Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof und weiterer Gesetze
(Schaffung von Gerichtskanzleien und wissenschaftlichen Diensten bei den Höchstgerichten)
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Die liechtensteinischen Höchstgerichte, konkret der Staatsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof, sind gekennzeichnet vom Gedanken der "Milizgerichte". Als solche gehören ihnen nicht vollamtliche, sondern nebenamtliche Präsidenten sowie Richter an. Obwohl nebenamtlich geführte Gerichtshöfe beispielsweise im Hinblick auf die Kontinuität ihrer Arbeit in besonderem Masse von einer gut funktionierenden und soliden Infrastruktur abhängig sind, sind die liechtensteinischen Höchstgerichte diesbezüglich bislang nur minimalistisch ausgestattet.
Die Richter der drei Höchstgerichte verfügen - mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes, welcher über ein Sekretariat bzw. eine Gerichtskanzlei verfügt - über keine institutionalisierte administrative und fachliche Unterstützung. Mit der gegenständlichen Vorlage sollen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um die Infrastruktur bei den Höchstgerichten entscheidend zu verbessern und deren Institutionalisierung zu festigen.
Hierzu sollen professionelle Gerichtskanzleien geschaffen und die Gerichtshöfe mit wissenschaftlichen Diensten ausgestattet werden, wodurch eine administrative und fachliche Entlastung insbesondere der Präsidenten erreicht werden kann.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur
Betroffene Stellen
Staatsgerichtshof
Verwaltungsgerichtshof
Oberster Gerichtshof
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Vaduz, 5. Mai 2020
LNR 2019-1349
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof und weiterer Gesetze (Schaffung von Gerichtskanzleien und wissenschaftlichen Diensten bei den Höchstgerichten) zu unterbreiten.
Der seit 1925 bestehende Staatsgerichtshof (StGH) wurde durch die Verfassung von 1921
1 und das Gesetz vom 5. November 1925 über den Staatsgerichtshof
2 als Gerichtshof des öffentlichen Rechts errichtet. Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht ist die letztverbindlich entscheidende Instanz in allen verfassungsrechtlichen Fragen.
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Der ebenfalls auf der Grundlage der Verfassung von 1921 und dem Landesverwaltungspflegegesetz (LVG)
3 errichtete Verwaltungsgerichtshof (VGH) entscheidet als oberste Instanz in Verwaltungsrechtsachen und ist ebenso ein Gerichtshof öffentlichen Rechts.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) ist die dritte Instanz im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Seine Rechtsgrundlagen finden sich in der Verfassung, im Gerichtsorganisationsgesetz
4 sowie im Richterdienstgesetz
5.
Der Staatsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof sind derzeit nur mit minimalistischer Infrastruktur ausgestattet und gekennzeichnet vom Gedanken der "Milizgerichte". Das bedeutet, dass sowohl die Präsidenten und deren Stellvertreter als auch die Richter und deren Stellvertreter nebenamtlich tätig sind. Im Rahmen dieser nebenamtlichen Tätigkeiten greifen die Präsidenten bei ihrer Arbeit grossteils auf die Infrastruktur ihrer Rechtsanwaltskanzleien zurück.
Gerade weil die Präsidenten sowie Richter der liechtensteinischen Höchstgerichte nebenamtlich tätig sind, besteht umso mehr Bedarf an einer gut funktionierenden, institutionalisierten Infrastruktur. Die Schaffung einer solchen ist insbesondere zur Wahrung der Qualität und Sicherstellung der Kontinuität von grosser Bedeutung. Im Falle eines Wechsels des Präsidenten ist dessen Nachfolger auf institutionalisierte und intakte Strukturen und Abläufe angewiesen.
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Diese erforderlichen Strukturen sollen mit der gegenständlichen Vorlage geschaffen werden. Es sollen professionelle Gerichtskanzleien gebildet und die Gerichtshöfe mit wissenschaftlichen Diensten ausgestattet werden, wodurch eine administrative und fachliche Entlastung insbesondere der Präsidenten erreicht werden kann.
Wo im gegenständlichen Bericht und Antrag von Präsidenten, deren Stellvertretern, von Richtern oder Mitarbeitenden die Rede ist, sind darunter Angehörige beiderlei Geschlechts zu verstehen.
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1 | Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBl. 1921 Nr. 15. |
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2 | Gesetz vom 5. November 1925 über den Staatsgerichtshof, LGBl. 1925 Nr. 8. Das heutige StGHG datiert vom 27. November 2003 (LGBl. 2004 Nr. 32). |
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3 | Gesetz vom 21. April 1922 über die allgemeine Landesverwaltungspflege (die Verwaltungsbehörden und ihre Hilfsorgane, das Verfahren in Verwaltungssachen, das Verwaltungszwangs- und Verwaltungsstrafverfahren), LGBl. 1922 Nr. 24. |
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4 | Gesetz vom 24. Oktober 2007 über die Organisation der ordentlichen Gerichte (Gerichtsorganisationsgesetz; GOG), LGBl. 2007 Nr. 348. |
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5 | Richterdienstgesetz (RDG) vom 24. Oktober 2007, LGBl. 2007 Nr. 347. |
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