Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)
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Das Fürstentum Liechtenstein ist mit Inkrafttreten der Assoziierungsprotokolle zu Schengen und Dublin am 19. Dezember 2011 dem Schengen-Raum beigetreten. Damit hat sich Liechtenstein auch zur Übernahme künftiger Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands gemäss dem im Assoziierungsprotokoll festgelegten Verfahren verpflichtet. Der vorliegende Bericht und Antrag betrifft die Übernahme einer solchen Weiterentwicklung: das Finanzinstrument im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Verordnung (EU) 2021/1148 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik im Rahmen des Fonds für integrierte Grenzverwaltung, kurz Border Management and Visum Instrument, BMVI-Fonds). Dabei handelt es sich um das Nachfolgeinstrument des Fonds "ISF-Grenzen", den Liechtenstein 2015 übernommen hat. Weiter enthält der vorliegende Bericht und Antrag eine Zusatzvereinbarung, welche die liechtensteinische Teilnahme an diesem Finanzinstrument ermöglichen soll.
Der gemeinsamen Visumpolitik und dem kohärenten Management der Aussengrenzen kommen im Schengen-Raum zentrale Bedeutung zu. Dabei soll eine solide und wirksame integrierte europäische Grenzverwaltung an den Aussengrenzen aufrechterhalten werden, um ein hohes Mass an innerer Sicherheit zu gewährleisten und damit auch dazu beizutragen, den freien Personenverkehr innerhalb des Schengen-Raums zu gewähren. Der BMVI-Fonds ist ein Solidaritätsinstrument zur Unterstützung der Schengen-Mitgliedstaaten bei der Erfüllung dieser Aufgaben. Der BMVI-Fonds wurde von der EU mit einer Gesamtsumme von EUR 6.241 Mrd. für die Laufzeit von 2021-2027 ausgestattet, wozu die Beiträge der Schengen-assoziierten Staaten
1 noch hinzukommen. Mit diesen Geldern sollen insbesondere jene Mitgliedstaaten unterstützt werden, welche auf Grund ihrer geographischen Lage oder von geopolitischen Faktoren besonders hohe Kosten für den Aussengrenzschutz tragen.
Wie die anderen Schengen-assoziierten Staaten ist Liechtenstein im Rahmen seiner Schengen-Assoziierung verpflichtet, die BMVI-Verordnung zu übernehmen und sich auch finanziell am BMVI-Fonds zu beteiligen. Der zu erwartende Beitrag Liechtensteins dürfte sich in Abhängigkeit der zukünftigen BIP-Verhältnisse (LI:EU) für den
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gesamten Finanzierungszeitraum 2021-2027 auf rund EUR 2.9 Mio. (inkl. Reserve) belaufen. Daneben werden Liechtenstein rund EUR 8 Mio. Fördergelder aus dem BMVI-Fonds zustehen. Diese Mittel können für Massnahmen zur Unterstützung der integrierten Grenzverwaltung und der gemeinsamen Visumpolitik verwendet werden, welche Liechtenstein als Schengen-Mitgliedstaat selber zu tätigen hat, wie z.B. für die Weiterentwicklung der entsprechenden Informationssysteme.
Die mit der Europäischen Kommission (kurz: EU-Kommission) verhandelte Zusatzvereinbarung regelt die Details der liechtensteinischen Teilnahme am BMVI-Fonds. Dabei wurde der speziellen Ausgangslage Liechtensteins Rechnung getragen (keine Aussengrenzen oder Flughäfen, Delegation der Visumerteilung an die Schweiz oder EU-Staaten). Der BMVI-Fonds wurde im Vergleich zum Vorgängerfonds bedeutend ausgebaut und in eine neue Struktur integriert, wodurch der administrative Aufwand (welcher bereits unter dem Vorgängerfonds nicht zu übersehen war) bedeutend wachsen würde. Deshalb wurde mit der EU-Kommission eine separate Lösung vereinbart, nach welcher Liechtenstein im Rahmen der direkten Mittelverwaltung am BMVI-Fonds teilnehmen wird. Das bedeutet, dass liechtensteinische Projektnehmer ihre Finanzierungsanträge direkt an die EU-Kommission stellen können. Im Gegensatz zu den anderen Schengen-assoziierten Staaten, welche von der sog. geteilten Mittelverwaltung Gebrauch machen, muss Liechtenstein deshalb etwa keine speziellen nationalen Behörden benennen bzw. einrichten. Die Teilnahme in der direkten Mittelverwaltung resultiert in weniger Verwaltungsaufwand, ermöglicht Liechtenstein aber dennoch die volle Erfüllung seiner Pflichten unter der Schengen-Assoziierung.
