Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (ÖUSG) sowie der Spezialgesetze über die öffentlichen Unternehmen
(Beantwortung der Motion zur Stärkung der Oberaufsicht der Regierung über öffentliche Unternehmen)
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Im September 2015 wurde die Motion zur Stärkung der Oberaufsicht der Regierung über öffentliche Unternehmen an die Regierung überwiesen. Dabei wurde die Regierung mit der Prüfung allfälliger Gesetzesanpassungen beauftragt, welche sicherstellen sollen, dass sie ihre Oberaufsicht über die öffentlichen Unternehmen wirksam wahrnehmen kann. Die Regierung ist diesem Auftrag nachgekommen und hat die bestehenden Regelungen betreffend Corporate Governance eingehend geprüft. Aufgrund eines laufenden Gerichtsverfahrens in Bezug auf die Abberufung eines Mitgliedes der strategischen Führungsebene eines öffentlichen Unternehmens wurde die Beantwortung der Motion bisher zurückgehalten.
Im Rahmen des vorliegenden Berichts wird in einem ersten Schritt nochmals ausführlich auf die Einführung von Corporate Governance und die bestehende Rollenverteilung eingegangen. Die Regierung kommt dabei zum Schluss, dass sich die Einführung von Corporate Governance mit der Schaffung des Rahmengesetzes und des Public Corporate Governance Codes sowie der weitgehenden Vereinheitlichung der Spezialgesetze und insbesondere der daraus resultierenden Eigner- oder Beteiligungsstrategien für alle öffentlichen Unternehmen grundsätzlich bewährt hat. Im Folgenden wird auf der Grundlage der in der Motion aufgeworfenen Fragen und der Erfahrungen der letzten Jahre auf einzelne Themenbereiche näher eingegangen.
Um die Oberaufsichtsfunktion wirkungsvoller wahrnehmen zu können, schlägt die Regierung einzelne Anpassungen im Gesetz über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen sowie der Spezialgesetze über die öffentlichen Unternehmen vor. So sollen unter anderem die bestehende Abberufungsregelung präzisiert, der Erlass von Personalreglementen verankert sowie die Festlegung der Entschädigungsregelungen betreffend die strategische Führungsebene weitestgehend vereinheitlicht werden. Des Weiteren schlägt die Regierung vor, Bestimmungen bzgl. Rechnungslegungsvorschriften für die öffentlichen Unternehmen in den Spezialgesetzen aufzunehmen.
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen (Federführung)
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Ministerium für Äusseres, Bildung und Sport
Ministerium für Gesellschaft und Kultur
Betroffene Stellen
Stabsstelle Finanzen
Finanzkontrolle
Alle öffentlichen Unternehmen gemäss ÖUSG
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Vaduz, 31. Oktober 2023
LNR 2023-1516
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (ÖUSG) sowie der Spezialgesetze über die öffentlichen Unternehmen (Motion zur Stärkung der Oberaufsicht der Regierung über öffentliche Unternehmen) an den Landtag zu unterbreiten.
Die Abgeordneten Christian Batliner, Manfred Batliner, Alois Beck, Elfried Hasler, Wendelin Lampert, Eugen Nägele und Christine Wohlwend reichten im September 2015 eine Motion zur Stärkung der Oberaufsicht der Regierung über öffentliche Unternehmen ein.
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Die Motion hatte folgenden Wortlaut:
Die Regierung wird beauftragt dem Landtag Gesetzesanpassungen vorzulegen, welche sicherstellen, dass die Oberaufsicht der Regierung über die dem ÖUSG unterstehenden öffentlichen Unternehmen wirksam wahrgenommen werden kann.
Begründung:
Im Zuge der "Aktuellen Stunde" anlässlich der Mai-Landtagssitzung 2015 wurde das Thema "Corporate Governance" breit diskutiert. In der Begründung zur aktuellen Stunde hiess es unter anderem, dass bei diesem Thema quasi eine andauernde Aktualität gegeben sei und es wurde auf verschiedene Anlassfälle verwiesen. In der Tat wurde seit Einführung des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen (ÖUSG) immer wieder bemängelt, dass der Regierung die Oberaufsicht über die öffentlichen Unternehmen zukomme, sie de facto aber zu wenig, bzw. zu wenig schnelle Eingriffs- bzw. Durchgriffmöglichkeiten besitze. Im Falle von Problemstellungen wurde die Regierung in der "Öffentlichen Meinung" und/oder vom Landtag für gewisse Vorgänge daher öfters verantwortlich gemacht bzw. kritisiert. Die Regierung ihrerseits argumentierte wiederholt, dass der Landtag durch die Schaffung des ÖUSG die Kontrolle und Steuerung der öffentlichen Unternehmen an ein strategisches Führungsorgan delegiert habe und somit ein Weisungsrecht der Regierung in Bezug auf öffentliche Unternehmen fehle. Die "Aufsicht" würde durch die "Oberaufsicht" abgelöst und somit liege es im Verantwortungsbereich der Unternehmensorgane, im Rahmen der Vorgaben in Gesetz und Eigner- bzw. Beteiligungsstrategie die Unternehmensstrategie festzulegen.
