Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2022 / 106
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit, Res­sour­cen­ein­satz und nach­hal­tige Entwicklung
II.ANTRAG DER REGIERUNG
III.REGIE­RUNGS­VOR­LAGEN
1.Gesetz über die Abän­de­rung des Sanie­rungs- und Abwicklungsgesetzes
2.Gesetz über die Abän­de­rung des Bankengesetzes
3.Gesetz über die Abän­de­rung des Ein­la­gen­si­che­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes
4.Gesetz über die Abän­de­rung des Finanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs-Anstalts-Gesetzes
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze
 
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Neben dem Bankenaufsichtsregime der CRD/CRR (Richtlinie 2013/36/EU bzw. Verordnung (EU) 575/2013) besteht seit 2014 auch die BRRD I (Richtlinie 2014/59/EU). Die Richtlinie 2014/59/EU zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten wurde im Mai 2014 beschlossen und regelt, wie Banken in der Europäischen Union (EU) bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) saniert oder abgewickelt werden. Durch die BRRD I wurden erstmals einheitliche Regelungen geschaffen, welche in Liechtenstein am 1. Januar 2017 in Kraft traten.
Am 20. Mai 2019 veröffentlichte die EU ein neues EU-Bankenpaket, welches einerseits zwei Änderungsrichtlinien (Richtlinie (EU) 2019/878 (CRD V) und Richtlinie (EU) 2019/879 (BRRD II)) und andererseits zwei Verordnungen (Verordnung (EU) 2019/876 (CRR II) und Verordnung (EU) 2019/877 (SRMR II)) umfasste. Die Umsetzung dieses Bankenpakets in Liechtenstein wurde in einem zweistufigen Verfahren vorgesehen. In einem ersten Schritt wurde die Umsetzung der CRD V bzw. die Durchführung der CRR II adressiert; mit gegenständlichem Bericht und Antrag soll nun die BRRD II in nationales Recht umgesetzt werden.
Die gegenständliche Vorlage dient somit der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG.
Inhaltlich umfasst die BRRD II schwerpunktmässig nachfolgende Bereiche:
Einführung eines Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) Standards sowie Schaffung von harmonisierten Unionsvorschriften, Abbau von Wettbewerbsverzerrungen, Rechtsunsicherheit und Reduzierung von Kosten;
Harmonisierung mit dem Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) Standard und Erweiterung der Institutskategorien (Spitzeninstitute);
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Neuregelung der Nachrangigkeiten von Verbindlichkeiten; Einführung von bestimmten partiellen Nachrangigkeitsanforderungen, je nach Institutskategorie;
Einführung von Abwicklungseinheiten und Abwicklungsgruppen, mit Auswirkungen auf die Gruppenabwicklungsplanung;
Einführung einer internen MREL-Quote, für Finanzinstitute, die Tochterunternehmen einer Abwicklungseinheit sind, aber keine eigenständige Abwicklungseinheit darstellen;
Vorgaben zum Verkauf von MREL-Verbindlichkeiten an Kleinanleger;
Überarbeitung der Vorgaben zum ausschüttungsfähigen Höchstbetrag "Maximum Distributable Amount" (MDA);
Vertragliche Anerkennung des Bail-In-Instruments;
Ausweitung der Frühinterventionsbefugnisse, wonach die Abwicklungsbehörden ermächtigt werden, Zahlungs- oder Lieferverpflichtungen temporär auszusetzen;
Vorgaben betreffend die vertragliche Anerkennung der Befugnisse der Abwicklungsbehörde durch Drittstaaten, durch die Aufnahme von entsprechender Vertragsklauseln.
Ziel des gesamten Bankenpakets ist die weitere Minimierung der Risiken im europäischen Bankensektor, indem die vom Basler Ausschuss für Bankenstandards und die im Rat für Finanzstabilität (FSB) angestossenen internationalen Reformen in europäisches und nationales Recht übernommen werden.
Durch die BRRD II soll dabei insbesondere der FSB-Standard für die Gesamtverlustabsorptionskapazität in die bestehenden Vorschriften über die Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) von Kreditinstituten integriert werden.
Zuständiges Ministerium
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Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stellen
Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA) Anstalt zur Finanzierung finanzmarktstabilisierender Massnahmen (AFFM)
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Vaduz, 04. Oktober 2022
LNR 2022-1474
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze an den Landtag zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Als Reaktion auf die Finanzkrise wurde der Rechtsrahmen für die Bankenaufsicht innerhalb der EU grundlegend überarbeitet. Die Richtlinie 2013/36/EU1 (CRD IV) und die Verordnung (EU) Nr. 575/20132 (CRR) bilden seit deren Inkrafttreten das Fundament für den einheitlichen Rechtsrahmen im Bereich der Bankenaufsicht im EU/EWR-Binnenmarkt.
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Das Aufsichtsregime der CRD/CRR wird seit 2014 durch die BRRD I (Richtlinie 2014/59/EU3) ergänzt. Die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten wurde im Mai 2014 beschlossen und regelt, wie Banken in der EU bzw. im EWR saniert oder abgewickelt werden. Durch die BRRD I wurden erstmals einheitliche Regelungen geschaffen, wie im Fall einer Bankenabwicklung oder Bankensanierung vorzugehen ist. Dadurch soll unter anderem eine Wettbewerbsverzerrung verhindert werden, aber auch die zunehmende Verflechtung und grenzüberschreitende Tätigkeit von Banken waren Motivation für den Erlass der Richtlinie. Bei der BRRD I handelt es sich um eine Richtlinie zur Mindestharmonisierung. Die Mitgliedstaaten sind demnach befugt, strengere oder zusätzliche als die in der Richtlinie festgelegten Massnahmen zu erlassen, vorausgesetzt, dass diese allgemein gelten und nicht im Widerspruch zur BRRD und den auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten stehen (im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 BRRD; siehe die Bekanntmachung der Europäischen Kommission über die Auslegung bestimmter Rechtsvorschriften des überarbeiteten Bankenabwicklungsrahmens in Beantwortung von Fragen der Behörden der Mitgliedstaaten [2020/C 321/01], Rn 67 [im Folgenden: "Mitteilung 2020/C 321/01"]).4 Als Richtlinie wurde die BRRD durch den Erlass des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG)5 in nationales Recht umgesetzt.
