Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend das Gesetz über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (GloBE-Gesetz) sowie das Gesetz über die Abänderung des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; STEG)
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Die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung wirken sich tiefgreifend auf die Wirtschaft aus. Die bisher geltenden Grundsätze für die Besteuerung internationaler Unternehmen sind durch Möglichkeiten der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) aus Sicht der OECD und der G20-Staaten in Frage gestellt. Aus diesem Grund soll sichergestellt werden, dass Gewinne dort besteuert werden, wo wirtschaftliche Tätigkeiten und Wertschöpfung tatsächlich stattfinden.
Im Oktober 2021 haben 135 Mitgliedstaaten des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS (IF on BEPS) einen globalen Konsens gefunden und einer sogenannten Zwei-Säulen-Lösung zugestimmt. Während sich Säule 1 mit der Verteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Marktstaaten befasst, soll Säule 2 sicherstellen, dass multinationale Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz von mehr als EUR 750 Mio. einer effektiven Mindestbesteuerung von 15 % unterliegen, um das Problem der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung zu adressieren.
Am 14. Dezember 2021 beschloss das IF on BEPS zur Umsetzung von Säule 2 die GloBE-Mustervorschriften, und im März 2022 veröffentlichte die OECD den GloBE-Kommentar zu diesen Mustervorschriften.
Die Botschafter der EU-Länder einigten sich am 12. Dezember 2022 auf die Verabschiedung der Richtlinie zur Einführung der globalen Mindestbesteuerung in der EU. Die Richtlinie wurde vom Rat am 16. Dezember 2022 formell beschlossen und ist innerhalb der EU bis Ende 2023 umzusetzen.
Die gegenständliche Vorlage beinhaltet die innerstaatliche Umsetzung von Säule 2. Die Umsetzung soll gezielt für Geschäftseinheiten von multinationalen Unternehmensgruppen erfolgen, die von den GloBE-Mustervorschriften erfasst sind. Zu diesem Zweck soll ein Gesetz über die Mindestbesteuerung grosser
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Unternehmensgruppen (GloBE-Gesetz) geschaffen sowie das Gesetz über die Landes- und Gemeindesteuern (SteG) angepasst werden. Aufgrund der Zugehörigkeit Liechtensteins zum EWR sind analog zur EU-Umsetzung auch grosse inländische Gruppen in den Anwendungsbereich aufzunehmen, auch wenn dies in den GloBE-Mustervorschriften nicht vorgesehen ist.
Die betroffenen Geschäftseinheiten haben die Regelungen des GloBE-Gesetzes zusätzlich zum Steuergesetz anzuwenden. Für alle anderen Unternehmen (bspw. KMUs) kommt es zu keinen Änderungen.
Die Umsetzung sieht vor:
die Einführung einer liechtensteinischen Ergänzungssteuer in Form einer "Qualified Domestic Minimum Top-up Tax" ("QDMTT"), durch die sichergestellt wird, dass in Bezug auf sämtliche inländische Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe bzw. einer grossen inländischen Gruppe eine effektive Mindestbesteuerung in Höhe von 15 % erfolgt,
die Einführung einer IIR-Ergänzungssteuer ("Income Inclusion Rule"), durch welche mittels Erhebung einer Ergänzungssteuer bei der inländischen Muttergesellschaft die effektive Mindestbesteuerung von 15 % der Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe bzw. einer grossen inländischen Gruppe sichergestellt wird, sowie
die Einführung einer UTPR-Ergänzungssteuer ("Undertaxed Payments Rule"), durch welche mittels Erhebung einer Ergänzungssteuer bei inländischen Geschäftseinheiten sichergestellt wird, dass eine effektive Mindestbesteuerung von 15 % der Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe erfolgt, wenn in der Jurisdiktion der obersten Muttergesellschaft keine IIR-Ergänzungssteuer zur Anwendung gelangt.
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Im Rahmen der Erarbeitung der gegenständlichen Vorlage wurden verfassungsrechtliche und EWR-rechtliche Vorgaben vertieft geprüft und berücksichtigt.
Die liechtensteinische Ergänzungssteuer und die IIR-Ergänzungssteuer finden für Steuerjahre ab 1. Januar 2024 Anwendung. Betreffend die UTPR-Ergänzungssteuer legt die Regierung die erstmalige Anwendbarkeit mit Verordnung fest, frühestens für Veranlagungen von Steuerjahren, die am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnen.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Stellen
Steuerverwaltung
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Vaduz, 11. Juli 2023
LNR 2023-1087
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend das Gesetz über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (GloBE-Gesetz) sowie das Gesetz über die Abänderung des Gesetzes über die Landes- und Gemeindesteuern (Steuergesetz; SteG) an den Landtag zu unterbreiten.
Die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung wirken sich tiefgreifend auf die Wirtschaft aus. Die bisher geltenden Grundsätze für die Besteuerung internationaler Unternehmen sind durch Möglichkeiten der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) aus Sicht der OECD und der G20-Staaten in Frage gestellt. Aus diesem Grund soll sichergestellt werden, dass Gewinne dort besteuert werden, wo wirtschaftliche Tätigkeiten und Wertschöpfung tatsächlich stattfinden.
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Zu diesem Zweck schlossen sich die OECD und die G20-Staaten zusammen und entwickelten im September 2013 einen Aktionsplan bestehend aus 15 Aktionspunkten zur Bekämpfung von BEPS. Die Regierung hat bereits 2014 eine Expertengruppe mit Vertretern aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung mit dem Auftrag bestellt, die BEPS-Arbeiten auf internationaler Ebene eng zu verfolgen sowie die Auswirkungen auf Liechtenstein zu analysieren und die Regierung darüber zu informieren.
