Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2020 / 136
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Ein­lei­tung
I.Stel­lung­nahme der Regierung
1.All­ge­meines
2.Grund­sätz­liche Fragen
3.Fragen zu ein­zelnen Artikeln
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Grüner Teil
 
Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Emissionshandelsgesetzes aufgeworfenen Fragen
 
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In der Sitzung vom 3. September 2020 hat der Landtag den Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Emissionshandelsgesetzes (EHG) in erster Lesung beraten. Der Landtag hat mit 25 Stimmen das Eintreten auf die Vorlage beschlossen.
Die gegenständliche zeitlich dringliche Vorlage soll den vom Emissionshandel betroffenen Unternehmen, einen geordneten Austritt aus dem Emissionshandelssystem ermöglichen und eine Regelungslücke verhindern, die letztlich Kosten im fünfstelligen Bereich für die Betriebe und Mehraufwände bei den liechtensteinischen und schweizerischen Behörden verursachen würde. Die umzusetzende Richtlinie (EU) 2018/410, die die europäische Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG ergänzt, regelt die Handelsperiode 2021-2030, weshalb die Vorlage aufgrund Liechtensteins Verpflichtung gegenüber dem EWR noch dieses Jahr beschlossen werden muss. Dies insbesondere, da für die EWR/EFTA-Staaten das Datum des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 112/2020 als Umsetzungsfrist gilt. Das Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 112/2020 erfordert den Abschluss des nationalen Zustimmungsverfahrens in Liechtenstein. Der entsprechende Bericht und Antrag liegt dem Hohen Landtag vor.
Um den geordneten Austritt der beiden betroffenen Betriebe aus dem Emissionshandel sicherzustellen, wurde das Inkrafttreten des Gesetzes grundsätzlich auf den 1. Februar 2021 festgelegt, einzelne Artikel der Vorlage sollen aber rückwirkend auf den 1. Januar 2021 in Kraft treten. Diese ersetzen die Referenzen zum Kyoto-Protokoll mit dem Übereinkommen von Paris und betreffen die 4. Handelsperiode des Emissionshandels.
Aufgrund der Aktualität und zentralen Bedeutsamkeit des Klimaschutzes entstand im Rahmen der ersten Lesung eine Grundsatzdebatte zu folgenden Punkten, auf welche die Regierung gerne kurz eingehen wird, auch wenn dieser Bericht und
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Antrag schwerpunktmässig der Ermöglichung des Austritts aus dem Emissionshandelssystem und den damit verbundenen administrativen Erleichterungen und Kosteneinsparungen für die beiden betroffenen Betriebe sowie der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/410, die die Handelsperiode von 2021-2030 regelt, dient.
Primär drehte sich die Debatte um die Abänderung von Artikel 4 der Vorlage und die damit verbundenen Fragen, ob die Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert werden soll, wie und ob der Landtag über die nationalen Klimaziele entscheidet und ob bzw. in welcher Form der Hohe Landtag mit den zukünftigen Klimaschutzstrategien bzw. der Langzeitklimastrategie begrüsst wird. Zudem bat der Hohe Landtag die Regierung um einen Überblick über die aktuellen Zahlen sowie um eine Grobkostenschätzung für die Erreichung des Reduktionsziels bis 2030 und erkundigte sich, wie ein Austritt aus dem Emissionshandel konkret aussehen würde. Des Weiteren forderte der Hohe Landtag Informationen zur Nutzung der Marktmechanismen unter dem Klimaübereinkommen von Paris und regte eine Abänderung der Gesetzesvorlage an, so dass der Hohe Landtag zumindest einmal in der Legislaturperiode über den Klimaschutz beraten kann.
Die Aufnahme der zukünftigen nationalen Klimaziele nach 2030, also bspw. des Zieles bis 2050, ins EHG wurde vertieft geprüft. Die Regierung kommt aufgrund dieser Prüfung zum Schluss, dass ein Klimaziel für das Jahr 2050 analog der Schweiz in die Totalrevision des CO2-Gesetzes aufgenommen werden soll. Eine Annäherung der jeweiligen Bestimmungen erscheint aufgrund der engen Zusammenarbeit und des teilweisen Vollzugs durch die Bundesbehörden sinnvoll und zweckmässig. Zudem ist absehbar, dass das EHG aufgrund der gegenständlichen Abänderung bzw. des angestrebten Austritts Liechtensteins aus dem Emissionshandelssystem aller Voraussicht nach in den Jahren 2024-2025 mangels Anwendungsbereich aufgehoben wird. Die Verankerung der Klimaneutralität bis 2050 im EHG wäre somit zwar aus ideellen Gründen möglich, faktisch aber ohne Belang.
