Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2022 / 29
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Ein­lei­tung
I. Stel­lung­nahme der Regierung
1. Allgemeines
2. Fragen zu ein­zelnen Artikeln
II. Antrag der Regierung
III. Regierungsvorlagen
1. Gesetz über die Abän­de­rung des Zivil­rechts-Media­tions-Gesetzes (ZMG)
2. Gesetz über die Abän­de­rung der Zivil­pro­zess­ord­nung (ZPO)
3. Gesetz über die Abän­de­rung des all­ge­meinen bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches (ABGB)
 
Stellungnahme der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes (ZMG), der Zivilprozessordnung (ZPO), und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) aufgeworfenen Fragen 
 
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In seiner Sitzung vom 5. November 2021 hat der Landtag den Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes (ZMG), der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) in erster Lesung beraten. Das Eintreten auf die Gesetzesvorlagen war einhellig.
Soweit die Fragen der Abgeordneten nicht oder nicht abschliessend von der zuständigen Regierungsrätin im Rahmen der ersten Lesung beantwortet wurden, nimmt die Regierung in diesem Bericht dazu Stellung.
Die Fragen betrafen vorwiegend die Delegationsnorm im ZMG sowie die Übergangsbestimmung zur Verjährungsbestimmung in § 1489a ABGB.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Justiz
Landgericht
Obergericht
Oberster Gerichtshof
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Vaduz, 8. März 2022
LNR 2022-277
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Stellungnahme zu den anlässlich der ersten Lesung betreffend die Abänderung des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes (ZMG), der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) (BuA Nr. 74/2021) aufgeworfenen Fragen zu unterbreiten.
1. Allgemeines
In der Sitzung vom 5. November 2021 hat der Landtag den Bericht und Antrag Nr. 74/2021 betreffend die Abänderung des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes (ZMG), der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) in erster Lesung beraten. Das Eintreten war einhellig.
Im Rahmen der Eintretensdebatte wurden insbesondere die Verjährungsbestimmung in § 1489a ABGB sowie die entsprechende Übergangsbestimmung angesprochen. Die Verkürzung der absoluten Verjährungsfrist von 30 auf zehn Jahre wurde grundsätzlich begrüsst, da eine solche Anpassung legitim und zeitgemäss
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sei und mit der zehnjährigen Aufbewahrungspflicht von Geschäftsunterlagen korrespondiere. Bedenken wurden allerdings in Bezug auf die Übergangsbestimmung geäussert. Zum einen wurde vorgebracht, dass die Verjährungsfrist grundsätzlich zehn Jahre betragen und auf eine Übergangsbestimmung verzichte werden sollte. Zum anderen wurde argumentiert, dass eine Übergangsfrist von einem Jahr in jenen Fällen legitim sei, in denen der Anspruch bereits seit mindestens zehn Jahren bestanden habe; in diesen Fällen sei genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um allfällige Ansprüche geltend zu machen. Falls Ansprüche aber vor weniger als zehn Jahren vor Inkrafttreten der Bestimmung entstanden seien, könne die absolute Verjährungsfrist weniger als zehn Jahre betragen, was kritisch gesehen werde.
Ein Abgeordneter erkundigte sich in diesem Zusammenhang, ob es in der Schweiz, in Österreich oder in Deutschland analog zur Vorlage entsprechende Übergangsbestimmungen gebe und wenn ja, wie diese aussähen.
Es ist durchaus üblich, bei Änderungen von Gesetzen Übergangsbestimmungen vorzusehen und dabei Fristen zu setzen. Kritisiert wurde die in der Übergangsbestimmung vorgesehene Frist von einem Jahr für Ansprüche, die vor dem Inkrafttreten des gegenständlichen Gesetzes nach bisherigem Recht entstanden sind und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt sind.
Dazu ist zunächst zu bemerken, dass der bisherige § 1489a ABGB nach Auffassung der Regierung auch auf Herausgabeansprüche gemäss § 1009 ABGB Anwendung findet. Bei der vorgesehenen Ergänzung des § 1489a ABGB um einen Abs. 2 handelt es sich lediglich um eine diesbezügliche, für die Praxis notwendige Klarstellung. Zwar spricht §1489a ABGB nur von Entschädigungsansprüchen und es ist nach dem Wortlaut nicht klar, ob damit auch Herausgabeansprüche gemäss § 1009 ABGB gemeint sind. Nach Auffassung der Regierung war es der Wille des damaligen Gesetzgebers, vor allem die Verjährungsfrist von Herausgabeansprüchen nach § 1009
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ABGB zu verkürzen. Aufgrund der mit Umsetzung von MiFID I
1 eingeführten aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten rechnete man vermehrt mit dem Geltendmachen von Herausgabeansprüchen im Zusammenhang mit Zuwendungen. Zur Schaffung von Rechtssicherheit und zum Schutz von Banken und Wertpapierfirmen schuf der Gesetzgeber § 1009a und 1489a ABGB. § 1009a ABGB ordnet unter gewissen Voraussetzungen einen Verzicht auf Herausgabeansprüche an. Mit § 1489a ABGB sollten Herausgabeansprüche zeitlich begrenzt und nicht über die gesetzliche Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren zugelassen werden.
Banken und Wertpapierfirmen mussten seit Inkrafttreten der Umsetzungsbestimmungen von MiFID I im Jahr 2007 Zuwendungen, welche sie von Dritten erhalten, gegenüber ihren Kunden offenlegen. Seit Inkrafttreten der Umsetzungsbestimmungen von MiFID II2 Anfang 2018 müssen Zuwendungen in den meisten Fällen (z.B. im Falle der Vermögensverwaltung und der unabhängigen Anlageberatung) eins zu eins an den Kunden weitergeleitet, d.h. auf dessen Konto gutgeschrieben, werden. Das Einbehalten von Zuwendungen ist nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Diesfalls müssen Banken und Wertpapierfirmen den Kunden den Betrag der einbehaltenen Zuwendungen periodisch und transparent mitteilen.
Die Einhaltung sowohl der Verpflichtungen nach MiFID I als auch nach MiFID II wurden und werden von den Revisionsstellen überprüft und von der FMA überwacht.
