Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2012 / 12
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass / Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Reform des Erbrechts   
 
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Seit der grundlegenden Anpassung des liechtensteinischen Erbrechts an die österreichische Rezeptionsgrundlage im Zuge der Ehe- und Familienrechtsreform 1993 erfolgten in Liechtenstein nur punktuelle Neuregelungen, sodass eine Gesamtreform des Erbrechts unabdingbar geworden ist.
Obgleich es sich beim Erbrecht um ein relativ stabiles Rechtsgebiet handelt, sind mittlerweile erhebliche Nachführungsmankos aufgetreten, da in Österreich vor allem durch das Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 sowie durch das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 wesentliche Änderungen erfolgt sind. Da sich auch weiterhin eine enge Anlehnung an die in Österreich bestehende Rechtssituation empfiehlt, werden mit der Reform des erbrechtlichen Abschnitts des ABGB insbesondere folgende Ziele verfolgt:
die ersatzlose Beseitigung der - vor allem Kinder diskriminierenden - erbrechtlichen Bestimmung über den Zeitpunkt der Feststellung der Abstammung;
die Verbesserung der erbrechtlichen Stellung des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners;
die Zulassung des aussergerichtlichen mündlichen Zeugentestaments nur noch als Notform;
die Aufhebung der Erbunfähigkeit wegen Ehebruchs oder Blutschande.
Neben diesen Neuerungen werden auch weitergehende, von der geltenden österreichischen Fassung abweichende Änderungen vorgenommen. Diese geben die Rezeptionsgrundlage aber nicht auf, sondern modifizieren sie lediglich.
Dies betrifft die Verschiebung des Erbvertrags aus dem Hauptstück über die Ehepakte in den erbrechtlichen Abschnitt. Zudem wird die Beschränkung der Zulässigkeit des Erbvertrags auf Ehegatten und Brautleute bzw. eingetragene Partner und auch jene auf drei Viertel des Nachlasses aufgegeben.
Darüber hinaus wird die gerichtliche Hinterlegung von Testamenten und Erbverträgen normiert. Dies ist bereits gelebte Praxis, die nunmehr gesetzlich verankert wird.
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Zudem wird die Stundung des Pflichtteils und die Möglichkeit der Zahlung in Raten eingeführt.
Die Ausarbeitung der Vorlage wurde schliesslich auch dafür genutzt, unzeitgemässe und überholte Bestimmungen des ABGB einer eingehenden rechtlichen Überprüfung zu unterziehen und bei diesen Bestimmungen zeitgemässe Textadaptierungen vorzunehmen.
Zuständiges Ressort
Ressort Justiz
Betroffene Stellen
Landgericht, Obergericht, Oberster Gerichtshof, Staatsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Staatsanwaltschaft, Liechtensteinische Rechtsanwaltskammer, Gemeinden
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Vaduz, 14. Februar 2012
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Reform des Erbrechts zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die letzte grundlegende Reform des Erbrechts fand im Rahmen der Ehe- und Familienrechtsreform im Jahre 1993 statt, die unter den Prämissen der Gleichstellung der Geschlechter sowie der Verwirklichung des Partnerschaftsprinzips stand. Unter Verweis auf eine "bewährte Rezeptionstradition" fanden die im Zuge der österreichischen Familienrechtsreform erfolgten Neuregelungen weitgehend Eingang in das liechtensteinische ABGB. Im Hinblick auf eine Verbesserung der bislang eher ungünstigen erbrechtlichen Stellung des überlebenden Ehegatten zählten dazu die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils neben der ersten Linie auf ein Drittel des Nachlasses (§ 757 Abs. 1 ABGB) und als einschneidenste Änderung die Gewährung eines Pflichtteilsanspruchs im Ausmass der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils (§ 762 i.V.m. § 765 ABGB). Diese Neuerungen wurden ergänzt durch eine Verbesserung der Stellung des überlebenden Ehegatten in Be-
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zug auf den sogenannten "gesetzlichen Voraus"1 (§ 758 ABGB) und eine Neuregelung des Unterhaltsanspruchs gegen den Nachlass2 (§ 796 ABGB), dessen subsidiärer Charakter verstärkt betont wurde. Die Neuregelung des gesetzlichen Erbrechts der unehelichen und legitimierten Kinder erfolgte primär unter Berücksichtigung der Verwirklichung des Gleichstellungsgrundsatzes. So wurden die legitimierten Kinder3 den ehelichen Kindern im gesetzlichen Erbrecht völlig gleich gestellt, was sowohl zu Lasten der ehelichen Deszendenz (= eheliche Nachkommen) des Erblassers als auch dessen Witwe erfolgte. Das uneheliche Kind wurde nun zum gleichberechtigten Mitglied der ersten Parentel4 (= Kinder und Kindeskinder) und erbte somit neben den ehelichen Kindern einen Kopfteil. Ergänzend dazu wurde die Möglichkeit der Pflichtteilsminderung neu eingeführt für den Fall, dass keine entsprechende Nahebeziehung zwischen dem Elternteil und dem Kind bestanden hat (vgl. § 773a ABGB). Weiters wurde eine Erweiterung der Erbunwürdigkeitsgründe vorgenommen, wonach derjenige vom Erbrecht ausgeschlossen ist, der seine sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber grob vernachlässigt hat (vgl. § 540 ABGB).
Von den unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Aufteilung des ehelichen Vermögenszuwachses abgesehen, stiess der Vorschlag der Regierung, bei der
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Reform des Ehe- und Familienrechts im Interesse der Rechtstradition und -kontinuität soweit als möglich dem Vorbild der österreichischen Rechtsordnung zu folgen, im Landtag auf weitgehende Zustimmung.5 Der erbrechtliche Abschnitt des liechtensteinischen ABGB blieb somit den entsprechenden Bestimmungen des österreichischen ABGB inhaltlich auf das Engste verbunden, was auch bei der anstehenden Erbrechtsreform berücksichtigt wird.



