Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2017 / 22
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Artikeln
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.Ban­ken­ge­setz
2.Finanz­mark­tauf­sichts­ge­setz
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein 
betreffend die Anpassung des Bankengesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
 
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Durch die vorgeschlagene Abänderung des Bankengesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes soll der Finanzplatz Liechtenstein für sogenannte "Fin-Techs" attraktiver gemacht werden. Das Aufkommen von Fin-Techs basiert unter anderem auf zwei technologischen Entwicklungen: Die breite Verfügbarkeit von grosser Rechenleistung und dem einfacheren Zugang zu Kunden über das Internet. Dadurch sind bereits heute für kleine Finanzdienstleister Geschäftsmodelle möglich, die zuvor nur grossen Finanzinstituten vorbehalten waren. Dies bedeutet konkret, dass in Zukunft die Wertschöpfungskette, die in einer klassischen Bank häufig umfassend angeboten wird, aufgebrochen werden kann. Dadurch können einzelne Elemente spezialisiert und mit hohem Automatisierungsgrad angeboten werden.
Daneben gilt es, eine weitere Entwicklung der Finanzbranche zu berücksichtigen: Aufgrund der regulatorischen Verschärfung hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Trend zur Verlagerung des Risikos ausserhalb der Bankenbilanz ergeben. Dadurch sind neue Geschäftsmodelle, wie z.B. Crowd-Lending, entstanden, die zwar eine klassische Bankdienstleistung (Kreditvergabe) ersetzen, doch dabei nur einen Bruchteil des Risikos selbst tragen.
Da die Einstiegshürden in den Finanzmarkt hoch sind, organisieren Fin-Techs ihr Geschäftsmodell häufig so, dass es nicht unter die bestehende Finanzmarktregulierung fällt. Dabei sind oft komplexe Schnittstellen mit Finanzmarktteilnehmern erkennbar, die für beide Parteien unbefriedigend sind.
Es macht aus Sicht der Regierung deshalb Sinn, die Einstiegshürden für kleine und risikoarme Geschäftsmodelle in den Finanzmarkt zu erleichtern, um einerseits die Konsumentensicherheit und andererseits die Attraktivität des Finanzplatzes Liechtenstein für Fin-Techs zu verbessern.
Eine wesentliche Hürde für den Zugang von Fin-Techs zum Finanzplatz Liechtenstein stellt das gemäss Bankengesetz zu haltende Anfangskapital dar. Aufgrund der eingangs erwähnten Entwicklung ist es zielführend, diesen Betrag für kleine und risikoarme Banken zu senken. Dasselbe gilt für die gemäss Finanzmarktaufsichtsgesetz zu begleichenden Aufsichtsgebühren. Diese sollen mit Blick auf Fin-Techs ebenfalls angeglichen werden. Dabei soll der europäische Regulierungs-
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rahmen eingehalten werden, um den Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum zu gewährleisten.
Weiterer gesetzlicher Handlungsbedarf besteht zunächst nicht, da die FMA bereits nach geltender Rechtslage Ausnahmen von zwingenden regulatorischen Vorgaben des Bankengesetzes gewähren kann.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Präsidiales und Finanzen
Betroffene Behörde
Finanzmarktaufsicht
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Vaduz, 2. Mai 2017
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Anpassung des Bankengesetzes und des Finanzmarktaufsichtsgesetzes zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Seit der Einführung des Bankengesetzes sind die Anforderungen an den Betrieb einer Bank regelmässig an die veränderten Gegebenheiten (z.B. an die Finanzkrise von 2008) angepasst worden. Bisher haben sich jedoch die Finanzdienstleister immer in den "klassischen Kategorien" wie "Bank", "Wertpapierfirma" oder "Vermögensverwaltungsgesellschaft" bewegt.
In den letzten Jahren ist - einerseits angetrieben durch technologische Entwicklungen, andererseits durch die Folgen der Finanzkrise, des Niedrigzinsniveaus und der EU-Regulierung - eine hohe Dynamik bei den sogenannten "Financial Technology-Unternehmen" (Fin-Techs) erkennbar. Diese Unternehmen bewegen sich am Rande oder innerhalb des Finanzmarkts mit neuen Geschäftsmodellen, die zunehmend eine Ergänzung oder Konkurrenz zu den Dienstleistungen und
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Produkten der "klassischen" Finanzintermediäre darstellen. Anstelle eines grossen Unternehmens mit umfassenden Dienstleistungen suchen sich die Fin-Techs eine Nische, eine Teilfunktion einer klassischen Finanzdienstleistung, und bieten diese professionell und teilweise weltweit an. Mitunter benötigen Fin-Techs die Zusammenarbeit mit bestehenden Finanzdienstleistern, teilweise schaffen sie innovative Lösungen, die ohne die etablierten Akteure auskommen. Fin-Tech-Unternehmen sind anfangs eher klein und agil und versuchen, mit Technologie einen Skaleneffekt durch hohe Automatisierung zu erzielen.
Die europäische Regulierung von Kreditinstituten geht nach wie vor von einer "Vollbank" (Universalkreditinstitut) aus, die Kernbankgeschäfte wie das Einlagen- und das Kreditgeschäft sowie andere Bankgeschäfte im Sinne des Anhanges I der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) umfänglich erbringt. Dazu gehören risikoexponierte und volkswirtschaftlich zentrale Dienstleistungen wie das Bilanzgeschäft, mit dem kurzfristige Kontokorrentgelder in langfristige Kredite umgewandelt werden. Die Bestrebungen der letzten Jahre in der europäischen Bankenregulierung haben demzufolge auch erhöhte Anforderungen an den Risikopuffer und interne Prozesse bzgl. Risiko Management und Compliance formuliert.
