Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Gewährung eines zinslosen Darlehens und eines Nachtragskredits für die Liechtensteinische Gasversorgung zur Schaffung einer strategischen Gasreserve
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Die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg offenbaren die grosse Abhängigkeit Europas von russischer Energie. Die Drosselung von russischen Gaslieferungen nach Europa hat die bereits hohen Preise am Gasmarkt weiter hochgetrieben. Die Versorgungssicherheit ist derzeit sichergestellt aber angespannt. Entsprechend haben verschiedene europäische Länder Notfallpläne zur Bewältigung der "Gaskrise" aktiviert.
Mit einem Anteil von 20% des Gesamtenergieverbrauchs ist das Erdgas eine wichtige Energiequelle im liechtensteinischen Energiemix, vor allem für das Beheizen von Gebäuden und für industrielle Prozesse. Rund 40% des in Liechtenstein verbrauchten Erdgases kommt via Deutschland und Österreich aus Russland. Entsprechend werden auch in Liechtenstein Vorkehrungen getroffen, damit im kommenden Winter genügend Gas zur Verfügung steht.
Die Liechtensteinische Gasversorgung (LGV) soll als Netzbetreiberin verpflichtet werden, für das Marktgebiet Liechtenstein eine strategische Gasreserve im Umfang des Verbrauchs von zwei Wintermonaten (80 Gigawattstunden, GWh) zu bilden. Hierzu sollen während den nächsten Wochen und Monaten im Ausland zur Verfügung stehende Gasspeicher (in Österreich oder in Deutschland) für die liechtensteinische Versorgung reserviert und gefüllt werden. Angesichts der aktuellen Preisentwicklungen auf dem Gasmarkt entsteht dadurch für die LGV ein zusätzlicher Finanzbedarf von bis zu 15 Mio. Franken. Die hierfür erforderlichen Mittel werden durch das Land in Form eines zinslosen Darlehens an die LGV bereitgestellt. Das Land übernimmt die wirtschaftlichen Risiken, sollte die strategische Gasreserve bei Auflösung unter Einstandspreisen verkauft werden müssen. Ebenfalls gehen die Betriebs- und Verwaltungskosten zu Lasten des Landes. D.h. die Kosten für die Schaffung der strategischen Gasreserve werden nicht auf die Privathaushalte oder Unternehmen über die Netzbenutzungsgebühren überwälzt.
Die strategische Gasreserve soll bis zum 1. November 2022 aufgebaut werden und bis zum 1. April 2025, d.h. für drei Heizperioden, verfügbar bleiben. Im Falle einer schweren Mangellage wird die Regierung Erdgas aus der strategischen Gasreserve freigeben. Unabhängig davon, kann aber nicht garantiert werden, dass im schlimmsten Fall ausreichend Gas zur Verfügung stehen wird, um eine
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Rationierung zu vermeiden. Daher ist es auch wichtig, den Energieverbrauch zu reduzieren und den Umstieg auf erneuerbare Energieträger respektive Fernwärme zu beschleunigen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Betroffene Stellen
Liechtensteinische Gasversorgung
Amt für Bevölkerungsschutz
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Vaduz, 25. Juni 2022
LNR 2022-1070
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Gewährung eines zinslosen Darlehens und eines Nachtragskredits für die Liechtensteinische Gasversorgung zur Schaffung einer strategischen Gasreserve an den Landtag zu unterbreiten.
Aktuell ist die Versorgung mit Erdgas in Liechtenstein sichergestellt. Das in Liechtenstein genutzte Erdgas wird von der Liechtensteinischen Gasversorgung (LGV) sowie einem weiteren inländischen Gasversorgungsunternehmen auf internationalen Handelsplätzen, vor allem in Deutschland, eingekauft und über eine Hochdruckleitung via Vorarlberg nach Liechtenstein transportiert. Rund 40% des in Liechtenstein verbrauchten Erdgases stammt aus Russland. Mit einem Anteil von 20% des Gesamtenergieverbrauch ist das Erdgas eine wichtige Energiequelle im
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liechtensteinischen Energiemix, vor allem für das Beheizen von Gebäuden und für industrielle Prozesse.