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Das Ziel bis ins Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, wurde im Rahmen der Erarbeitung der Klimavision 20501, die im Oktober 2020 vorgestellt wurde, von der Regierung festgelegt. Die Verankerung dieses Ziels im EHG, das in wenigen Jahren aufgehoben werden wird, bringt gegenüber der Verankerung im CO2-Gesetz, diesbezüglich keinen Mehrwert.
Aufbauend auf der Klimavision 2050 wird derzeit die Klimalangzeitstrategie mit Zeithorizont 2050 erarbeitet, die den Weg zu Netto-Null-Emissionen anhand von konkreten Massnahmen aufzeigt, und rechtzeitig zur Behandlung der Totalrevision des CO2-Gesetzes fertiggestellt sein wird. Entsprechend hat die Regierung auf Grundlage obiger Ausführungen entschieden, das Klimaziel bis 2050 nicht wie bisher üblich in das EHG, sondern verbindlich bei der anstehenden Gesetzesrevision im nächsten Jahr in das CO2-Gesetz aufzunehmen.
Das Klimaziel 2030 soll aber nach wie vor im EHG vorgesehen werden, da das EHG derzeit massgebliche Vorschriften hinsichtlich der Klimaschutzbemühungen Liechtensteins enthält. Eine zeitliche Verschiebung der gesetzlichen Verankerung des Klimaziels 2030, zu dem sich Liechtenstein bereits durch die Ratifikation des Klimaübereinkommens von Paris verpflichtet hat, würde zu einer zwischenzeitlichen Regelungslücke führen, da die Totalrevision des CO2-Gesetzes vom Gesetzgebungsprozess in der Schweiz abhängig ist. In der Schweiz kommt voraussichtlich das Referendum gegen die Revision des CO2-Gesetzes zu Stande und die Volksabstimmung ist für den Juni 2021 vorgesehen. Da Liechtenstein aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen das Abstimmungsergebnis in der Schweiz abwarten muss, ist die erste Lesung der Totalrevision des CO2-Gesetzes in Liechtenstein für den September-Landtag 2021 vorgesehen. Die zweite Lesung ist für den November-Landtag geplant, was ein Inkrafttreten des totalrevidierten CO2-Gesetzes auf den
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1. Januar 2022 ermöglicht. Aufgrund der voraussichtlichen Aufhebung des EHG in den Jahren 2024-2025 soll anlässlich der Totalrevision des CO2-Gesetzes im September 2021 das Klimaziel 2030 analog dem Klimaziel 2050 ins CO2-Gesetz aufgenommen werden.
Die Regierung begrüsst den Vorstoss des Hohen Landtages, eine aktivere Rolle im Klimaschutz einzunehmen. Im Rahmen der Erstellung des nationalen Klimaberichtes, welcher alle vier Jahre erarbeitet und an das UN-Klimasekretariat eingereicht wird, ist eine entsprechende Befassung des Hohen Landtags mit dem Klimaschutz möglich. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich der Hohe Landtag mindestens einmal pro Legislatur mit dem Klimaschutz auseinandersetzen kann. Auch hierfür erachtet die Regierung das CO2-Gesetz im Sinne einer Konsolidierung der massgeblichen Bestimmungen für die Zukunft nach 2030 als geeignete Grundlage. In der näheren Zukunft wird der Hohe Landtag bereits im Jahr 2021 zwei Mal mit dem Thema Klimaschutz im Rahmen der Totalrevision des CO2-Gesetzes und der Genehmigung der Langzeitklimastrategie begrüsst werden. Mit der Abänderung des CO2-Gesetzes tritt in der Folge auch die Verpflichtung in Kraft, dass der Hohe Landtag zumindest einmal pro Legislatur eine Klimaschutzdebatte führen kann.
Im Oktober 2020 wurden die Klimavision 2050 sowie die Energiestrategie 2030 mit der Energievision 2050 verabschiedet und im November-Landtag diskutiert. Die Inhalte der Debatte werden in der in Erarbeitung befindlichen Klimalangzeitstrategie berücksichtigt und somit gemeinsam mit den bereits erwähnten Aspekten (Klimaneutralität bis 2050 und Klimaschutzdebatte im Hohen Landtag mindestens einmal pro Legislatur, aktivere Rolle des Hohen Landtags bei der Festlegung der nationalen Klimaziele) in die Totalrevision des CO2-Gesetzes im September 2021 einfliessen.
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt
Betroffene Stellen
Amt für Umwelt
Stabstelle EWR
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 03. November 2020
LNR 2020-1591
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Emissionshandelsgesetzes (EHG) (BuA Nr. 77/2020) aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.