Seit 2007 wissen die Kunden also, ob Zuwendungen bezahlt werden und wie sich diese grundsätzlich berechnen. Seit 2018 wissen die Kunden, welcher Betrag an Zuwendungen im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsbeziehung bezahlt wird. Aufgrund dieser Kenntnis wissen sie auch, wie hoch allfällige Zuwendungen vor 2018
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waren. Seit inzwischen vielen Jahren wird breit diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Zuwendungen an den Kunden herauszugeben sind. Erste Urteile in der Schweiz und Österreich wurden bereits 2006 bzw. 2007 gefällt
3. Betroffene Kunden hatten also bereits weit über zehn Jahre Zeit, um einen Herausgabeanspruch geltend zu machen.
In diesem Zusammenhang ist auch relevant, dass seit Anfang 2018 zumindest im Fall eines Vermögensverwaltungsmandates sowie einer unabhängigen Anlageberatung keine Herausgabeansprüche mehr gegen Banken oder Wertpapierfirmen entstehen, zumal die entsprechenden Beträge ohne Zutun des Kunden an diesen herausgegeben werden.
Betroffen von § 1489a Abs. 2 ABGB sind also vor allem Ansprüche, welche vor 2018 entstanden sind, soweit diese noch nicht verjährt sind. Für das Geltendmachen solcher Ansprüche war bereits jetzt mehr als genug Zeit vorhanden.
Was die einjährige Frist anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Art. 47 Abs. 5 AIFMG4 und Art. 61 Abs. 6 AIFMG sogar Schadenersatzansprüche eines Anlegers eines AIF5 spätestens ein Jahr nach der Rückzahlung des Anteils oder nach Kenntnis vom Schaden verjähren.Damit gilt eine subjektive absolute Verjährung
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von einem Jahr ab Kenntnis des Schadens. Auch Art. 45 Abs. 5 UCITSG
6 sieht eine gleichlautende Bestimmung vor. Dabei wurde der Anlegerschutz als ausreichend erachtet, obwohl dies keine Vorgabe der mit dem AIFMG und UCITSG umzusetzenden Richtlinien war. Umso mehr muss dies für den Schutz von Kunden im Zusammenhang mit Herausgabeansprüchen gemäss § 1009 ABGB gelten.
Im Sinne der Voten der Abgeordneten im Rahmen der ersten Lesung wurde die Übergangsbestimmung allerdings dahingehend angepasst, dass auf Ansprüche, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden sind, innerhalb eines Jahres ab dem Inkrafttreten des Gesetzes noch das bisherige Recht, insbesondere also eine allenfalls längere Verjährungsfrist, Anwendung findet, d.h. solche Ansprüche können nach bisherigem Recht geltend gemacht werden. Mit Ablauf eines Jahres findet auf solche Ansprüche das neue Verjährungsrecht Anwendung, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt sind. Die Verjährungsfrist des neuen Rechts beginnt aber ein Jahr nach dem Inkrafttreten nicht neu zu laufen, sondern läuft gemäss den Bestimmungen des neuen § 1489a Abs. 2 ABGB.Das heisst, die relative Verjährungsfrist läuft gemäss den Bestimmungen des neuen § 1489a Abs. 2 ABGB ab Kenntnis der Zuwendung; die absolute Verjährungsfrist läuft ab Entstehung des Herausgabeanspruchs.
Nach Überzeugung der Regierung wird damit im Sinne der Rechtssicherheit eine klare, aber dennoch ausgewogene Regelung geschaffen, welche an den Willen des Gesetzgebers bei der Schaffung der §§ 1009a und 1489a ABGB anknüpft.
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Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob das Land Liechtenstein oder ihm nahestehende Unternehmungen, insbesondere die AHV oder die Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein, Herausgabeansprüche gegenüber Banken hätten und ob solche bereits geprüft worden seien.
Das Land erhält von einigen Vermögensverwaltern jährlich eine sogenannte "Loyalitäts- und Integritätsbestätigung", in der Auskunft über die Handhabung von Zuwendungen an und von Dritte(n) erteilt wird. Es ist zusätzlich zu erwähnen, dass in den getroffenen Vereinbarungen und Verträgen mit den Vermögensverwaltern darauf hingewiesen wird, dass allfällige Zuwendungen/Retrozessionen oder andere finanzielle Vorteile ausschliesslich dem Finanzvermögen zuzuführen sind.
Alle involvierten Vermögensverwalter wurden aus aktuellem Anlass um Bestätigung im Zusammenhang mit Retrozessionen gebeten. Sämtliche involvierten Vermögensverwalter und Banken haben bestätigt, dass sie keine Zuwendungen im Zusammenhang mit den Mandaten für das Finanzvermögen weitergeben, erhalten oder erhalten haben.
Die Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein (SPL) hat mitgeteilt, dass vor einigen Jahren eine ausführliche Prüfung des Themas Retrozessionen unter Beizug des Investment Advisors vorgenommen worden sei und es diesbezüglich keine offenen Fälle gebe.
Die AHV-IV-FAK-Anstalten haben mitgeteilt, dass die Prüfung von Herausgabeansprüchen gegenüber Vermögensverwaltern seit dem Auftreten der Problematik mit Retrozessionen ein regelmässiges Thema bei den zuständigen Organen der AHV-IV-FAK-Anstalten sei.
Die AHV-IV-FAK-Anstalten verfügen über ein Reglement bezüglich Integrität und Loyalität. In diesem ist u.a. festgehalten, dass externe Dienstleister (=Vermögens-
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verwalter) zwingend sämtliche geldwerten Vermögensvorteile abliefern (beispielsweise Retrozessionen, Kick-backs, Rabatte, Sonderkonditionen und dergleichen), die sie oder nahestehende Personen im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Tätigkeit für die AHV-IV-FAK-Anstalten erhalten, welche über die schriftlich mit den AHV-IV-FAK-Anstalten vereinbarte Entschädigung hinausgehen.
Auf der Grundlage des genannten Reglements wird jährlich sämtlichen Vermögensverwaltern ein standardisiertes Formular gesendet. Mittels dieses Formular bestätigen die Dienstleister, dass im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die AHV-IV-FAK-Anstalten keine Vermögensvorteile entgegengenommen wurden, welche über die schriftlich mit den AHV-IV-FAK-Anstalten vereinbarte Entschädigung hinausgehen oder dass diese vollständig an die AHV-IV-FAK-Anstalten weitergeleitet wurden.
Den mandatierten Vermögensverwaltern wird weiter mittels vertraglicher Klausel in den Vermögensverwaltungsverträgen aufgetragen, sämtliche Vergütungen, Provisionen und Rabatte (=Retrozessionen) offenzulegen und diese den AHV-IV-FAK-Anstalten unaufgefordert gutzuschreiben. Eine solche Klausel ist seit rund zehn Jahren fester Bestandteil bei Vertragsverhandlungen mit Vermögensverwaltern.



