Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts
(Revision Vereinsrecht)
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Das Thema des Missbrauchs von Rechtsträgern für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung steht seit einigen Jahren im Fokus sowohl der internationalen und nationalen Medien und Organisationen zur Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung als auch der Politik. Dabei ist das Risiko nicht auf Handelsgesellschaften und vermögensverwaltende Strukturen für privatnützige Zwecke beschränkt. Verschiedenen Studien zufolge können gerade gemeinnützige Organisationen ein besonderes Risiko für Terrorismusfinanzierung darstellen. Während es in Liechtenstein für die gemeinnützigen Stiftungen und Anstalten ein enges Regelungsgeflecht sowie eine entsprechende Aufsicht gibt, sind die Anforderungen an gemeinnützige Vereine aus heutiger Sicht vergleichsweise niedrig. Dies bei gleicher Gefahr, denn das Sammeln oder Verteilen von Geldern für gemeinnützige Zwecke kann als Deckmantel für Terrorismusfinanzierung dienen.
Die Financial Action Task Force (FATF) gibt Empfehlungen heraus, um den Missbrauch von Rechtsträgern für Zwecke der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie von gemeinnützigen Organisationen für Zwecke der Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Liechtenstein orientiert sich bei der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung neben den europarechtlichen Vorgaben an den Standards der FATF und ist seit 1999 Mitglied von Moneyval, einem Regionalgremium nach dem Vorbild der FATF.
Wie die FATF überprüft auch Moneyval bei seinen Mitgliedstaaten regelmässig die Qualität der nationalen Regelungen zur Umsetzung der 40 FATF-Empfehlungen, zuletzt in Liechtenstein im September 2021. Moneyval hat den daraus resultierenden fünften Länderbericht (Mutual Evaluation Report vom Mai 2022) am 29. Juni 2022 veröffentlicht. Liechtenstein schnitt dabei gesamthaft gesehen sehr gut ab.
Im Zuge dieser Länderprüfung zeigten sich jedoch Mängel im Vereinsrecht. Auch wenn es nach dem aktuellen Kenntnisstand bislang keinen einzigen bekannten Missbrauchsfall eines gemeinnützigen Vereins gegeben hat, sollen dennoch die Verbesserungsvorschläge aus dem Länderbericht mit der gegenständlichen Vorlage umgesetzt werden. Dies unter anderem auch deshalb, weil die Schweiz ebenso vergleichbare Anpassungen im Vereinsrecht vorgenommen hat und das Schweizer
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Vereinsrecht Rezeptionsvorlage für das liechtensteinische Vereinsrecht ist. Ausserdem soll mit der gegenständlichen Vorlage einem möglichen "De-Risking" von gemeinnützigen Vereinen mit einem höheren Risiko für Terrorismusfinanzierung entgegengewirkt und das noch nicht sehr stark vorhandene Bewusstsein bei Vereinen bezüglich des latent vorhandenen Missbrauchspotentials geschärft werden.
Insbesondere soll die Transparenz von Vereinen dadurch verbessert werden, dass Vereine, die überwiegend Vermögenswerte für gemeinnützige Zwecke sammeln oder verteilen, der Verpflichtung zur Eintragung in das Handelsregister unterliegen. Ausnahmen von der Eintragungspflicht für gemeinnützige Vereine sind in bestimmten Fällen möglich. Zudem sollen diese eingetragenen Vereine verpflichtet werden, einen Repräsentanten zu bestellen, wodurch der Zugang der inländischen Behörden, insbesondere der Strafverfolgungsbehörden, zu Informationen und Dokumenten von gemeinnützigen Vereinen in Verdachtsfällen sichergestellt werden soll. Weiters sollen die eingetragenen Vereine verpflichtet werden, ein Mitgliederverzeichnis zu führen und aufzubewahren, sodass neben Informationen zu den Vorstandsmitgliedern auch Angaben zu den Mitgliedern des Vereins vorliegen. Dasselbe soll neu auch für revisionspflichtige Vereine gelten. Ausserdem soll eine klare Regelung betreffend das Erfordernis einer sog. Art. 180a-Person für bestimmte Vereine künftig für mehr Rechtssicherheit sorgen. Die genannten Massnahmen werden als zielgerichtet und risikobasiert erachtet, um somit letztlich eine Überregulierung des Sektors der gemeinnützigen Vereine bzw. einen Rückgang von gemeinnützigen Aktivitäten zu vermeiden.
Vereine, die nicht überwiegend Vermögenswerte für gemeinnützige Zwecke sammeln oder verteilen, wie beispielsweise Sport- und Freizeitvereine, fallen nicht unter die neuen Bestimmungen und müssen somit auch keinen administrativen Mehraufwand befürchten.
