Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2023 / 63
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.ANTRAG DER REGIERUNG
III.REGIE­RUNGS­VOR­LAGE
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Sachenrechts
(Öffentlich-rechtliche Grundlasten)
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Mit der gegenständlichen Vorlage soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden. Derzeit ist im Sachenrecht nicht definiert, was als öffentlich-rechtliche Grundlast gilt, ob sie auch ohne Eintragung im Grundbuch entsteht und welche öffentlich-rechtlichen Grundlasten allenfalls sogar eintragungspflichtig sind.
Diese Gesetzeslücke entstand durch eine Aufhebung von Art. 256 Abs. 3 und 4 Sachenrecht (SR) im Jahr 2008 und wurde seither lediglich teilsaniert mit einer weiteren Abänderung von Art. 256 SR im Jahr 2016. Mit der nunmehrigen Abänderung von Art. 256 SR soll diese Rechtsunsicherheit behoben werden. Dies ist wichtig, da es öffentlich-rechtliche Grundlasten von sehr hohem Geldwert geben kann, wie dies beispielsweise bei Erschliessungskosten aus Baulandumlegungen der Fall ist.
Nach geltendem Recht sind für die Entstehung öffentlich-rechtlicher Grundlasten und deren Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten die Bestimmungen über die gesetzlichen Pfandrechte des öffentlichen Rechts sinngemäss anwendbar (Art. 256 SR).
Die Bestimmung über die gesetzlichen Pfandrechte des öffentlichen Rechts in Art. 311 SR legt in analoger Anwendung fest, dass eine öffentlich-rechtliche Grundlast, für die das öffentliche Recht dem Gläubiger einen Anspruch einräumt, erst mit der Eintragung in das Grundbuch entsteht. Öffentlich-rechtliche Grundlasten im Betrag von über CHF 1'000, die aufgrund des öffentlichen Rechts ohne Eintragung im Grundbuch entstehen, können gutgläubigen Dritten nicht mehr entgegengehalten werden, wenn sie nicht innert bestimmter, im Gesetz genannter Fristen in das Grundbuch eingetragen wurden.
Das Gesetz lässt aber anders als bei den gesetzlichen Pfandrechten offen, welche öffentlich-rechtlichen Grundlasten auch ohne Eintragung im Grundbuch entstehen. Diese Situation verursacht in der Praxis Rechtsunsicherheiten und soll mit der gegenständlichen Vorlage beseitigt werden. Es soll festgelegt werden, dass Kosten einer Baulandumlegung, Erschliessungskosten im Zusammenhang mit einer Baulandumlegung oder einer sonstigen öffentlichen Erschliessung sowie andere öffentlich-rechtliche Grundlasten, soweit diese in einem Spezialgesetz vorgesehen sind, als öffentlich-rechtliche Grundlasten gelten, die ohne Eintragung im Grundbuch entstehen. Zwecks Publizität sind Erschliessungskosten im Zusammenhang
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mit einer Baulandumlegung oder einer sonstigen öffentlichen Erschliessung im Grundbuch anzumerken.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Justiz
Am für Hochbau und Raumplanung
Amt für Tiefbau und Geoinformation
Gemeinden
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Vaduz, 4. Juli 2023
LNR 2023-1056
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Sachenrechts zu unterbreiten.
1.1Allgemeines zu den Grundlasten
Durch eine Grundlast wird der jeweilige Eigentümer oder die jeweilige Eigentümerin eines Grundstücks zu einer Leistung an einen Berechtigten oder eine Berechtigte verpflichtet, für die er oder sie ausschliesslich mit dem Grundstück haftet (Art. 254 Abs. 1 Sachenrecht; SR)1. Bei der Grundlast besteht die Verpflichtung somit in einer Leistung. Die geschuldete Leistung beschränkt sich nicht auf ein Unterlassen oder ein Dulden, sondern beinhaltet grundsätzlich ein positives Tun. Schuldner oder Schuldnerin der Leistung ist der jeweilige Grundeigentümer oder die jeweilige Grundeigentümerin des
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belasteten Grundstücks. Die vom oder von der Grundbelasteten zu erbringenden Leistungen können Arbeits-, Natural- oder Geldleistungen sein.2
Als Beispiele können genannt werden: Unterhalt einer Weide, Wasserlieferungspflichten des jeweiligen Eigentümers oder der jeweiligen Eigentümerin eines Quellengrundstücks, Holzlieferungspflichten oder die Leistung von Erschliessungskosten.
Eine Grundlast bedarf als dingliches Recht zu ihrer Errichtung der Eintragung ins Grundbuch (Art. 255 Abs. 1 SR), wobei die öffentlich-rechtlichen Grundlasten vorbehalten bleiben (Art. 256 SR).
Für die Entstehung einer öffentlich-rechtlichen Grundlast und deren Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten sind die Bestimmungen über die gesetzlichen Pfandrechte des öffentlichen Rechts sinngemäss anwendbar (Art. 256 SR).
Die gesetzlichen Pfandrechte des öffentlichen Rechts sind ebenfalls im Sachenrecht geregelt (Art. 311 und Art. 312 SR). Sie entstehen nur dann erst mit der Eintragung im Grundbuch, wenn das öffentliche Recht dem Gläubiger oder der Gläubigerin für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht einräumt (Art. 311 Abs. 1 SR).
Entstehen gesetzliche Pfandrechte im Betrag von über CHF 1'000 aufgrund des öffentlichen Rechts ohne Eintragung im Grundbuch und werden sie nicht innert sechs Monaten nach der Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Entstehung der Forderung in das Grundbuch eingetragen, so können sie nach Ablauf der Eintragungsfrist Dritten, die sich in
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gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht mehr entgegengehalten werden (Art. 311 Abs. 2 SR). Diese zweijährige Frist wird für vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung vom 31. August 20163 entstandene, nicht eingetragene öffentlich-rechtliche Grundlasten und gesetzliche Pfandrechte durch Art. 86 Abs. 3 Schlusstitel (SchlT) SR allerdings verlängert. So können sie Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, noch während zehn Jahren nach dem Inkrafttreten, also bis 31. August 2026, entgegengehalten werden.
Diejenigen gesetzlichen Pfandrechte, die auch ohne Eintragung ins Grundbuch entstehen, sind in Art. 312 SR abschliessend aufgezählt. Dies sind unter anderem gesetzliche Pfandrechte zugunsten des Staates oder zugunsten der Gemeinden für die auf Grundstücke entfallenden Steuern des letzten zur Zeit der Konkurseröffnung oder des Verwertungsbegehrens abgelaufenen Jahres und des laufenden Jahres.



 
1Sachenrecht (SR) vom 31. Dezember 1922, LGBl. 1923 Nr. 4, LR-Nr. 214.
 
2Basler Kommentar ZGB II, 5. Auflage, Art. 784, Rz. 3.
 
3LGBl. 2016 Nr. 349, Abänderung von Art. 256 SR und Einfügung von Art. 86 Abs. 3 SchlT SR.
 
LR-Systematik
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21
214
LGBl-Nummern
2024 / 046
Landtagssitzungen
05. Oktober 2023
Stichwörter
Abän­de­rung Art. 256 SR
Anmer­kungs­pflicht Grundbuch
Defi­ni­tion öffent­lich-recht­liche Grundlast
Ersch­lies­sungs­kosten Baulandumlegung
Gut­gläu­big­keit Dritter
Rechts­si­cher­heit
Sch­lies­sung Gesetzeslücke