Die Regierung ist überzeugt, mit den vorgesehenen Massnahmen, die einerseits Liechtenstein selber zugutekommen und andererseits dem Ziel des BMVI-Fonds, der Sicherstellung einer wirksamen integrierten europäischen Grenzverwaltung bei gleichzeitiger Wahrung des freien Personenverkehrs innerhalb der Union, das Optimum aus der durch die Schengen-Assoziierung bedingten verpflichtenden Teilnahme Liechtensteins am Fonds herauszuholen.
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Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Betroffene Stellen
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Amt für Informatik
Ausländer- und Passamt
Landespolizei
Mission des Fürstentums Liechtenstein bei der Europäischen Union in Brüssel Stabsstelle Finanzen
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Vaduz, 29. August 2023
LNR 2023-1326
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) zu unterbreiten.
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1 | Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. |
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Im Rahmen seiner Assoziierung an Schengen/Dublin beteiligte sich Liechtenstein in der Vergangenheit am Aussengrenzenfonds (2007-2013) und an dessen Nachfolgeinstrument, dem Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa (ISF-Borders). Letzterer wurde für den Zeitraum 2014-2020 geschaffen. Im Rahmen dieses Fonds wurden Schengen-Staaten, die aufgrund ihrer ausgedehnten Land- oder Seegrenzen sowie bedeutenden internationalen Flughäfen hohe Kosten für den Schutz der Schengen-Aussengrenzen tragen, mit projektgebundenen Mitteln unterstützt. Der Fonds trug dazu bei, die Effizienz der Kontrollen und damit den Schutz der Aussengrenzen zu verbessern sowie die Zahl illegaler Einreisen zu verringern.
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Da der ISF-Borders das Ende seiner Laufzeit erreicht hat (laufende Projekte sind noch bis Mitte 2024 förderfähig), wurde im Rahmen des neuen EU-Haushalts 2021-2027 ein Nachfolgeinstrument - das Instrument für finanzielle Hilfe im Be-reich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Border Management and Visa Instrument; im Folgenden BMVI-Fonds) etabliert. Da auch dieser Fonds eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes darstellt, hat sich Liechtenstein im Rahmen seiner Assoziierung an Schengen/Dublin an diesem zu beteiligen. Der BMVI-Fonds dient der Weiterentwicklung der gemeinsamen Visumpolitik und der Sicherstellung einer integrierten Grenzverwaltung an den Schengen-Aussengrenzen. Der Fonds soll ebenfalls dazu beitragen, ein hohes Mass an innerer Sicherheit im Schengen-Raum zu gewährleisten und gleichzeitig den freien Personenverkehr innerhalb des Schengen-Raums zu wahren. Gerade vor dem Hintergrund verstärkter Migrationsbewegungen kommt dem Fonds als Ausdruck der Solidarität sowie als praktisches Instrument zur Unterstützung der Sicherung der Schengen-Aussengrenzen eine wichtige Funktion zu. Die Schengen-Staaten werden mit Geldern aus dem BMVI-Fonds unterstützt, um ihre Kapazitäten in obengenannten Bereichen aufzubauen und zu verbessern und die Zusammenarbeit, insbesondere mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), zu stärken. Der BMVI-Fonds soll der EU ermöglichen, rasch und wirksam auf sicherheitsbezogene Krisen, die das Funktionieren des Schengen-Systems in Frage stellen können, zu reagieren.
Zur Erfüllung dieser gemeinsamen Aufgaben hat sich Liechtenstein als Schengen-assoziierter Staat mit einem finanziellen Beitrag am BMVI-Fonds zu beteiligen. Obwohl die erwähnten Finanzierungsinstrumente als Solidaritätsfonds insbesondere für den Schutz der Aussengrenzen ausgestaltet wurden, hat wiederum auch Liechtenstein als Binnenstaat ohne Schengen-Aussengrenzen, ohne Flughafen und ohne Konsulate (Visumerteilung) Anrecht auf Fördermittel, da jedem Schengen-Staat ein einmaliger Pauschalbetrag zugeteilt wird. Mit diesen Fördermitteln
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sollen nach aktueller Planung Projekte der beteiligten Amtsstellen, nämlich der Landespolizei, dem Ausländer- und Passamt und dem Amt für Informatik, zur Gewährung bzw. Verbesserung der inneren Sicherheit und somit zur Erfüllung der Pflichten aus der Schengen-Assoziierung kofinanziert werden. Auch der Verwaltungsaufwand der liechtensteinischen Behörden, der durch die Teilnahme am BMVI-Fonds entsteht, soll grösstenteils über den Fonds selbst refinanziert werden.