Weitere Änderungen der Vorlage betreffen schliesslich sämtliche Verbandspersonen. So wird eine Aufbewahrungspflicht für die Gründungsdokumente vorgesehen. Zudem sind diese Dokumente auch nach Auflösung und Liquidation für eine Dauer von zehn Jahren aufzubewahren. Währenddessen ist von den zuständigen Personen jeweils dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Dokumente innert angemessener Frist im Inland zur Verfügung stehen. Die Missachtung dieser Aufbewahrungspflichten soll sanktioniert werden können. Diese Änderungen erfolgen
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aufgrund der FATF-Empfehlungen sowie einer entsprechenden Kritik im Länderbericht von Moneyval.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Infrastruktur und Justiz
Betroffene Stellen
Amt für Justiz
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Vaduz, 9. April 2024
LNR 2024-507
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts (Revision Vereinsrecht) zu unterbreiten.
Anlass für die gegenständliche Gesetzesvorlage sind die Ergebnisse der fünften Evaluationsrunde Liechtensteins 2021 durch Moneyval.
Liechtenstein misst dem Kampf gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung seit Jahren höchste Priorität zu und verfolgt in diesem Bereich eine Null-Toleranz-Politik. Als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) hat Liechtenstein sowohl die 4. und 5. EU-Geldwäscherei-Richtlinie als auch die Verordnung (EU) 2015/847 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers umgesetzt. Liechtenstein orientiert sich zudem an den internationalen Standards der Financial
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Action Task Force (FATF) und ihren Empfehlungen
1 und ist seit 1999 Mitglied von Moneyval, dem Expertenausschuss des Europarates für die Bewertung von Massnahmen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, der als Regionalgremium nach dem Vorbild der FATF im Jahr 1997 gegründet wurde.
2 Moneyval ist assoziiertes Mitglied der FATF und erstattet der FATF regelmässig Bericht.
Die FATF-Empfehlungen stellen aufgrund der unterschiedlichen Rechts- und Finanzsysteme der einzelnen Länder Mindeststandards dar, die durch jeweils geeignete Massnahmen unter Berücksichtigung der Länderspezifika umzusetzen sind. Die FATF-Empfehlungen werden auch von Nichtmitgliedern umgesetzt und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank als internationale Normen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung anerkannt.
Wie die FATF überprüft auch Moneyval bei seinen Mitgliedstaaten regelmässig die Qualität der nationalen Regelungen zur Umsetzung der 40 FATF-Empfehlungen und bewertet die Wirksamkeit des nationalen Systems zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Im Rahmen der fünften Evaluationsrunde wurde im September 2021 die Umsetzung der FATF-Empfehlungen in Liechtenstein durch Moneyval geprüft.
Moneyval hat den daraus resultierenden fünften Länderbericht (Mutual Evaluation Report [MER] vom Mai 2022) am 29. Juni 2022 veröffentlicht.
3 Liechtenstein schnitt im Vergleich zu den anderen bereits geprüften Ländern sehr gut ab und -
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wurde aufgrund des positiven Berichts dem regulären Moneyval-Berichtsprozess unterzogen.
Im Bereich des Vereinsrechts wurden jedoch Schwachpunkte aufgezeigt. Während das Bewusstsein für das Risiko der Terrorismusfinanzierung und die Aufsicht bei den gemeinnützigen Stiftungen und Anstalten als gut bis sehr gut bewertet wurden, wurden dieselben Punkte bei den Vereinen als wenig oder gar nicht vorhanden eingestuft.
4Der Länderbericht/MER
5 hält dazu fest, dass Non-Profit-Organisationen (NPOs)
6 durch drei Behörden beaufsichtigt würden. Die Stiftungsaufsichtsbehörde (STIFA) sei dafür verantwortlich, dass das Vermögen der ihr unterstellten gemeinnützigen Stiftungen und Anstalten zweckgemäss verwaltet und verwendet werde, die Finanzmarktaufsicht (FMA) beaufsichtige Sorgfaltspflichtige gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. a bis l und n bis t des SPG
7 und die Steuerverwaltung (STV) sei die zuständige Behörde, um sicherzustellen, dass gemeinnützige Stiftungen, Anstalten und Vereine ihren Verpflichtungen zur Einreichung von Unterlagen nachkommen und diese Anforderungen fortlaufend erfüllen würden. Vereine seien somit keiner (direkten) Beaufsichtigung durch die FMA oder die STIFA unterstellt und unterstünden damit lediglich der Steueraufsicht durch die STV. Dies liege daran, dass trotz gesetzlicher Vorgabe das Erfordernis eines qualifizierten Mitglieds in der Verwaltung (in Liechtenstein eine sog. Person nach Art. 180a PGR) bei Vereinen in der -
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Praxis nicht umgesetzt werde. Bestimmte Massnahmen seien hinsichtlich gemeinnütziger Vereine zwar umgesetzt worden, jedoch handle es sich nicht um eine risikobasierte Überwachung bzw. Beaufsichtigung.
8 Der vor Ort angetroffene Verein hätte zudem kein gutes Verständnis für die Risiken gehabt, denen er ausgesetzt sein könnte. Ihm seien die Verpflichtungen aus den Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung sowie die Möglichkeiten, Vereine für Terrorismusfinanzierung zu missbrauchen, nicht bekannt gewesen.