Die finalen Berichte der OECD zu den 15 Aktionspunkten wurden im November 2015 den Staats- und Regierungschefs der G20 vorgelegt, wobei zum damaligen Zeitpunkt noch keine konkreten Lösungsvorschläge zur Besteuerung der zunehmend digitalisierten und globalisierten Wirtschaft vorlagen.
In weiterer Folge wurde das OECD/G20 Inclusive Framework gegen BEPS (IF on BEPS) gegründet, dem seit dem Jahr 2016 auch Liechtenstein angehört. Nach einem Beschluss der G20 im März 2017 wurden die Arbeiten der OECD an einer globalen und konsensfähigen Lösung für die Besteuerung der digitalisierten und globalisierten Wirtschaft aufgenommen. Parallel dazu hat die EU zwei Richtlinien-Entwürfe
1 veröffentlicht, um das Problem der Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu adressieren (Einführung einer Digitalsteuer sowie einer virtuellen Betriebsstätte). Diese Richtlinien-Entwürfe sollten jedoch nicht anwendbar sein, sofern auf OECD-Ebene eine globale Einigung gefunden werde.
Im Januar 2019 hat die OECD sodann Entwürfe für einen Lösungsvorschlag veröffentlicht. Dieser umfasst einerseits eine Säule 1, welche die Verlagerung eines Teils des Konzerngewinns in Richtung Marktstaaten vorsieht. Andererseits wurde eine Säule 2 präsentiert, die darüber hinaus verbleibende BEPS-Probleme
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(Gewinnverlagerungen) adressieren soll, indem eine weltweite Mindestbesteuerung eingeführt wird.
Anfang 2020 hat die Regierung eine Task Force unter der Leitung des Ministeriums für Präsidiales und Finanzen mit dem Ziel einberufen, strategische Handlungsempfehlungen auf Basis der Vorschläge der OECD zu erarbeiten. Der Task Force gehören auch Vertreter des Ministeriums für Inneres, Wirtschaft und Umwelt, Vertreter der Steuerverwaltung und der Wissenschaft sowie hochrangige Verbandsvertreter an.
Am 8. Oktober 2021 haben sich über 130 Mitglieder des IF on BEPS, welche mehr als 95 % des globalen BIP repräsentieren, auf eine Zwei-Säulen-Lösung geeinigt. Während sich Säule 1 mit der Verteilung der Besteuerungsrechte zugunsten der Marktstaaten befasst, soll Säule 2 sicherstellen, dass multinationale Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz von mehr als EUR 750 Mio. global einer effektiven Mindestbesteuerung in Höhe von 15 % unterliegen.
Liechtenstein hat einen nominellen Ertragssteuersatz von 12.5 %. Damit liegt die effektive Besteuerung einer juristischen Person - wenngleich die GloBE-Bemessungsgrundlage völlig anders zu ermitteln ist als jene gemäss dem Steuergesetz - regelmässig unter 15 %.
Am 26. Oktober 2021 setzte die Regierung neben der erwähnten Task Force, die sich mit strategischen Fragen beschäftigt, eine weitere technische Arbeitsgruppe an. Die Arbeitsgruppe unter der Leitung der Steuerverwaltung setzt sich aus Vertretern der Wirtschaftsverbände und der Wissenschaft zusammen. Sie hatte den Auftrag, die Auswirkungen von Säule 1 und 2 auf den Wirtschaftsstandort Liechtenstein zu analysieren und zu klären, ob bzw. wie Säule 2 umgesetzt werden soll.
In ihrem Bericht vom Dezember 2021 empfiehlt die Arbeitsgruppe geschlossen, Säule 2 in Liechtenstein gemäss den Vorgaben der OECD/G20 gezielt für
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Geschäftseinheiten von betroffenen Konzernen umzusetzen. Im Februar 2022 wurde die Arbeitsgruppe sodann von der Regierung beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung von Säule 2 unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklungen zu erarbeiten. Diese Arbeitsgruppe wird ihre Arbeit bis zum Inkrafttreten des GloBE-Gesetzes und wohl darüber hinaus fortsetzen. Es hat sich in der Vorbereitung dieses Gesetzesvorhabens gezeigt, dass ein technischer Austausch auf dieser Ebene der beste Weg zur Klärung offener Fragen, die sich zweifellos auch im weiteren Verlauf ergeben werden, ist.
International beschäftigen sich derzeit zahlreiche Länder mit der Umsetzung von Säule 2. Der EU-Rat verabschiedete im Dezember 2022 die Richtlinie zur Umsetzung von Säule 2 innerhalb der EU. Die Schweiz hat im Sommer 2022 bereits angekündigt, Säule 2 national vollumfänglich umsetzen zu wollen. In einer Volksabstimmung wurde die entsprechende Vorlage im Juni 2023 gutgeheissen. Das Vereinigte Königreich hat im Januar 2023 einen Vernehmlassungsbericht zur Umsetzung von Säule 2 veröffentlicht. Auch andere Länder wie Japan, Korea, Neuseeland und Norwegen arbeiten an der Umsetzung. Die USA werden Säule 2 wahrscheinlich nicht umsetzen, wobei ihr bestehendes Steuersystem einige Elemente von Säule 2 aufweist. Die internationalen Entwicklungen in der Umsetzung werden weiterhin eng verfolgt.