Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959
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Die Globalisierung der Märkte und die Entwicklung der Technologie wirken sich auch auf die internationale Kriminalität aus. Dies bedingt eine Anpassung der Rechtshilfeinstrumente an die neuen Verhältnisse. Damit die Staaten wirkungsvoll gegen die internationale Kriminalität vorgehen können, braucht es griffige Rechtshilfebestimmungen, die den neuen Anforderungen der Praxis gerecht werden. Aus diesen Gründen hat der Europarat ein zweites Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (ERHÜ) ausgearbeitet, das am 1. Februar 2004 in Kraft getreten ist.
Das ERHÜ ist am 12. Juni 1962 in Kraft getreten. Liechtenstein hat das Übereinkommen am 28. Oktober 1969 ratifiziert. Am 26. Januar 1970 trat es für Liechtenstein in Kraft. Es bildet seither die wichtigste Rechtsgrundlage für die liechtensteinische Rechtshilfe auf europäischer Ebene. Das Übereinkommen wurde durch das Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 ergänzt, das die Rechtshilfe bei Fiskaldelikten ermöglicht. Liechtenstein hat dieses erste Zusatzprotokoll bis anhin weder unterzeichnet noch ratifiziert.
Im Vergleich zum ERHÜ lehnen sich viele neue Bestimmungen des Zweiten Zusatzprotokolls an die in der Zwischenzeit im EU-Raum geschaffenen Rechtshilfebestimmungen an, die im EU-Rechtshilfeübereinkommen (EU-RhÜbk) vom 29. Mai 2000 und im Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19. Juni 1990 enthalten sind (z.B. die Einvernahme per Video- und Telefonkonferenz, der Informationsaustausch ohne Ersuchen, die Rückgabe von Deliktsgut, die grenzüberschreitende Observation, die kontrollierte Lieferung, die verdeckte Ermittlung, die gemeinsamen Ermittlungsgruppen oder die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten).
Materiell ändert das Zweite Zusatzprotokoll am Kerngehalt des ERHÜ nichts. Die Vorbehalte und Erklärungen zum Übereinkommen behalten ihre Gültigkeit, sofern sie nicht zurückgezogen werden. Diese Klausel ermöglicht es Liechtenstein, die Rechtshilfe auch unter dem Zweiten Zusatzprotokoll an den Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit und der Spezialität zu koppeln.
Die Möglichkeit zur Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit auf der Grundlage des Zweiten Zusatzprotokolls kann zu einem Mehraufwand für die
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liechtensteinischen Rechtshilfebehörden führen. Auf der anderen Seite erlaubt das Zweite Zusatzprotokoll jedoch auch Vereinfachungen und Verfahrenserleichterungen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Gerichte
Staatsanwaltschaft
Landespolizei
Amt für Justiz
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
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Vaduz, 28. April 2020
LNR 2020-596
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 zu unterbreiten.
Das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (nachfolgend ERHÜ genannt; LGBI. 1970 Nr. 30) ist das erste völkerrechtliche Instrument, das eine Kodifikation der Rechtshilferegeln darstellt, die sich im Laufe der Zeit auf Grund internationaler Praxis herausgebildet hatten. Vorher gab es vereinzelte Rechtshilferegeln in bilateralen Auslieferungsverträgen. Liechtenstein hat das ERHÜ am 28. Oktober 1969 ratifiziert; es ist in der Folge am 26. Januar 1970 für Liechtenstein in Kraft getreten. Heute gehören dem ERHÜ alle Mitgliedstaaten des Europarates sowie Israel, Chile und die Republik Korea an, insgesamt also 50 Staaten. Das Übereinkommen steht auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt offen. Das ERHÜ wurde durch ein Zu-
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satzprotokoll vom 17. März 1978 ergänzt, das insbesondere eine Rechtshilfeverpflichtung bei Fiskaldelikten einführte. Liechtenstein hat das Erste Zusatzprotokoll bis anhin weder unterzeichnet noch ratifiziert. Neben Liechtenstein haben fünf weitere Mitglieder des Europarats dieses Zusatzprotokoll nicht ratifiziert: Andorra, Bosnien-Herzegowina, Monaco, San Marino und die Schweiz. Die Schweiz hat es zwar bereits 1981 unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert.
In der Rechtshilfepraxis der Vertragsstaaten hat sich gezeigt, dass das Übereinkommen von 1959 den modernen Formen der Kriminalität nicht mehr ganz zu genügen vermag. Die Globalisierung der Märkte und die Entwicklung der Technologie wirken sich auch auf die internationale Kriminalität aus. Damit die Staaten wirkungsvoll gegen die internationale Kriminalität vorgehen können, braucht es griffige Rechtshilfebestimmungen, die den neuen Anforderungen der Praxis gerecht werden. Daher wurde die Erarbeitung eines Zweiten Zusatzprotokolls beschlossen.
Bei dessen Erarbeitung wurden die Entwicklungen in der EU berücksichtigt, insbesondere das zeitlich parallel vorbereitete Rechtshilfeübereinkommen für die EU-Staaten. Am 19. September 2001 verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates unter liechtensteinischem Vorsitz das Zweite Zusatzprotokoll und legte es zur Unterzeichnung auf. Es wurde bisher von 41 Staaten ratifiziert, darunter die Schweiz und Österreich (Stand 1. April 2020).
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