9Entsprechend wurde zur FATF-Empfehlung 8 betreffend NPOs festgehalten, dass abgesehen von der Steueraufsicht keine risikobasierte Überwachung bzw. Beaufsichtigung in Bezug auf gemeinnützige Vereine vorhanden sei. Zudem wurde betreffend FATF-Empfehlungen 8 und 24 (Transparenz von und wirtschaftliche Berechtigung an juristischen Personen) festgehalten, dass sich Vereine nur unter gewissen Voraussetzungen in das Handelsregister eintragen lassen müssten.
10Als vorrangige Massnahme ergeht dann auch die Empfehlung von Moneyval an Liechtenstein, dass die zuständigen Behörden weitere Anstrengungen unternehmen sollten, um risikobasierte Vorschriften zur Überwachung bzw. Beaufsichtigung von NPOs (einschliesslich Vereinen), die ein hohes Risiko für Terrorismusfinanzierung aufweisen, einzuführen und durchzusetzen. Dies sollte jedoch so geschehen, dass die legitimen Aktivitäten von Vereinen nicht beeinträchtigt werden.
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Die Herstellung der Konformität der liechtensteinischen Gesetzeslage mit den FATF-Empfehlungen sowie die Verbesserung der Wirksamkeit der entsprechenden Massnahmen ist ein Ziel dieser Vorlage.
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich in der Vergangenheit keine konkreten Indizien für Verbindungen von liechtensteinischen Vereinen zu terroristischen Aktivitäten oder Organisationen ergeben haben. Insgesamt ist somit bislang kein Missbrauchsfall in Liechtenstein in Erscheinung getreten. Dennoch ist es der Regierung ein wichtiges Anliegen, das Vereinsrecht anzupassen, um den FATF-Empfehlungen und der darauf basierenden Kritik von Moneyval im Länderbericht/MER nachzukommen und somit das Abwehrdispositiv betreffend gemeinnützige Vereine mit einem erhöhten Risiko für Terrorismusfinanzierung zu stärken. Ausserdem sollen gewisse Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die derzeit in der Praxis im Zusammenhang mit der Art. 180a-Pflicht für Vereine bestehen.
Im Schweizer Zivilgesetzbuch (chZGB)
12 erfolgten aufgrund der Überprüfungen der FATF ebenfalls Änderungen (siehe Ausführungen unter Punkt 1.4). Infolge dieser Abänderungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Vereine mit einem höheren Risiko, die bisher in der Schweiz tätig waren, aufgrund der verschärften Regelungen in der Schweiz auf Liechtenstein ausweichen, sofern die Regelungen hier nicht ebenfalls angepasst werden. Liechtensteins Vereinssektor soll demzufolge nicht zu einem "Ausweichplatz" für missbräuchliche Tätigkeiten werden. Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass das Schweizer Vereinsrecht Rezeptionsvorlage für das liechtensteinische Vereinsrecht ist und auch aus diesem Grund die Abänderungen der Schweizer Bestimmungen im Wesentlichen nachvollzogen werden sollen.
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Des Weiteren sollen für sämtliche Verbandspersonen Rechtsgrundlagen geschaffen werden, um den Anforderungen aus der FATF-Empfehlung 24 an die Aufbewahrungspflichten sowie bei Verletzung derselben an deren Sanktionierung nachzukommen, womit die sog. technical compliance in Bezug auf die Umsetzung der FATF-Empfehlungen verbessert werden soll.
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1 | FATF-Empfehlungen, Stand November 2023: https://www.fatf-gafi.org/en/publications/Fatfrecommendations/Fatf-recommendations.html. |
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2 | https://www.coe.int/en/web/moneyval. |
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3 | Mutual Evaluation Report (MER) Liechtenstein vom Mai 2022: https://rm.coe.int/moneyval-2022-6-mer-liechtenstein/1680a71000. |
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4 | Bezüglich dieses Kritikpunktes ist festzuhalten, dass im Zuge der Länderprüfung durch Moneyval lediglich Gespräche mit einem gemeinnützigen Verein geführt worden sind, um das Bewusstsein für das Risiko der Terrorismusfinanzierung zu beurteilen (siehe MER 2022, S. 113: "The association met onsite did not have any knowledge in this field."; MER 2022, S. 115: "This was not confirmed for the association met onsite."). |
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5 | MER 2022, S. 226 f. |
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6 | Nicht gewinnorientierte Organisationen. |
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7 | Gesetz vom 11. Dezember 2008 über berufliche Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung von Geldwäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung (Sorgfaltspflichtgesetz; SPG), LGBl. 2009 Nr. 47, LR-Nr. 952.1. |
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8 | MER 2022, S. 112 ff., 227, 229 und 315. |
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9 | MER 2022, S. 100, 113 und 115. |
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10 | MER 2022, S. 112, 226 f., 261 und 317. |
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11 | MER 2022, S. 18 und 101. |
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12 | Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210. |
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