Schon im Vorfeld des Ukraine-Krieges sind die Energiepreise an den europäischen Märkten stark angestiegen. Mit der Drosselung bzw. Einstellungen von Gaslieferungen aus Russland nach Europa ist die Versorgungslage angespannt. Eine Mangellage kann im kommenden Winter nicht ausgeschlossen werden. Dies hat die Handelspreise am Gasmarkt nochmals in die Höhe getrieben. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich diese Ausgangslage mittelfristig verbessern wird.
Abbildung 1: Gasflüsse von Russland nach Deutschland in GWh/Tag (Quelle: Bundesnetzagentur, Lagebericht Gasversorgung vom 24. Juni 2022)
Verschiedene europäische Länder, insbesondere Deutschland, haben bereits Notfallpläne für die Bewältigung der "Gaskrise" getroffen. Entsprechend werden auch in Liechtenstein Vorkehrungen getroffen, damit im kommenden Winter genügend Gas zur Verfügung steht.
Die LGV ist in Liechtenstein sowohl Netzbetreiberin und Bilanzierungsstelle als auch als Energielieferantin für Erdgaskunden tätig. Als Netzbetreiberin obliegt es der LGV gemäss Gasmarktgesetzgebung und im Rahmen der Gesetzgebung über
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die wirtschaftliche Landesversorgung die Versorgung der liechtensteinischen Bevölkerung und der Wirtschaft sicherzustellen.
Die Erdgasversorgung Liechtensteins erfolgt über eine Hochdruckleitung von Deutschland via Vorarlberg. Weiters besteht mit einer Mitteldruckleitung von Buchs nach Schaan ein Anschluss an das ostschweizerische Erdgasnetz. Dieser Anschluss dient primär als Notversorgung, sofern die Hochdruckleitung von Vorarlberg nicht in Betrieb ist. Sowohl in Liechtenstein als auch in der Schweiz gibt es keine Möglichkeit, Erdgas in bedeutendem Ausmass zu speichern.
Kurzfristig ist es der LGV gelungen, für das Winterhalbjahr 2022/23 einen Liefervertrag mit Norwegen abzuschliessen, um einen wesentlichen Anteil des russischen Erdgases zu substituieren. Damit wird der Anteil russischen Gases in der Periode Oktober 2022 bis März 2023 im Energiemix von 43% auf 21% gesenkt. Ebenfalls hat sich die LGV bereits im Mai 2022 ein Speicherlos in der Grösse von 75 Gigawattstunden (GWh) vertraglich in einem in Österreich gelegenen Speicher gesichert und per 1. Juni 2022 mit der Erdgaseinspeicherung begonnen. Dieser Speicher dient neben der Verbesserung der Versorgungssicherheit auch der Diversifizierung und Stabilisierung der volatilen Beschaffungskosten (Preisglättung). Die Speicherbefüllung soll planmässig bis Anfang Oktober zu 100% abgeschlossen sein. Die LGV handelt mit diesen Massnahmen aufgrund des Versorgungsauftrags und nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien. Folglich geht die LGV bewusst hohe finanzielle Risiken und Unsicherheiten ein.
Aufgrund des Zollvertrags ist Liechtenstein in die wirtschaftliche Landesversorgung der Schweiz eingebunden und nimmt mit allen Rechten und Pflichten teil. Im Falle einer Erdgasmangellage wird der schweizerische Bundesrat über die Notfallpläne, einschliesslich Sparappelle und Rationierungen entscheiden. Entsprechende Vorbereitungen werden aktuell im Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) vorgenommen, in dem auch die LGV Mitglied ist und Einsitz nimmt.
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Die LGV ist im regelmässigen Austausch mit den liechtensteinischen Grossunternehmen, welche Erdgas in grösseren Mengen beziehen. Die rechtlichen Fragestellungen in Bezug auf die Übernahme und Umsetzung der Beschlüsse des Bundesrats in Liechtenstein befinden sich in Abklärung. Das Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt steht diesbezüglich in Kontakt mit dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) und dem Bundesamt für Energie (BFE).