Die Massnahmen der BRRD sollen dafür sorgen, dass im Fall gescheiterter Kreditinstitute das Geld der öffentlichen Hand nach Möglichkeit verschont bleibt. Zunächst sollen die Eigentümer und Gläubiger der betroffenen Bank belangt werden,
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und nicht die öffentliche Hand (Zentralbanken und dgl.) zur Rettung herangezogen werden. Dafür gibt die BRRD mehrere Instrumente vor: Erstellen eines Sanierungsplans durch jede Bank; Erstellen eines Abwicklungsplans durch die Abwicklungsbehörde; "Bail-In Kaskade"; Schaffung von nationalen, spezialisierten Abwicklungsbehörden und Abwicklungsfinanzierungsmechanismen.
Stellt die zuständige Aufsichtsbehörde eine finanzielle Schieflage bei einer Bank fest, kann sie eine Sanierung vorschreiben. Die Sanierung erfolgt durch das Institut selbst und zwar zunächst mit den Massnahmen, die von den Anteilseignern beschlossen werden. Damit die Sanierung effizient starten kann, muss jede Bank im EWR einen Sanierungsplan erstellt haben. Dieser Plan muss mindestens jährlich überarbeitet und der Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorgelegt werden. Die Aufsichtsbehörde kann auch Änderungen an den Sanierungsplänen verlangen.
Besteht keine Aussicht mehr auf Rettung, d.h. wurde der Ausfall oder der wahrscheinliche Ausfalls des betroffenen Instituts festgestellt und liegen keine anderen privatwirtschaftlichen Möglichkeiten (z.B. durch Garantien oder Haftungsübernahmen) vor, den Zahlungsausfall abzuwenden, so darf die zuständige und im Rahmen der Umsetzung der BRRD geschaffene nationale Abwicklungsbehörde die Abwicklung einer Bank beschliessen. Zudem muss die Anwendung von Abwicklungsmassnahmen im öffentlichen Interesse liegen. Damit die Abwicklung zügig und geordnet ablaufen kann, muss die nationale Abwicklungsbehörde dafür bereits Abwicklungspläne erstellt haben.
Wird abgewickelt, so können entweder Gläubiger in einer vorgegebenen Reihenfolge (der Abwicklungskaskade) zur Rechenschaft gezogen werden. Ausserdem können Unternehmensteile verkauft, bestimmte Portfolios ausgelagert und Abwicklungsanstalten gegründet werden, um die Abwicklung durchzuführen. Die Abwicklungsbehörde kann auch eine Kombination der Möglichkeiten beschliessen. Alle diese Mittel betreffen das Vermögen der Anteilseigner und Gläubiger des
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betroffenen Kreditinstituts. Als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, dürfen auch staatliche Hilfen eingesetzt werden, wenn das im öffentlichen Interesse ist.
Im Juni 2019 erliess der Europäische Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2019/8796 (BRRD II), durch die die BRRD partiell erweitert und abgeändert wurde. Diese Änderungsrichtlinie ist nunmehr in nationales Recht umzusetzen, was eine Abänderung des SAG voraussetzt.
Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades der technischen Ausführungen im Richtlinientext wurde in Anlehnung an die österreichische Rezeptionsvorlage stellenweise auf umfassende Erläuterungen verzichtet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich eine allenfalls erforderliche Praxisauslegung und Rechtsprechung in diesem sehr technischen und spezialisierten Rechtsgebiet zu einem grossen Teil erst noch ergeben muss. Mit der Orientierung an der österreichischen Rezeptionsvorlage wird zudem sichergestellt, dass bei Praxisfragen ein Rückgriff auf entsprechende Judikatur etc. in Österreich bzw. dem EWR erfolgen kann. Im Gegenzug wurden jedoch die allgemeinen Erläuterungen zum Gesetzesvorhaben besonders ausführlich gehalten, um den Rechtsanwendern Ziel und Zweck dieser komplexen Gesetzesvorlage näherzubringen.



 
1Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (CRD IV) (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).
 
2Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (CRR) (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).
 
3Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173, 12.6.2014, S. 1).
 
4https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020XC0929(01)&from=EN.
 
5Gesetz vom 4. November 2016 über die Sanierung und Abwicklung von Banken und Wertpapierfirmen (Sanierungs- und Abwicklungsgesetz; SAG), LGBl 2016.493 (BuA 92/2016; BuA 133/2016).
 
6Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG (BRRD II) (ABl. L 150 vom 7.6.2019, S. 296).
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2023 / 150
2023 / 149
2023 / 148
2023 / 147
Stichwörter
Ban­ken­paket
BRRD I (Richt­linie 2014/59/EU)
Richt­linie (EU) 2019/879 (BRRD II)
Richt­linie 2014/59/EU zur Sanie­rung und Abwick­lung von Kreditinstituten
Umset­zung BRRD II
Ver­ord­nung (EU) 2019/876 (CRR II)
Ver­ord­nung (EU) 2019/877 (SRMR II)