 
1Durchführungsrichtlinie RL 2006/73/EG betreffend Durchführung der Rahmenrichtlinie RL 2004/39/EG.
 
2Richtlinie 2014/65/EU.
 
3Das erste Urteil des schweizerischen Bundesgerichts stammt bereits aus dem Jahr 2006 (BGE 132 III 460). Dieses Urteil wurde 2011 bestätigt (BGE 137 III 393). Weitere Urteile folgten (z.B. Urteil vom 30.10.2012 zu 4A_127/2012 bzw. 4A_141/2012 E. 5.5). Auch die ersten Urteile des österreichischen Obersten Gerichtshofes reichen ins Jahr 2007 zurück (RIS-Justiz RS0123043 und RS0123042).
 
4Gesetz vom 19. Dezember 2012 über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMG), LGBl. 2013 Nr. 49, LR. 951.32.
 
5Ein AIF ist gemäss Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 Ziff. 1 "jeder Organismus für gemeinsame Anlagen einschliesslich seiner Teilfonds, der: a) von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäss einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren; und b) weder ein OGAW im Sinne des UCITSG noch ein Investmentunternehmen im Sinne des Investmentunternehmensgesetzes ist Für die Eigenschaft als AIF ist es ohne Bedeutung, ob es sich bei dem AIF um einen offenen oder geschlossenen Fonds handelt, ob der AIF in der Vertragsform, der Form des Trust, der Satzungsform oder irgendeiner anderen Rechtsform errichtet ist und welche Struktur der AIF hat."
 
6Gesetz vom 28. Juni 2011 über bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (UCITSG), LGBl. 2011 Nr. 295, LR. 951.31.
 
LR-Systematik
2
27
2
27
271
2
21
210
LGBl-Nummern
2022 / 167
2022 / 166
2022 / 165
Landtagssitzungen
07. April 2022
Stichwörter
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Dele­ga­ti­ons­norm ZMG
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Ver­jäh­rungs­bes­tim­mung ABGB