 
1Dabei handelt es sich um ein Vermächtnis, das dem überlebenden Ehegatten unmittelbar aufgrund des Gesetzes gebührt, unabhängig davon, ob er zum Erben berufen ist, und zwar im "Voraus", d.h. dass es in einen allfälligen Erbteil nicht einzurechnen ist. Es umfasst die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen und das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen.
 
2Der überlebende Ehegatte hat, solange er nicht wieder heiratet, gegen die Erben einen Anspruch auf Unterhalt. In diesen Anspruch sind allerdings diverse Zuwendungen durch den Erblasser (z.B. letztwillige Zuwendung, gesetzlicher Erbteil) ebenso einzurechnen wie eigenes Vermögen oder Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit.
 
3Heiraten die Eltern eines unehelichen Kindes, so wird das Kind legitimiert. Das heisst, es wird mit der Eheschliessung seiner Eltern kraft Gesetzes zum ehelichen Kind. Dies kann auch erst Jahre nach der Geburt des Kindes, auch erst nachdem das Kind selbst geheiratet und eigene Kinder hat, geschehen.
 
4In der allgemeinen Erbfolgeordnung erben die Verwandten des Erblassers nach dem Parentelensystem. "Parentel" bedeutet sinngemäss "Linie" und wird von einem Stammhaupt bzw. einem Stammelternpaar und seinen Nachkommen gebildet. Die Parentelen kommen nacheinander zum Zug.
 
5Vgl. Landtagsprotokoll 1991/II, 485 ff.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2012 / 265
Landtagssitzungen
23. März 2012
Stichwörter
Erbrecht des Ehe­gatten, Ausweitung
Erbrecht, Gesamtreform
Erbrecht, gesetz­li­ches, des Ehe­gatten, Ausweitung
Erbrecht, Weg­fall des münd­li­chen Privattestaments
Erb­ver­trags­recht, Neufassung
Not­tes­ta­ment, neues
Pri­vat­tes­ta­ment, münd­li­ches, Wegfall
Tes­ta­ment besach­wal­teter Personen
Tes­ta­ment mün­diger Minderjähriger