Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes über das Konkursverfahren und weiterer Gesetze (Reform des Insolvenzrechts)
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Das liechtensteinische Insolvenzrecht findet seinen Schwerpunkt aktuell im Bereich der Zerschlagung und Verwertung (Liquidation bzw. Konkurs). In modernen Wirtschaftsordnungen ist dies jedoch nicht mehr zeitgemäss. Der tragende Gedanke moderner Insolvenzgesetze ist die Erleichterung der Sanierungsmöglichkeit für Unternehmen.
Die Insolvenz bedeutet oft das "Aus" für Unternehmen. Im Rahmen des Konkursverfahrens werden bestehende Verträge aufgelöst und wird das vorhandene Vermögen verwertet und unter den Gläubigern, entsprechend der bestehenden Rangfolge, verteilt. Um zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen, wollen Gläubiger meist die Abwicklung einer insolventen Firma. Gebäude, Maschinen und Warenbestände werden verkauft, Arbeitsplätze gehen verloren.
Die gesetzlich vorgesehenen Sanierungsinstrumentarien (Nachlassvertrag, Nachlassvertragsverfahren) haben in der Praxis kaum Bedeutung, da die Voraussetzungen (Mindestquoten) deutlich zu hoch sind.
Diese Rechtslage ist sanierungs- bzw. wirtschaftsfeindlich, weil sie keine Möglichkeit vorsieht, ein insolventes Unternehmen einer Sanierung zuzuführen. Dies ist nicht mehr zeitgemäss und entspricht auch nicht mehr dem europäischen Benchmark.
Mit dem gegenständlichen Gesetzesprojekt wird das Insolvenzrecht weitgehend auf neue Beine gestellt. Anstelle der nicht mehr den Anforderungen der Gegenwart entsprechenden Unterteilung in Konkurs- und Nachlassvertragsverfahren mit nicht gerechtfertigten Unterschieden soll ein einheitliches Insolvenzverfahren geschaffen werden, das bei rechtzeitiger Vorlage eines Sanierungsplans "Sanierungsverfahren" genannt, ansonsten als "Konkursverfahren" bezeichnet wird.
Im Zentrum steht die Erleichterung der Sanierung von Unternehmen. Deshalb soll der in der Praxis nicht genutzte Nachlassvertrag zu einem attraktiveren, modernen Instrumentarium, dem Sanierungsplan, umgestaltet und damit dem Schuldner ein wirtschaftlicher Neubeginn ermöglicht werden. Um das Stigma des Konkurses und der Insolvenz weitgehend zurückzudrängen, soll der Schuldner ein Sanierungsverfahren dadurch erreichen können, dass er bereits vor der Eröffnung
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einen entsprechenden Sanierungsplan vorlegt. Bei einem gut vorbereiteten Verfahren kann ihm mitunter sogar die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters zustehen, was ein weiterer Anreiz für den Schuldner darstellen soll, um rechtzeitig die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anzustreben. Dies liegt auch im Interesse der Gläubiger.
Die Sanierung durch Sanierungsplan soll aber auch im Konkursverfahren gefördert werden, indem dem Schuldner im Rahmen einer Prüfphase ein Weg zu einem Sanierungsplan aufgezeigt bzw. ermöglicht wird.
Die Sanierung setzt die Fortführung des Unternehmens voraus. Daher wird dieser der Vorrang gegenüber der Schliessung eingeräumt, wenn keine Nachteile für die Gläubiger zu erwarten sind. Auch wird die Fortführung dadurch unterstützt, dass Vertragspartner des Schuldners Verträge grundsätzlich nicht auflösen können. Das Unternehmen kann so im gemieteten oder gepachteten Geschäftslokal weiter betrieben werden, wobei bevorzugte Gläubiger ihre Sonderposition während eines halben Jahres nicht durchsetzen können.
Ein wesentlicher Baustein zur Erleichterung der Sanierung ist auch die Abschaffung der Konkursklassen. Damit werden für die Insolvenzgläubiger annehmbare Verteilungsquoten nach Verwertung der Insolvenzmasse erreicht.
Die vorgeschlagenen Änderungen liegen nicht nur im Interesse des Schuldners, sondern auch der Gläubiger, bleibt doch deren bestmögliche Befriedigung der tragende Grundsatz des Insolvenzverfahrens. Die Rechte der Gläubiger werden zudem durch die Einrichtung eines Gläubigerausschusses gestärkt. Ihrem Informationsbedürfnis soll durch vermehrte Bekanntmachung von wichtigen Verfahrensschritten Rechnung getragen werden.
Eine bedeutende Neuerung bildet schliesslich die Einführung eines besonderen Verfahrens zur Entschuldung natürlicher Personen im Rahmen so genannter "Privatkonkursregelungen".
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Landgericht
Amt für Soziale Dienste
Amt für Volkswirtschaft
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Vaduz, 5. Mai 2020
LNR 2020-561
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über das Konkursverfahren und weiterer Gesetze (Reform des Insolvenzrechts) zu unterbreiten.
Kern des derzeit geltenden liechtensteinischen Insolvenzrechts ist das Konkursverfahren. Dieses ist vor allem auf die Verwertung der Konkursmasse ausgerichtet und damit von seiner Natur her ein "Zerschlagungsrecht". Während der Konkurs schwerpunktmässig im Gesetz über das Konkursverfahren (Konkursordnung; KO)
1 geregelt ist, wird die Sanierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens im Gesetz betreffend den Nachlassvertrag
2 (NLVG) behandelt, das ein eigenes Insolvenzverfahren zum Abschluss eines Nachlassvertrags vorsieht. Die Bestimmungen über den Nachlassvertrag sind auch im Konkursverfah-
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ren anzuwenden, sodass es statt der Verwertung des Vermögens alternativ auch zum Abschluss eines Nachlassvertrags kommen kann.
Sowohl das Nachlassvertragsverfahren als auch der Nachlassvertrag sind - praktisch betrachtet - ungenutzte Sanierungsinstrumente. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kommt es fast ausschliesslich zu einer Verwertung und Zerschlagung von Unternehmen. Dies bringt volkswirtschaftliche Nachteile mit sich ("Kapitalvernichtung"), die sich natürlich auch auf die Gläubiger und Arbeitnehmer auswirken. Aufgrund der genannten Umstände unterliegen sowohl das Konkurs- als auch das Sanierungsrecht einem Reformbedarf.
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1 | LGBl. 1973 Nr. 45/2. |
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2 | LGBl. 1936 Nr. 8. |
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