Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2021 / 63
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bestimmungen
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Aus­wir­kungen auf Ver­wal­tungstä­tig­keit und Ressourceneinsatz
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.1Gesetz über die Abän­de­rung des Polizeigesetzes
1.2Gesetz über die Abän­de­rung des Ausländergesetzes
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der EU betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2019/1896 über die europäische Grenz- und Küstenwache und zur Abänderung des Gesetzes über die Landespolizei (Polizeigesetz) sowie des Ausländergesetzes (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)
 
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Die gegenständliche Vorlage dient der Genehmigung des Notenaustausches zwischen Liechtenstein und der Europäischen Union (EU) betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2019/1896 über die Europäische Grenz- und Küstenwache sowie dessen Umsetzung.
Mit der neuen Verordnung (EU) 2019/1896 über die Europäische Grenz- und Küstenwache wurde eine Europäische Grenz- und Küstenwache eingerichtet, die für eine integrierte europäische Grenzverwaltung an den Aussengrenzen sorgen soll, um diese Aussengrenzen effizient und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte zu verwalten, und um die Effizienz der Rückkehrpolitik zu erhöhen. Im Rückkehrbereich soll die Agentur die Schengen-Staaten neu während allen Phasen der Rückkehr unterstützen. Dabei soll sich die Unterstützung auf alle Aspekte der Rückkehr (Vorbereitung bis Rückführung) erstrecken und auch die freiwillige Rückkehr miteinschliessen. Zudem kann die Agentur neu die Schengen-Staaten auch bei der Identifizierung von Drittstaatsangehörigen und bei der Beschaffung von Reisedokumenten unterstützen. Im Bereich Grenzverwaltung werden weiterhin vorrangig die einzelnen Staaten für den Aussengrenzschutz zuständig sein.
Die Europäische Grenz- und Küstenwache besteht zum einen aus der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (nachfolgend Agentur bzw. Frontex) und zum andern aus den für die Grenzverwaltung zuständigen nationalen Behörden. Damit Frontex ihre Aufgaben im Grenz- und Rückkehrbereich wirksamer wahrnehmen kann, hat sie ein stärkeres Mandat im Rückkehrbereich und im Bereich der Zusammenarbeit mit Drittstaaten erhalten. Zudem wird Frontex mit den erforderlichen personellen Kapazitäten in Form einer ständigen Reserve und genügend Material ausgestattet. Die ständige Reserve soll bis ins Jahr 2027 kontinuierlich auf bis zu 10'000 Einsatzkräfte ausgebaut werden. Sie besteht aus von der Agentur eingestelltem und geschultem Personal (Kategorie 1) und von den Schengen-Staaten langfristig (Kategorie 2; zwei Jahre) oder kurzfristig (Kategorie 3; maximal 4 Monate) entsandtem oder über die Reserve für Soforteinsätze (Kategorie 4) abgestelltem Personal. Dadurch werden sich die Beiträge, welche die Schengen-Staaten zu leisten haben, entsprechend erhöhen. Liechtenstein wird - anstelle der Unterstützung mittels Materials und Personal - eine anteilige finanzielle Unterstützung leis-
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ten. Unter Rücksichtnahme auf die relative Grösse Liechtensteins wird die Beteiligung an der Europäischen Grenz- und Küstenwache somit weiterhin rein finanzieller Natur sein.
Diese Weiterentwicklung wurde Liechtenstein durch die EU am 15. November 2019 notifiziert. Die Regierung hat die Übernahme der genannten Verordnung, vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags, gutgeheissen.
Einerseits soll vorliegend der zur Übernahme der Verordnung notwendige Notenaustausch durch den Landtag genehmigt werden und andererseits befassen sich die vorliegenden Gesetzesvorlagen mit den dadurch notwendigen Abänderungen des Polizeigesetzes (PolG) sowie des Ausländergesetzes (AuG).
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt
Betroffene Stellen
Landespolizei
Ausländer- und Passamt
Amt für Auswärtige Angelegenheiten
Mission des Fürstentums Liechtenstein bei der Europäischen Union in Brüssel
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Vaduz, 13. Juli 2021
LNR 2021-654
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2019/1896 über die Europäische Grenz- und Küstenwache1 (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes) und zur Abänderung des Gesetzes über die Landespolizei (Polizeigesetz)2 sowie des Gesetzes über die Ausländer (Ausländergesetz; AuG)3 an den Landtag zu unterbreiten.



 
1Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624 (ABl. L 295 vom 14. November 2019, S.1).
 
2Gesetz vom 21. Juni 1989 über die Landespolizei (Polizeigesetz, PolG, LGBl. 1989 Nr. 48).
 
3Gesetz vom 17. September 2008 über die Ausländer (Ausländergesetz; AuG, LGBl. 2008 Nr. 311).
 
