem vereinfachten Registrierungsverfahren im Hinblick auf die speziellen Anforderungen nach der Verordnung (EU) 2015/2365. Um Überschneidungen oder Inkonsistenzen im Hinblick auf die Meldepflichten zwischen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und der Verordnung (EU) 2015/2365 zu vermeiden, umfassen Wertpapierfinanzierungsgeschäfte keine Derivatekontrakte, sehr wohl aber können Liquiditäts- oder Collateral-Swaps erfasst sein.
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Die erfassten Informationen, die von den Transaktionsregistern allen in Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2365 genannten Stellen (europäischen wie nationalen Aufsichtsbehörden) zur Verfügung zu stellen sind, dienen der besseren Überwachung der Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und der Vermeidung von Risikokonzentrationen und damit dem Anlegerschutz.
Die Registrierung und Aufsicht über Transaktionsregister erfolgt durch die ESMA. Der nationalen Aufsichtsbehörde kommen im Rahmen bestehender Aufsichtsaufgaben bei den verschiedenen finanziellen und nichtfinanziellen Gegenparteien ergänzende Aufsichtspflichten nach der Verordnung (EU) 2015/2365 zu. In bestimmten Fällen kann die ESMA Aufgaben an nationale Aufsichtsbehörden delegieren.
Die Anerkennung von Transaktionsregistern mit Sitz in Drittstaaten bzw. die Gleichwertigkeit der Meldungen in Drittstaaten setzen einen Gleichwertigkeitsbeschluss der EU-Kommission voraus. Darauf ist im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit Transaktionsregistern in Drittstaaten zu achten.
Im Hinblick auf die Sanktionen enthält die Verordnung (EU) 2015/2365 hohe Mindestgeldstrafen und spezielle Verwaltungsmassnahmen bei Verstössen gegen die Melde- und Transparenzpflichten. Damit soll die Einhaltung der Meldepflicht aller Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und die Einhaltung aller Voraussetzungen für eine Weiterverwendung gewährleistet werden, ohne dass die Nichteinhaltung der Anforderungen zur Nichtigkeit der entsprechenden Transaktionen führt. Es bleibt den Mitgliedstaaten vorbehalten, auch strafrechtliche Sanktionen vorzusehen. Alle Mitgliedstaaten werden jedoch zur Beachtung von Effizienz- und Verhältnismässigkeitskriterien bei der Festsetzung der Strafen, zur Veröffentlichung aller verhängten Strafen und zur Einrichtung von Meldesystemen, über welche Verstösse gegen die Verordnung (EU) 2015/2365 gemeldet werden können, verpflichtet. Bei Nichtbeachtung von Verordnungsvorschriften,
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insbesondere der Transparenzpflichten, kann es auch zu Schadenersatzansprüchen kommen. Keine Haftung begründet hingegen die Nichtbeachtung von Meldepflichten der Gegenparteien.
Die Verordnung (EU) 2015/2365 sieht bei verschiedenen Bestimmungen vor, dass zum Zwecke ihrer einheitlichen Anwendung, zur Sicherstellung einer guten Grundlage für eine hochwertige Datenqualität sowie zur Gewährleistung einer risikobasierten Aufsicht in Bezug auf Wertpapierfinanzierungsgeschäfte technische Standards von der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) vorbereitet werden. Auf Basis der von der ESMA der EU-Kommission vorgelegten technischen Regulierungsstandards hat die EU-Kommission am 13. Dezember 2018 sieben Delegierte Verordnungen erlassen. Sobald diese im Amtsblatt der EU publiziert und in das EWR-Abkommen übernommen sind, kommt auch diesen Level II Rechtsakten wie der diesen zugrundeliegenden Verordnung (EU) 2015/2365 direkte Geltung zu.
Die Verordnung (EU) 2015/2365 sowie die darauf basierenden Durchführungsrechtsakte befinden sich noch im EWR-Übernahmeverfahren. Die Regierung behält sich vor, aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Absicherung der laufenden Geschäftstätigkeiten, auf die zweite Lesung im Landtag eine Vorabumsetzung der Verordnung (EU) 2015/2365 im Rahmen dieser Gesetzesvorlage vorzusehen, wenn sich bis dahin ergibt, dass sich die Übernahme der EU-Rechtsakte weiter verzögern sollte. Unabhängig von diesem Gesetzgebungsverfahren wird der EWR-Übernahmebeschluss zu gegebener Zeit im Rahmen eines entsprechenden Bericht und Antrags nach Art. 103 EWR-Abkommen dem Landtag zur Zustimmung gemäss Art. 8 Abs. 2 LV unterbreitet werden.