Anlässlich der "Aktuellen Stunde" wurde die Diskussion um die Problemstellungen in Zusammenhang mit dem ÖUSG im Landtag ein erstes Mal lanciert. Mit der vorliegenden Motion soll an diese Diskussion angeknüpft und die Regierung 12
beauftragt werden, dem Landtag sinnvolle Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen vorzuschlagen um diese unbefriedigende Situation zu beheben bzw. um in Zukunft eine einwandfreie Oberaufsicht zu gewährleisten, welche durch wirksame und zeitnah zu ergreifende Massnahmen ermöglicht wird. Die unterzeichneten Abgeordneten wünschen, dass die Regierung unter anderem im Rahmen des Berichts und Antrags insbesondere zu den folgenden Fragen Stellung bezieht:
Ist nach Ansicht der Regierung die Unabhängigkeit eines öffentlichen Unternehmens als - im Rahmen der Eignerstrategie - absolute Unabhängigkeit zu verstehen oder in wie weit sind diesbezüglich auf gesetzlicher Ebene Einschränkungen möglich? (Stichwort Weisungsrecht)
Funktioniert in der Praxis der Informationsfluss vom öffentlichen Unternehmen zur Regierung oder bedarf es gesetzlicher Anpassung? (Stichwort "Hol- oder Bringschuld")
Benötigt die Regierung bei Problemstellungen griffigere Aufsichtsmittel bzw. -möglichkeiten? (so z.B. betreffend die Informationsbeschaffung, Auskunftspflicht, Abklärungs- oder Kündigungsmöglichkeiten)
Gibt es insbesondere Möglichkeiten, die Regierung als Oberaufsichtsbehörde besser einzubinden, wenn Entscheidungen der öffentlichen Unternehmen mit wesentlichen finanziellen Konsequenzen verbunden sind (z.B. zwingende Information, Vetorecht, Bewilligungspflicht von gewissen Engagements)?
Kann die Oberaufsicht durch griffigere Eignerstrategien verbessert bzw. können dadurch Fehlentwicklungen und finanzielle Schäden eher verhindert werden?
Können fehlbare Organe durch eine griffigere Eignerstrategie und Anpassung des Verantwortlichkeitsrechts besser in die Verantwortung genommen werden?
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Dies sind nur einzelne Fragen, um die sich die Corporate-Governance Diskussionen ständig drehen und zu denen die Regierung nach Ansicht der Motionäre Stellung beziehen sollte. Diese Fragen sind nicht abschliessend zu verstehen. Die Regierung ist eingeladen, das Thema und die Verbesserungsmöglichkeiten aus ihrer Sicht als Aufsichtsbehörde umfassend zu beleuchten und dem Landtag einen Vorschlag zu unterbreiten, wie sie nach ihrer Meinung die Oberaufsicht optimal ausüben kann und wie künftig allfällige Fehlentwicklungen möglichst früh erkannt und Gegenmassnahmen eingeleitet werden können.
Nach Ansicht der Motionäre sind v.a. zwei konkrete Anpassungen vorzunehmen. Diese offenbarten, bei den in der Vergangenheit im Landtag und in der Öffentlichkeit diskutierten Fällen, in der Praxis Schwachstellen der heutigen Gesetzeslage. Die Regierung soll nach Ansicht der Motionäre insbesondere in diesen, folgend aufgeführten, Bereichen stärkere Rechte erhalten:
Artikel 8 des ÖUSG verlangt heute, dass die Abberufung von Mitgliedern der strategischen Führungsebene nur aus wichtigen Gründen (z.B. bei Unzumutbarkeit für das Land) möglich ist. Diese Hürde erscheint den Motionären als ausserordentlich hoch. Die Motionäre sind der Ansicht, dass hier gesetzliche Anpassungen nötig sind, so dass z.B. auch ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und betreffender Person für eine vorzeitige Absetzung genügen würde.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Auslandengagements und/oder Beteiligungskäufe der staatsnahen Betriebe häufig scheiterten. Solche Engagements können ein grosses Risiko in sich bergen, welches im Falle des Scheiterns ganz erhebliche finanzielle Konsequenzen für das Unternehmen einerseits und auch den Staatshaushalt andererseits haben können. Die Motionäre sind der Ansicht, dass die Regierung in solchen Fällen viel stärker
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einbezogen werden muss und sogar eine Zustimmungspflicht der Regierung in Betracht gezogen werden sollte.
Aus Sicht der Motionäre ist zentral, dass die Regierung über die wesentlichen Vorgänge und Risiken in den öffentlichen Unternehmungen stets auf dem Laufenden ist und bei Bedarf schnell und situationsgerecht reagieren bzw. eingreifen kann. Damit würde dem allgegenwärtigen Argument, dass die Regierung von einem Sachverhalt keine oder zu wenig Kenntnisse hatte und nicht Handeln konnte, entgegengewirkt. Im Falle von z.B. grösseren Investitionen (z.B. Beteiligungskäufen) sollte die Regierung zwingend (und frühzeitig) miteinbezogen - und nicht bloss informiert - werden. Die Zulässigkeit gewisser Engagements (so z.B. der Erwerb von Beteiligungen) sollte je nach öffentlichem Unternehmen in der Eignerstrategie zugelassen oder ausgeschlossen werden.