Gleichzeitig - und teilweise direkt durch die verschärften europäischen Regulierungen beeinflusst - hat sich ein Teil des klassischen Finanzierungskanals weg von Banken hin zu Hedge-Fonds oder Fin-Tech-Lösungen wie Crowdfunding bewegt; dieser Entwicklung hat man etwa in Österreich durch den Erlass eines eigenen "Alternativfinanzierungsgesetzes" (ö. BGBl I 2015/114) Rechnung getragen. Strukturell bedeutet dieser Schritt, dass der Anleger selbst alle jene Risiken übernimmt, die bislang sonst die Banken übernommen haben. Zu diesen Risiken gehören vornehmlich das Ausfallsrisiko (Gefahr eines Forderungsverlusts durch einen Konkurs des Gläubigers) und das Fristentransformationsrisiko (Gefahr, dass die Forderung nicht kurzfristig in Liquidität umgewandelt werden kann).
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Durch diesen Risikotransfer gibt es nun neue Geschäftsmodelle im Tätigkeitsfeld von Banken, die deutlich risikoärmer sind (z.B. Anbieter für Banküberweisungen in unterschiedlichen Währungen). Es ist für Liechtenstein wichtig, dass diese neuen Entwicklungen in den Finanzdienstleistungen angemessen in der nationalen Gesetzgebung abgebildet werden, um die Chancen auf zukünftige Wertschöpfung überhaupt zuzulassen.
Zur Illustration stellt die Regierung im Folgenden ein paar der Geschäftsmodelle dar, die heute bereits greifbar sind:
1) Kreditvermittlungsgeschäft
Auf Crowd-Lending Plattformen (Peer-to-Peer Lending) können kreditsuchende Privatpersonen oder Unternehmen Kreditgeber finden. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Vielzahl von Kreditgebern, die eine kleinere Summe investieren. Dabei müssen die Investoren ihre Investitionszusage auf einem Kontokorrentkonto einzahlen. Erst wenn der Schwellwert einer Mindestbeteiligung er-reicht wird, wird das Geld dem Kreditnehmer überwiesen und der Kredit vertraglich geregelt.
Aktuell finden sich Peer-to-Peer-Lending-Plattformen zu Privatkrediten, KMU-Krediten oder Hypotheken. Für die Abwicklung der Kreditvermittlung muss eine solche Plattform häufig auf eine Kooperation mit einer Bank zurückgreifen. In einigen Fällen werden dafür komplexe Verträge (z.B. Forderungskaufverträge) benötigt, welche die Rechtssicherheit des Endkunden beeinträchtigen können.
Wenn eine Peer-to-Peer-Lending-Plattform selbst eine Banklizenz hätte, dann würde dies sowohl die Prozesse vereinfachen als auch die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöhen. Dabei nutzt diese Plattform zwar die Funktionen einer Vollbank, wie das Einlagengeschäft und das Kreditgeschäft, geht dabei aber nur
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sehr beschränkte Risiken ein. Die bislang vorgeschriebenen Eigenkapitalanforderungen von 10 Millionen Schweizer Franken sind daher nicht angemessen und verunmöglichen derzeit diesen sinnvollen und für die Interessenten notwendigen Schritt zur Banklizenz.
2) Einlagengeschäft / Kontokorrentkonti
Eine weitere Basisdienstleistung von Banken ist das Einlagengeschäft (Kontokorrentkonti), das eine Ausgangsbasis für zahlreiche weitere Dienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Börsengeschäfte, Devisenhandel sein kann. Die Bank kann da-bei auf das risikoreiche Geschäft mit langfristigen Krediten verzichten und benötigt dadurch nur einen Bruchteil des regulatorischen Eigenkapitals von "Vollbanken".
3) Crowd-Investment (Peer-to-Peer Investment)
Die Dienstleistung von Peer-to-Peer-Investment-Plattformen gleichen denen von Lending-Plattformen, abgesehen davon, dass es inhaltlich um Beteiligungen und nicht um Kredite geht. Gleich wie bei der Kreditvermittlungsplattform müssen die Investoren ihre Investitionszusage auf einem Kontokorrentkonto einzahlen. Nach Erreichen einer Mindestbeteiligung, wird das Geld dem kapitalsuchenden Unternehmen überwiesen und die Beteiligung strukturiert. Für den ausreichen-den Schutz der Kundeneinlagen zwischen Investitionsentscheidung und Auszahlung und für die Zahlungsinfrastruktur braucht das Crowd-Investment-Unternehmen zwar die Dienstleistungen einer Bank. Für die Bankdienstleistungen selbst besteht hingegen nur ein geringes Risiko.
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2017 / 343
2017 / 342
Landtagssitzungen
09. Juni 2017
Stichwörter
Abän­de­rung Bankengesetz
Abän­de­rung Finanzmarktaufsichtsgesetz
Anfangs­ka­pital
Eins­tiegs­hürden für kleine und risi­ko­arme Geschäfts­mo­delle in den Finanz­markt zu erleichtern
Finanz­markt­re­gu­lie­rung
Fin-Techs