Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend Die Totalrevision des Berufsqualifikations-Anerkennungs-Gesetzes sowie die Abänderung des Gewerbegesetzes, des Bauwesen-Berufe-Gesetzes, des Gesundheitsgesetzes, des Ärztegesetzes, des Tiergesundheitsberufegesetzes, des Treuhändergesetzes, des Patentanwaltsgesetzes, des Dienstleistungsgesetzes und des Gesetzes über den Handel mit Waren im Umherziehen
(Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU sowie der Richtlinie (EU) 2018/958 und Durchführung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983)
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Durch die Richtlinie 2005/36/EG (Berufsqualifikationsanerkennungsrichtlinie) wurde das System der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen, das ursprünglich auf 15 berufsspezifischen Richtlinien beruhte, konsolidiert. Sie legte die Vorschriften fest, nach denen ein EWR-Vertragsstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft, die in einem oder mehreren anderen EWR-Vertragsstaaten erworbenen Berufsqualifikationen anzuerkennen hat.
Die Richtlinie wurde in Liechtenstein primär in den einzelnen Berufszulassungsgesetzen, wie beispielsweise dem Gewerbegesetz, dem Bauwesen-Berufe-Gesetz oder dem Gesundheitsgesetz, und subsidiär im Berufsqualifikations-Anerkennungs-Gesetz (BAG) umgesetzt. Diese Umsetzungsmassnahmen sind bis heute gültig. Sie müssen aber aufgrund der Richtlinie 2013/55/EU, welche die Richtlinie 2005/36/EG zum ersten Mal substantiell abändert, angepasst werden.
In Anbetracht des Ziels, den Binnenmarkt zu stärken und die Freizügigkeit von Berufstätigen zu fördern und gleichzeitig eine effizientere und transparentere Anerkennung der Berufsqualifikationen zu gewährleisten, sieht die Richtlinie 2013/55/EU folgende wesentlichen Änderungen vor:
Einführung eines Europäischen Berufsausweises;
Besserer Zugang zu Informationen über die Anerkennung von Berufsqualifikationen;
Aktualisierung der Mindestausbildungsanforderungen;
Vorwarnmechanismus für Gesundheitsberufe, deren Qualifikation automatisch anerkannt wird, sowie für gewisse reglementierte Berufe mit Aufsichtsfunktionen gegenüber Minderjährigen;
Einführung gemeinsamer Ausbildungsrahmen und Ausbildungsprüfungen;
Regelung des partiellen Zugangs.
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Neben der eigentlichen Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU soll auch die ursprünglich in den einzelnen Berufszulassungsgesetzen umgesetzte Verwaltungszusammenarbeit in das BAG (neu: Berufsqualifikationen-Anerkennungsgesetz; BQAG) überführt und in selbem zentral geregelt werden. Des Weiteren soll auf die ergänzende Anwendung des BQAG bei Anerkennungen von Berufen und den damit zusammenhängenden Modalitäten als lex generalis explizit hingewiesen werden. Zudem sollen der Europäische Berufsausweis, die Anerkennung von Berufspraktika, der partielle Zugang zu Berufstätigkeiten und der gemeinsame Ausbildungsrahmen zentral im BQAG geregelt werden.
Aufgrund dieser weitreichenden Änderungen des derzeit geltenden BAG, soll dieses Gesetz komplett revidiert werden. Hiermit wird das Ziel verfolgt, die Anwendung des Gesetzes zu vereinfachen und zu vereinheitlichen.
Zudem dient die Revision des BAG der Durchführung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 betreffend das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises und die Anwendung des Vorwarnmechanismus sowie der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismässigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/983 werden detailliertere Regeln zum einen für das Verfahren zur Ausstellung des Europäischen Berufsausweises (EBA) gemäss den Art. 4a bis 4e der Richtlinie 2013/55/EU für fünf Berufe (Krankenschwester / Krankenpfleger, Apotheker(in), Physiotherapeut(in), Bergführer(in) und Immobilienmakler(in)) und, zum anderen, für die Anwendung des Vorwarnmechanismus gemäss Art. 56a der Richtlinie 2013/55/EU festgelegt. Die Richtlinie (EU) 2018/958 legt Regeln für einen gemeinsamen Rechtsrahmen zur Durchführung von Verhältnismässigkeitsprüfungen vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften fest, mit denen der Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränkt wird. Die Richtlinie berührt allerdings nicht die Zuständigkeit und den Ermessensspielraum der EWR-Vertragsstaaten bei der Entscheidung, ob
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und wie ein Beruf zu reglementieren ist, sofern die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismässigkeit gewahrt werden.
Zuständige Ministerien
Ministerium für Präsidiales und Finanzen (Federführung)
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Ministerium für Gesellschaft und Kultur
Ministerium für Äusseres, Bildung und Sport
Betroffene Stellen
Stabsstelle EWR (Koordination)
Amt für Gesundheit (Gesundheitsberufe)
Amt für Lebensmittelkontrolle und Veterinärwesen (Tierärzte)
Amt für Volkswirtschaft (Gewerbeberufe, Architekten)
Finanzmarktaufsicht (Finanzberufe)
Schulamt (Erziehungsberufe und Anerkennung im Allgemeinen)-
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Vaduz, 30. August 2022
LNR 2022-1294
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Totalrevision des Berufsqualifikations-Anerkennungs-Gesetzes sowie die Abänderung des Gewerbegesetzes, des Bauwesen-Berufe-Gesetzes, des Gesundheitsgesetzes, des Ärztegesetzes, des Tiergesundheitsberufegesetzes, des Treuhändergesetzes, des Patentanwaltsgesetzes, des Dienstleistungsgesetzes und des Gesetzes über den Handel mit Waren im Umherziehen an den Landtag zu unterbreiten.