 
1https://www.llv.li/files/au/klimavision2050.pdf
 
1.Allgemeines
In seiner Sitzung vom 3. September 2020 hat der Landtag die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung des Emissionshandelsgesetzes (EHG) in erster Lesung beraten (Bericht und Antrag der Regierung vom 3. September 2020, Nr. 77/2020). Das Eintreten auf die Gesetzesvorlage war unbestritten.
Die gegenständliche zeitlich dringliche Vorlage soll den vom Emissionshandel betroffenen Unternehmen einen geordneten Austritt aus dem Emissionshandelssystem ermöglichen und somit Einsparungen für die Unternehmen und die Verwaltung mit sich bringen. Die vorgesehenen Anpassungen hinsichtlich des Austritts aus dem Emissionshandelssystem sind zeitkritisch und müssen bereits jetzt geschaffen werden, um eine Regelungslücke zu verhindern.
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Ansonsten müssten die beiden betroffenen Betriebe die CO2-Abgabe bis zum Inkrafttreten des abgeänderten EHG entrichten. Diesbezüglich hätten die Betriebe mit Kosten im fünfstelligen Bereich zu rechnen. Das EHG würde bei der Behandlung im Mai-Landtag 2021 erst Mitte des Jahres 2021 in Kraft treten. Somit wäre der Verwaltungsaufwand für die Betriebe und die Landesverwaltung erhöht. Beide Betriebe wären in der Übergangsfrist nicht mehr von der CO2-Abgabe befreit. Dies würde voraussichtlich auch einen bedeutenden und zu entschädigenden Mehraufwand für die Schweizer Bundesbehörden bedeuten, da Liechtenstein vom geltenden Vertrag und der Vereinbarung zu den Umweltabgaben abweichen würde (LGBl Nr. 12/2010).
Zudem soll Richtlinie (EU) 2018/410, die die europäische Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG ergänzt und die Handelsperiode 2021-2030 regelt, umgesetzt werden. Die Neuerungen der Richtlinie (EU) 2018/410 zielen im Besonderen darauf ab, die Menge der sich im Umlauf befindenden Zertifikate zu verringern, damit die Anlagenbetreiber einen grösseren Anreiz haben, ihre Anlagen auf emissionsärmere Brennstoffe umzustellen oder effizienter zu werden. Die Vorlage muss noch dieses Jahr beschlossen werden, da für die EWR/EFTA-Staaten das Datum des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 112/2020 als Umsetzungsfrist gilt. Für das Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 112/2020 ist der Abschluss des nationalen Zustimmungsverfahrens in Liechtenstein erforderlich.
Des Weiteren hat die Regierung nun in Art. 3 Abs. 1 Bst. i den Termin für die erstmalige Übermittlung des Verzeichnisses der neuen Marktteilnehmer konkretisiert. Da der Übernahmebeschluss nun vorliegt und am 1. Februar 2021 in Kraft treten soll, wird der Zeitraum für neue Marktteilnehmer vom 1. Januar 2021 bis 30. Juni 2029 festgelegt.
Ferner wurde das Inkrafttreten des EHG zeitgleich mit dem EWR-Übernahmebeschluss auf den 1. Februar 2021 festgelegt. Nur die Art. 1, 3 Abs. 1 Bst. b und k bis
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m sowie Art. 15 Abs. 1 dieser Vorlage sollen rückwirkend auf den 1. Januar 2021 in Kraft treten. Diese Rückwirkung betrifft lediglich die Referenzen zum Kyoto-Protokoll und ersetzt diese durch das Klimaübereinkommen von Paris. Die Rückwirkung betrifft somit nur die 4. Handelsperiode des Emissionshandels.
Anlässlich der ersten Lesung wurden allgemeine Fragen in Zusammenhang mit der Erstellung der Klimaschutzstrategie durch die Regierung und Kenntnisnahme durch den Landtag, die Festlegung der Klimaziele und der Klimaneutralität bis 2050 gestellt. Einige Fragen konnten bereits während der Landtagssitzung beantwortet werden. Nachfolgend werden ergänzende Erläuterungen angeführt.
LR-Systematik
8
81
814
LGBl-Nummern
2021 / 030
Landtagssitzungen
03. Dezember 2020
Stichwörter
Abän­de­rung Emissionshandelsgesetz
CO2-Gesetz
EHG
geord­neter Austritt aus Emissionshandelssystem
Kli­ma­lang­zeit­stra­tegie
Kli­ma­neu­tra­lität bis 2050
Kli­ma­vi­sion 2050
natio­nale Klimaziele
Richt­linie (EU) 2018/410