1.Ausgangslage
Das Fürstentum Liechtenstein ist mit Inkraftsetzen der Assoziierungsprotokolle zu Schengen und Dublin am 19. Dezember 2011 dem Schengen-Raum beigetreten.
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Der übernommene Schengen/Dublin-Besitzstand (Acquis) beinhaltete unter anderem auch die Verordnung (EG) 2007/2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union4 sowie die Verordnung (EG) 863/2007 über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten5. Mit der erstgenannten Verordnung schuf die Europäische Union die Rechtsgrundlage für die Errichtung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der EU. Frontex bezweckt eine erleichterte Anwendung von Gemeinschaftsmassnahmen zum Schutz der Aussengrenzen. Die zweitgenannte Verordnung regelt die Entsendung von Soforteinsatzteams aus den Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Unterstützung für Grenzsicherungszwecke. Frontex plante und koordinierte mit dem ersuchenden Mitgliedstaat die jeweiligen Einsätze. Gestützt auf die Verordnungen von 2007 oblag Liechtenstein keine einforderbare Verpflichtung, Grenzschutzbeamte zum Schutze der Schengen-Aussengrenzen zu entsenden. Liechtenstein entrichtete lediglich die finanziellen Mitgliedschaftsbeiträge und nahm an den Verwaltungsratssitzungen teil.
Aufgrund des aussergewöhnlichen Migrationsdrucks, dem die EU an ihren Aussengrenzen ab 2015 ausgesetzt war, und der daraus resultierenden Sekundärmigration im Schengen-Raum, hat die EU eine Reihe von Massnahmen getroffen.
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Dazu gehörte mit dem Erlass der Verordnung (EU) 2016/16246 die Schaffung einer eigentlichen Europäischen Grenz- und Küstenwache, die seitdem zum einen aus der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache und zum andern aus den für die Grenzverwaltung zuständigen nationalen Behörden besteht.
Mit dieser Verordnung schuf die EU u.a. auch eine neue Rechtsgrundlage für den sog. Soforteinsatzpool von mindestens 1'500 Grenzschutzexperten zum Zwecke eines effektiven, flexiblen und schnellen Einsatzes an bestimmten Brennpunkten der Aussengrenzen. Im Gegensatz zum sonstigen Personal und Material, welches die Schengen-Staaten zur Unterstützung an den Aussengrenzen freiwillig bzw. auf der Grundlage periodischer individueller Verhandlungen mit der EU zur Verfügung stellen, wurden für den Soforteinsatzpool erstmals verpflichtende Kontingente für jeden einzelnen Schengen-Staat in der Verordnung festgelegt.
Die Beteiligungen der Schengen-Staaten am Soforteinsatzpool stützten sich auf Artikel 20 der Verordnung (EU) 2016/1624 und sind in deren Anhang I zahlenmässig bestimmt. Da Liechtenstein selbst keine Schengen-Aussengrenze hat und die Landesgrenzen aufgrund des Zollvertrages mit der Schweiz nicht durch eigene Grenzschutzbeamte, sondern durch das Schweizer Grenzwachtkorps gesichert und kontrolliert werden, sowie aufgrund der relativen Kleinheit Liechtensteins gegenüber anderen Staaten, hielt die Verordnung (EU) 2016/1624 in der Fussnote zu Anhang I fest, dass Liechtenstein stattdessen eine "anteilige finanzielle Unterstützung" zu leisten hat.
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Anstelle einer blossen Geldzahlung wurde mit dem Schweizer Grenzwachtkorps eine Vereinbarung getroffen, welche vorsieht, dass Liechtenstein einen Beitrag zur Finanzierung eines zusätzlichen Grenzschutzbeamten an die Schweiz leistet, welcher durch die Schweiz an Frontex entsandt wird. Dieser Beitrag entspricht den Personalkosten eines Grenzschutzbeamten, für welche die Schweiz bzw. das schweizerische Grenzwachtkorps aufkommt (jährlich CHF 141'000). Damit wurde seither die liechtensteinische Verpflichtung gemäss Anhang 1 zur Verordnung (EU) 2016/1624 erfüllt. Diese Verordnung wurde jedoch durch die gegenständliche Verordnung (EU) 2019/1896 (im Folgenden: Frontex-VO) ersetzt, welche den Schengen-Staaten sehr viel weitreichendere Verpflichtungen für die Entsendung von Personal an die Europäische Grenz- und Küstenwache auferlegt.
Ähnlich wie in der Verordnung (EU) 2016/1624 sieht jedoch auch diese Verordnung im Falle Liechtensteins an Stelle einer personellen Beteiligung an der Europäischen Grenz- und Küstenwache wiederum anteilsmässige finanzielle Unterstützungsleistungen vor, so dass Liechtenstein auch weiterhin als einziger beteiligter Staat keine eigenen Grenzschutzexperten zu entsenden hat.7



 
4ABl. L 349 vom 25.11.2004, S.1.
 
5ABl. L 199 vom 31.07.2007, S. 30.
 
6Verordnung (EU) 2016/1624 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267/EG (ABl. L 251 vom 16.09.2016, S. 1; nicht mehr in Kraft).
 
7Siehe ausführlicher unten Abschnitt 3.
 
LR-Systematik
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LGBl-Nummern
2021 / 431
2021 / 430
Landtagssitzungen
04. November 2021
02. September 2021
Stichwörter
Abän­de­rung des Ausländergesetzes
Abän­de­rung des Polizeigesetzes
Euro­päi­sche Grenz- und Küstenwache
Über­nahme der Ver­ord­nung (EU) 2019/1896